Lohndiskriminierung: Frauen und Männer haben gemäss Art. 8 Abs. 3 Bundesverfassung und Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 lit. d Gleichstellungsgesetz (GlG) Anspruch auf gleichen Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit. Auch wenn die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer in den Lohn eingewilligt hat, kann sie sich nachträglich vor Gericht auf die entsprechenden Bestimmungen berufen und wegen Lohndiskriminierung klagen. Die Lohnschutzbestimmung gilt für privatrechtliche sowie öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnisse gleichermassen.

Vor Gericht hat die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer das Vorhandensein einer geschlechtsspezifischen Lohndiskriminierung nur glaubhaft zu machen (Art. 6 Gleichstellungsgesetz). Eine Lohndiskriminierung gilt als glaubhaft gemacht, wenn für deren Vorhandensein gewisse Elemente sprechen, selbst wenn das Gericht noch mit der Möglichkeit rechnet, dass eine solche doch nicht vorliegt. Das Bundesgericht erachtete eine Lohndiskriminierung jeweils bei Lohndifferenzen zwischen 15 bis 25% als glaubhaft gemacht. In einem Fall liess das Bundesgericht bereits eine Differenz von 11% genügen, wobei in diesem Fall die Klägerin drei Jahre länger gearbeitet hatte als ihr Arbeitskollege.

 

Entscheid des Bundesverwaltungsgericht A-6754/2016 vom 10. September 2018

Im Entscheid des Bundesgerichts hatte sich diese mit einer behaupteten Lohndiskriminierung einer Arbeitnehmerin auseinanderzusetzen.

Die Arbeitnehmerin wurde 2014 in einem Bereich des Führungsstabes der Armee FST A in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis angestellt. In der Folge wechselte sie die Stelle, und trat eine neue unbefristete Stelle innerhalb der gleichen Organisationseinheit an. In der Folge stellte sie fest, dass sie einen tieferen Anfangslohn erhalten hatte, als ihr Nachfolger und machte eine unzulässige Lohndiskriminierung geltend. Zur Begründung brachte sie insbesondere vor, dass es in keiner Art und Weise nachvollziehbar sei, weshalb ihr Nachfolger, ein wesentlich jüngerer Mann mit fehlendem Abschluss in Betriebswirtschaft, keinen Kenntnissen des Militärrechts, sehr geringen Kenntnissen des Verwaltungsrechts und keinen Kenntnissen in der Rechtsetzung, ein höheres Gehalt erhalten soll.

 

Glaubhaftmachung der Lohndiskriminierung

In einem ersten Schritt hatte das Bundesverwaltungsgericht zu prüfen, ob die behauptete Lohndiskriminierung durch die Arbeitnehmerin glaubhaft gemacht wurde und begründete wie folgt:

  • Glaubhaftmachen bedeutet, dass es genügt, dem Gericht aufgrund objektiver Anhaltspunkte den Eindruck einer gewissen Wahrscheinlichkeit des Vorhandenseins der in Frage stehenden Tatsache zu vermitteln, ohne dass dabei die Möglichkeit ausgeschlossen sein muss, dass die Verhältnisse sich auch anders gestalten könnten. Glaubhaft gemacht ist daher eine Tatsache schon dann, wenn für deren Vorhandensein gewisse Elemente sprechen, selbst wenn das Gericht noch mit der Möglichkeit rechnet, dass sie sich nicht verwirklicht haben könnte (BGE 144 II 65 E. 4.2.2 und 142 II 49 E. 6.2 m.H.). Dabei darf nicht verlangt werden, dass die Geschlechterdiskriminierung wahrscheinlicher ist als die Nichtdiskriminierung.
  • Eine geschlechtsbedingte Diskriminierung ist in der Regel glaubhaft gemacht, wenn Angehörige des einen Geschlechts für eine gleiche oder gleichwertige Arbeit einen signifikant tieferen Lohn erhalten als jene des anderen Geschlechts (z.B. als Vorgänger oder Nachfolger auf der gleichen Stelle). Das Bundesgericht erachtete eine Lohndiskriminierung aufgrund des Geschlechts bei Lohndifferenzen zwischen 15 bis 25 % als glaubhaft gemacht (BGE 125 III 368 E. 4.). Dabei handelt es sich um Richtgrössen, die – allenfalls zusammen mit weiteren Kriterien – eine Glaubhaftmachung erfolgreich begründen können (BGE 142 II 49 E. 6.2 m.H.). In einem Fall liess das Bundesgericht bereits eine Differenz von 11 % genügen, wobei die Klägerin ihre Tätigkeit gut drei Jahre länger ausgeübt hatte als der zum Vergleich beigezogene Arbeitskollege (Urteil 2A.91/2007 vom 25. Februar 2008 E. 5).

Gestützt auf diese Erläuterungen kam das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss, dass die Arbeitnehmerin aufgrund des unterschiedlichen Anfangslohnes für die exakt gleiche Stelle eine Lohndiskriminierung gemäss Art. 3 Abs. 2 GlG glaubhaft gemacht hatte, so dass die Beweislasterleichterung gemäss Art. 6 GlG zugunsten der Arbeitnehmerin zum Tragen kam. Der Arbeitgeber hat in der Folge zu beweisen, dass keine Diskriminierung vorliegt.

 

Beweis, dass keine Lohndiskriminierung vorliegt

Nachdem die Lohndiskriminierung glaubhaft gemacht war, prüfte das Bundesverwaltungsgericht, ob die unterschiedliche Entlöhnung für dieselbe Stelle sachlich gerechtfertigt ist und somit keine verbotene Diskriminierung vorliegt, was vom Arbeitgeber zu beweisen ist. Dieser trägt auch die Folgen der Beweislosigkeit. Dabei hielt das Bundesverwaltungsgericht das Folgende fest:

  • Sachlich begründet ist ein Lohnunterschied im Einzelvergleich oder bei der Einstufung von Frauenberufen, wenn er sich auf sog. objektive Kriterien stützt oder nicht geschlechtsspezifisch motiviert ist. Zu den objektiven Kriterien gehören Gründe, die den Wert der Arbeit beeinflussen können, wie Ausbildung, Dienstalter, Qualifikation, Erfahrung, konkreter Aufgabenbereich, Leistung, soweit sie sich im Arbeitsergebnis niederschlägt, oder Risiken und Pflichtenheft (BGE 130 III 145 E. 5.2). Bei der Ausgestaltung des Besoldungssystems im öffentlichen Dienst steht den zuständigen Behörden ein erheblicher Freiraum zu. Sie können aus der Vielzahl denkbarer Anknüpfungspunkte die Tatbestandsmerkmale auswählen, die für die Besoldung massgebend sein sollen. Das Lohngleichheitsgebot schränkt diesen grossen Ermessensspielraum nicht grundsätzlich ein. Doch obliegt dem Arbeitgeber gegebenenfalls der Nachweis, dass er diesen Spielraum auf eine nicht diskriminierende Weise handhabt (BGE 142 II 49 E. 6.3 m.H.)
  • Der Lohnunterschied wurde vom Arbeitgeber (Führungsstab der Armee) wie folgt begründet: Die Differenz des Anfangslohnes begründet sie im Wesentlichen damit, dass der Nachfolger über erheblich längere funktionsrelevante Arbeitserfahrung, funktionsrelevante Führungserfahrung und allgemeine Führungserfahrung verfüge als die Arbeitnehmerin. So sei der Nachfolger in den funktionsrelevanten Bereichen Rechtsetzung, Rechtsanwendung und Rechtsberatung tätig gewesen und habe während neun Jahren für ein Unternehmen als Leiter Ticketing und Leiter Rechtsdienst mit Schwerpunkten Vertragsrecht, Arbeitsrecht, Veranstaltungsrecht und Verwaltungsrecht gearbeitet und dabei juristische Praxiserfahrung sowie Führungserfahrung gesammelt. Anschliessend sei er für ein Jahr als Jurist innerhalb der Bundesverwaltung tätig gewesen und habe Verfügungen, Vernehmlassungen und juristische Gutachten verfasst. Diese funktionsrelevante Arbeits- und Führungserfahrung würde im ausgewiesenen Erfahrungsschatz der Arbeitnehmerin weitgehend fehlen. Die einzige, diesbezügliche juristische Arbeitserfahrung der Arbeitnehmerin bestehe als Mitarbeiterin einer Gemeinde- und Kantonsverwaltung, in deren Funktion sie im juristischen Bereich überwiegend Erfahrungen in der Rechtsanwendung gesammelt habe. Des Weiteren sei sowohl bei der Arbeitnehmerin als auch bei ihrem Nachfolger vom Maximum der auf die Stelle anwendbaren Lohnklasse 23 des entsprechenden Anstellungsjahres je 15 % abgezogen worden. Dieser Betrag habe als Ausgangspunkt für die weitere Berechnung gedient. Die zehnjährige Praxiserfahrung des Nachfolgers als Jurist in einer Führungsposition sei mit einem Ansatz von 1 % pro Erfahrungsjahr des Maximums der Lohnklasse 23 aufgerechnet und dem Ausgangslohn zugefügt worden. Weil die Arbeitnehmerin keine (oder höchstens minimale) funktionsrelevante juristische Arbeitserfahrung vorgewiesen habe, sei für sie keine entsprechende Erhöhung erfolgt. Ausserdem seien gemäss den Richtlinien des VBS betreffend die Anfangslöhne bei der Festsetzung des Anfangslohnes auch Faktoren wie der bisherige Lohn, das interne Lohngefüge, besondere Ausbildungen oder Lebenserfahrungen, der bisherige Leistungsausweis, das Potential oder die Arbeitsmarktlage angemessen berücksichtigt. Im Weiteren hätten Neueintretende gestützt auf die Weisungen zur Handhabung der Lohnentwicklung und der Leistungsprämie der Gruppe Verteidigung nur Anspruch auf Leistungslohn, wenn der Eintritt gemäss Arbeitsvertrag bis und mit 1. August des Kalenderjahres erfolge. Für danach Eintretende sei der Anteil Leistungslohn in der Anfangsbesoldung angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Nachfolgers, der per (der Eintritt erfolgte nach dem 1. August) 2015 in den Führungsstab der Armee eingetreten sei, sei deshalb eine Aufrechnung des Jahreslohnes von 2 % des Maximums der Lohnklasse 23 vorgenommen worden. Eine solche Aufrechnung habe bei der Arbeitnehmerin nicht vorgenommen werden können, weil sie per (der Eintritt erfolgte vor dem 2. August) 2014 eingetreten sei. Bei ihr sei aufgrund ihrer Personalbeurteilung mit der Beurteilungsstufe 2 („Ziele teilweise erreicht“) eine Lohnerhöhung von 2 % des Maximums der Lohnklasse 23 per 1. Januar 2015 erfolgt. Schliesslich seien für Einstellungen seit dem 1. Januar 2015 neue Richtlinien des VBS betreffend die Anfangslöhne anwendbar, weshalb für den Nachfolger auch ein etwas anderer Lohnrahmen gelten würde als für die Arbeitnehmerin.

Gestützt auf die Vorbringen wurde das Vorliegen einer Lohndiskriminierung verneint. Der Führungsstab der Armee hatte sich korrekt verhalten.

 

Kein Verzicht durch Unterzeichnung des Arbeitsvertrages

In seiner Argumentation versuchte das VBS zu argumentieren, dass auch keine verpönte Lohndiskriminierung vorliegen könne, da die Arbeitnehmerin dem Lohn durch Unterzeichnung eines Arbeitsvertrages zugestimmt hatte. Das wurde vom Bundesverwaltungsgericht klar zurückgewiesen. Es wurde klar betont, dass das verfassungsrechtliche Lohngleichheitsgebot absolut zwingenden Charakter hat. Weder die Vertragsfreiheit noch die Zuständigkeit eines Gesetzgebers oder einer Behörde für den Erlass von Lohnregelungen können ihm entgegen gehalten werden. So kann entgegen der Ansicht der Vorinstanz die Einwilligung in den Lohn nicht einen gültigen Verzicht auf Geltendmachung des Anspruchs auf Lohngleichheit darstellen.

 

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Autor: Nicolas Facincani