Das Bundesgericht hatte sich im Entscheid 2C_546/2018 vom 11. März 2019 mit der Frage der Zulässigkeit einer kantonalen Regelung (Kanton Basel Stadt) im Personalreglement auseinanderzusetzen, welche das Tragen sichtbarer religiöser Symbole untersagt.

 

Inhalt des Personalreglements

Gemäss § 8a des Personalreglements haben sich Präsidenten, die  Richter,  Gerichtsschreiber sowie weitere an der Beratung des Gerichts beteiligte Personen wie insbesondere  Volontäre dem Tragen sichtbarer religiöser Symbole in Verhandlungen und bei der Eröffnung von Entscheiden in Anwesenheit der Parteien oder der Öffentlichkeit zu enthalten.

 

Rügen durch die Kläger

Durch die Kläger wurde insbesondere eine Verletzung der Glaubens- und Gewissensfreiheit gerügt (Art. 15 BV, Art. 9 EMRK und Art. 18 Abs. 3 des internationalen Paktes vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (UN-Pakt II; SR 0.103.2). Sodann wurde geltend gemacht, es liege für die mit § 8a des Personalreglements einhergehende Einschränkung der Glaubens- und Gewissensfreiheit keine ausreichende gesetzliche Grundlage zugrunde uns es fehle ein öffentliches Interesse. Zudem sei die Regelung unverhältnismässig und ungenügend bestimmt.

 

Entscheid des Bundesgerichts

Das Bundesgericht schützte die kantonale Regelung des Kantons Basel Stadt. Dies aus den folgenden Gründen:

 

Einschränkung der Glaubens- und Gewissensfreiheit

Indem die angefochtene Bestimmung vorschreibt, in gewissen Situationen auf religiös motivierte Bekleidungsstücke zu verzichten, kann sie eine Einschränkung der Glaubens- und Gewissensfreiheit im Sinne von Art. 15 BV bewirken.

 

Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Einschränkung von Grundrechten

Einschränkungen der Glaubens- und Gewissensfreiheit sind unter den in Art. 36 BV genannten Voraussetzungen zulässig. Sie müssen auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, durch ein öffentliches Interesse oder den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt und verhältnismässig sein (vgl. Art. 36 Abs. 1 bis Abs. 3 BV).

 

Intensität des Eingriffs

Im vorliegenden Fall zieht die angefochtene Regelung nur für zeitlich und sachlich eng begrenzte Situationen (Verhandlungen und Eröffnung von Entscheiden in Anwesenheit der Parteien oder der Öffentlichkeit) nach sich, dass Gerichtspersonen auf das sichtbare Tragen religiöser Symbole zu verzichten haben. Damit bleiben die Auswirkungen auf den Lebensalltag der Betroffenen beschränkt. Sodann kann von Gerichtspersonen in weitaus höherem Masse als von Schülerinnen und Schülern verlangt werden, dass sie reflektiert mit einer Konfliktsituation umgehen können, die sich aus Anforderungen ihrer beruflichen Tätigkeit einerseits und ihren religiösen Überzeugungen andererseits ergeben. Das gilt umso mehr, als die Arbeit an einem Gericht bis zu einem gewissen Grad stets die Fähigkeit verlangt, innerlich Distanz zu persönlichen Grundhaltungen zu wahren. Zudem legt der Gerichtsrat in seiner Stellungnahme an das Bundesgericht dar, dass die Übernahme einer Funktion als Gerichtsmitglied im Unterschied zum Besuch des obligatorischen Grundschulunterrichts grundsätzlich freiwillig erfolgt und juristisch ausgebildeten Personen neben einer Arbeit an Gerichten ein breites Betätigungsfeld offen steht. Nach den Ausführungen des Gerichtsrats ist die Bereitschaft zur Teilnahme an Verhandlungen als Teil des Gerichts sodann keine Voraussetzung für das Absolvieren eines Volontariats. Angesichts dessen schränkt § 8a des Personalreglements das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit im Sinne von Art. 15 BV für die Betroffenen nicht in schwerwiegender Weise ein.

 

Öffentliches Interesse

Im vorliegenden Fall will die angefochtene Bestimmung verhindern, dass Parteien eines gerichtlichen Verfahrens der Eindruck vermittelt wird, die aufseiten des Gerichts beteiligten Personen würden sich in der Urteilsfindung von ihren religiösen Überzeugungen leiten lassen. Dies stellt ein zulässiges öffentliches Interesse dar, auch wenn der Verzicht auf sichtbar getragene religiöse Symbole für sich noch nicht sicherstellen mag, dass sich Gerichtsangehörige ihrer konfessionellen Prägung und den sich daraus für ihre Arbeit ergebenden Folgen in allen Teilen bewusst sind. Daneben verleiht Art. 30 Abs. 1 BV sämtlichen Parteien, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, einen individualrechtlichen Anspruch auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht. Die gerichtliche Unvoreingenommenheit muss dabei auch in weltanschaulich-religiöser Hinsicht gewährleistet sein (vgl. Urteil 8C_474/2009 vom 7. Januar 2010 E. 7). Damit ist die angefochtene Bestimmung von einem zulässigen öffentlichen Interesse und ausserdem von Grundrechtsinteressen Dritter getragen.

 

Gesetzliche Grundlage

Für die Einschränkung der Glaubens- und Gewissensfreiheit im Sinne von Art. 15 BV liegt damit eine ausreichende gesetzliche Grundlage vor, die nicht in Verletzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung erlassen wurde.

 

Verhältnismässigkeit

Die Anordnung, dass Gerichtspersonen in Verhandlungen und bei der Eröffnung von Entscheiden in Anwesenheit der Parteien oder der Öffentlichkeit auf das Tragen sichtbarer religiöser Symbole zu verzichten haben, ist ohne weiteres geeignet, den Eindruck konfessioneller Voreingenommenheit zu vermeiden. In persönlicher Hinsicht beschränkt sich § 8a des Personalreglements auf die an der Beratung des Gerichts beteiligten Personen und in sachlicher Hinsicht nur auf das Tragen  sichtbarer religiöser Symbole. Zeitlich beschränkt sich der Anwendungsbereich der Bestimmung auf die Verhandlungen und die Eröffnung von Entscheiden in Anwesenheit der Parteien oder der Öffentlichkeit. Sie geht damit nicht weiter als notwendig. Dass die Befolgung von § 8a des Personalreglements für die betroffenen Personen geradezu unzumutbar sein könnte, ist sodann nicht ersichtlich. Eine solche Unzumutbarkeit könnte sich höchstens aus konkreten Situationen ergeben, die im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle aber nicht zu prüfen sind.

 

Autor: Nicolas Facincani