Bereits zum Zeitpunkt, in dem zwischen einem Bewerber und einem potentiellen Arbeitgeber noch kein Vertrag abgeschlossen wurde (d.h. im Bewerbungsverfahren), gelten bestimmte Regeln. Insbesondere sind in diesem Stadium die Bestimmungen des Datenschutzes, des Gleichstellungsgesetzes sowie die Prinzipien von Treu und Glauben einzuhalten. Insbesondere die Verletzung des Prinzips von Treu und Glauben kann Schadenersatzfolgen mit sich bringen.

Fragerecht des Arbeitgebers

Grundsätzlich stellen die Arbeitgeber den Bewerbern viele Fragen. Das Fragerecht ist aber beschränkt. Es dürfen nur Fragen gestellt werden, die zu der besetzenden Stelle in einem Zusammenhang stehen und an denen der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse hat. Es ist von der konkreten Stelle abhängig, ob eine Frage zulässig oder unzulässig ist. So ist insbesondere die Position und die Wichtigkeit der Stelle zu berücksichtigen.

Die rechtlichen Grundlagen für die Einschränkungen des Fragerechts sind:
  • Art. 328b OR: Der Arbeitgeber darf Daten nur insoweit bearbeiten, als dies nötig ist, um die Eignung abzuklären. Obgleich die Bestimmung sich nur auf bereits bestehende Arbeitsverhältnisse zu beziehen scheint, gilt sie auch für das Bewerbungsverfahren.
  • Art. 4 DSG: Das Datenschutzgesetz verlangt die Verhältnis- und Zweckmässigkeit von Datenbearbeitungen.
Zulässige Fragen (im Allgemeinen):
  • Aus- und Weiterbildung
  • bisherige Anstellungen
  • Qualifikationen
  • Karrierepläne
  • gültige Konkurrenzverbote
Unzulässige Fragen (im Allgemeinen):
  • bisheriges Einkommen
  • körperliche und geistige Behinderungen
  • Familienpläne
  • Vorstrafen (auch Verlangen eines Strafregisterauszuges)
  • Mitgliedschaften in Vereinen und Verbünden (auch Gewerkschaften)
  • Schwangerschaft
  • Religion

Aufgrund der konkret zu besetzenden Stelle kann es aber möglich sein, dass eine Frage, die bei einem anderen Betrieb unzulässig ist, trotzdem zulässig ist. Bewirbt sich jemand bei einer Kirchgemeinde (Tendenzbetrieb), so ist die Frage nach der Religion im Allgemeinen zulässig.

Probleme im Umfang des Fragerechts können sich insbesondere in den folgenden Bereichen ergeben:
  • Schwangerschaft: Die Frage nach einer Schwangerschaft ist grundsätzlich unzulässig. Wenn aber die Arbeit für schwangere Frauen eine Gefährdung der Gesundheit mit sich bringt und wenn Massnahmen zum Schutz notwendig wären, darf die Frage nach der Schwangerschaft gestellt werden.
  • Vorstrafen: Fragen nach Vorstrafen sind nur zulässig, wenn es mit der zu besetzenden Stelle einen unmittelbaren Zusammenhang gibt, so insbesondere mit der Art der Straftat, welche einen Bewerber für eine Stelle ungeeignet erscheinen lässt. Das flächendeckende Verlangen von Strafregisterauszügen ist in der Regel nicht zulässig.
  • Gesundheit: Fragen nach Krankheiten sind grundsätzlich unzulässig, es ein denn, die Frage richtet sich danach, ob der Arbeitnehmer eine ansteckende Krankheit hat oder ob die Krankheit ihn für eine konkrete Aufgabe ungeeignet erscheinen lässt.

Zur Zulässigkeit der Frage nach Impfungen, siehe den Beitrag auf 20 Minuten.

Auskunftspflicht des Arbeitnehmers

Wird einem Bewerber eine zulässige Frage gestellt, muss ein Bewerber diese wahrheitsgetreu beantworten. Unzulässige Fragen, d. h. Fragen, welche nicht mit der Eignungsabklärung zu tun haben, muss ein Erwerber nicht beantworten. Er verfügt zudem über das Notwehrrecht der Lüge, d. h. er kann unzulässige Fragen bewusst falsch beantworten, sofern er befürchten muss, dass er bei einer wahren Antwort die Stelle nicht erhält. Wird so eine Frage absichtlich falsch beantwortet, darf der Arbeitgeber dem Arbeitgeber später auch nicht fristlos kündigen, wenn er im Nachhinein von der Wahrheit erfährt.

Bei falscher Auskunft, die nicht durch das Notwehrrecht der Lüge gedeckt ist, kann ein Stellenbewerber schadenersatzpflichtig werden. Erhält er die Stelle, riskiert er zudem seine Entlassung.

Mitteilungspflicht des Arbeitnehmers

Im Grunde genommen ist ein Arbeitnehmer im Rahmen des Bewerbungsverfahrens nicht mitteilungspflichtig. So ist er nicht mitteilungspflichtig, auch wenn es um anstellungserhebliche Kriterien geht, sofern er durch den Arbeitgeber nicht darauf angesprochen wird. Hingegen ist durch einen Stellenbewerber von sich aus, d. h. ohne Nachfrage, mitteilungspflichtig in Bezug auf für eine geordnete Arbeitsausführung unentbehrliche Eigenschaften bzw. wenn er wegen einer Eigenschaft völlig ungeeignet für eine Stelle ist. Dies kann insbesondere in den folgenden Konstellationen zutreffen:

  • fehlende Berufsbildung, die absolut notwendig wäre für die Stelle
  • Konkurrenzverbot, welches die Tätigkeit erheblich behindert
  • Vorstrafen und Schwangerschaften sind grundsätzlich nicht mitteilungspflichtig. Es kann aber im Einzelfall sein, dass sie aufgrund der konkret zu besetzenden Stelle mitzuteilen
    sind.

In der Regel wird die Mitteilungspflicht in den folgenden Situationen verneint:

  • Schwangerschaft und Krankheit (ausser Arbeitsunfähigkeit oder erhebliche Einschränkung der Arbeitstauglichkeit)
  • Vorstrafen
  • laufendes Strafverfahren (ausser lange Abwesenheit absehbar).

 

Lesen Sie hierzu auch den Beitrag auf 20 Minuten.

 

Autor: Nicolas Facincani