Im Entscheid 4A_485/2017 vom 25. Juli 2018 hatte sich das Bundesgericht mit einer missbräuchlichen Kündigung einer Krankenschwester auseinanderzusetzen. Die obere kantonale Instanz hatte die Arbeitgeberin auf Bezahlung einer Zahlung von 6 Monatslöhnen verpflichtet. Der Entscheid wurde vom Bundesgericht geschützt.
Allgemeine Ausführungen zur missbräuchlichen Kündigung
Das Bundesgericht machte zuerst verschiedene Ausführungen zum Kündigungsrecht:
- Kündigungsfreiheit: „Chaque partie peut décider unilatéralement de mettre fin à un contrat de travail de durée indéterminée (art. 335 al. 1 CO)“.
- Einschränkung der Kündigungsfreiheit: „Ce droit est cependant limité par les dispositions sur le congé abusif (art. 336 ss CO)“.
- Art. 336 OR ist nicht abschliessend und konkretisiert das allgemeine Rechtsmissbrauchsverbot: „L‘art. 336 CO énumère des cas de résiliation abusive. Cette liste n’est pas exhaustive; elle concrétise avant tout l’interdiction générale de l’abus de droit. Un congé peut ainsi se révéler abusif dans d’autres situations que celles énoncées par la loi; elles doivent toutefois apparaître comparables, par leur gravité, aux hypothèses expressément envisagées“.
- Die Missbräuchlichkeit kann sich aus verschiedenen Umständen ergeben: „Le caractère abusif du congé peut découler notamment du motif répréhensible qui le sous-tend (l‘art. 336 CO en énonce une liste), ou encore de la manière dont il est donné, de la disproportion évidente des intérêts en présence ou de l’utilisation d’une institution juridique de façon contraire à son but“.
Höhe der Entschädigung gemäss Art. 336a OR
Die Entschädigung gemäss Art. 336a OR dient einerseits der Bestrafung, andererseits der Wiedergutmachung für den gekündigten Arbeitnehmer und darf 6 Monatslöhne nicht übersteigen. Die folgenden Faktoren sind etwa bei der Bemessung zu berücksichtigten (siehe auch CHK-Emmel, Art. 336a OR):
- Schwere des Verschuldens des Arbeitgebers
- Mitverschulden des Arbeitnehmers
- Intensität des Eingriffs in die Persönlichkeit
- Arbeitsvertragliche Bindung (Dauer und Enge)
- Soziale und wirtschaftliche Situation der Parteien
- Wirtschaftliche Folgen
- Alter des Arbeitnehmers
- mögliche Probleme bei Wiedereingliederung
Als Begründung für die 6 Monatslöhne „Strafzahlung“ wurden im Entscheid 4A_485/2017 vom 25. Juli 2018 verschiedene Gründe genannt, welche insgesamt dazu führten, dass die Kündigung erhebliche negative Auswirkungen zeitigte: „En l’occurrence, les juges d’appel ont justifié leur décision par l’âge de l’employée (57 ans), la très longue durée des rapports de travail et les excellentes évaluations obtenues; les témoins entendus avaient attesté de la grande qualité du travail fourni. De surcroît, le licenciement était intervenu onze mois avant l’ouverture du droit à une retraite anticipée (janvier 2017) ce qui, selon les déclarations non contestées de l’employée, engendrait des conséquences économiques graves liées à la perte de l’affiliation à la caisse de prévoyance des employeuses. La résiliation avait donc eu un effet économique négatif et durable“.
Die gekündigte Arbeitnehmerin konnte also eine Entschädigung von 6 Monatslöhnen geltend machen.
Weitere Beiträge zur missbräuchlichen Kündigung:
- Missbräuchliche Entlassung einer Arbeitnehmervertreterin
- Höhe der Entschädigung bei missbräuchlicher Kündigung
- Geltendmachung einer missbräuchlichen Kündigung
- Der Arbeitgeber war schuld?!
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Autor: Nicolas Facincani
BVGE Aktuelle Ausgabe Uber BVGE BVGE abonnieren BVGE-Archiv BVGE-Zubehor Im schweizerischen Arbeitsrecht gilt der Grundsatz der Kundigungsfreiheit. Durch die vom Gesetz in Art. 336 OR aufgezahlten Tatbestande werden der Kundigungsfreiheit jedoch bestimmte Grenzen gesetzt. So fuhrt ein Vorliegen eines dieser Tatbestande dazu, dass eine Kundigung des Arbeitsverhaltnisses als missbrauchlich qualifiziert wird. Diese Aufzahlung ist als Konkretisierung des allgemeinen Rechtsmissbrauchsverbots jedoch nicht abschliessend, so dass in der Praxis weitere Tatbestande als missbrauchliche Kundigungen anerkannt werden. Rechtsfolge einer missbrauchlichen Kundigung ist, dass derjenige, der ein Arbeitsverhaltnis missbrauchlich kundigt, der anderen Partei eine Entschadigung zu leisten hat, die einem Betrag von einem bis sechs Monatslohnen entspricht. Innerhalb dieses Ermessensspielraums hat der Richter die Hohe der Entschadigung unter Wurdigung aller Umstande festzulegen. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Sinn der in Art. 3 OR vorgesehenen Entschadigung und stellt die daraus gewonnenen Erkenntnisse den in der Praxis gefallten Entschadigungsurteilen gegenuber. Im Zuge dieser Gegenuberstellung bietet die vorliegende Arbeit einen pragnanten Uberblick uber den sachlichen Kundigungsschutz aus theoretischer sowie praktischer Sicht. Empfehlungen fur Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Richter werden am Schluss der Arbeit abgegeben.