Der Annahmeverzug des Arbeitgebers ist in Art. 324 OR geregelt. Im Falle des Annahmeverzuges des Arbeitgebers ist dieser zur Lohnzahlung verpflichtet, obwohl der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbringt.

Der Gesetzeswortlaut lautet wie folgt:

„Kann die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden oder kommt er aus anderen Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist.

Der Arbeitnehmer muss sich auf den Lohn anrechnen lassen, was er wegen Verhinderung an der Arbeitsleistung erspart oder durch anderweitige Arbeit erworben oder zu erwerben absichtlich unterlassen hat.“

In jedem Fall muss der Arbeitnehmer aber seine Leistung anbieten. Auch die Lohnfortzahlungspflicht bei einer Freistellung fällt unter Art. 324 OR.

 

Formen des Annahmeverzuges

Ein Annahmeverzug auf Seiten des Arbeitgebers kann etwa bei folgenden Situationen vorliegen:

  • Annahmeverweigerung: Der Arbeitgeber nimmt die Arbeit des Arbeitnehmers nicht an oder weist dem Arbeitnehmer keine Arbeit zu (hier wird auch die Freistellung darunter subsumiert).
  • Unterlassung von Mitwirkungs- und Vorbereitungshandlungen: Der Arbeitgeber unterlässt es, die Voraussetzungen zu schaffen, damit der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung erbringen kann. Das kann etwa dadurch passieren, dass er die erforderlichen Geräte und Materialen nicht bereitstellt oder im Falle von ausländischen Arbeitnehmern die erforderliche Bewilligung nicht einholt.
  • Betriebsstörungen: Der Arbeitgeber hat das Risiko von Betriebsstörungen zu tragen. Diese fallen in das Betriebsrisiko, für welches der Arbeitgeber auch ohne sein Verschulden verantwortlich ist. Auch im Falle von höherer Gewalt ist grundsätzlich der Arbeitgeber verantwortlich und muss den Lohn weiter bezahlen.

 

Dass die Arbeitsleistung aufgrund eines Betriebsrisikos (bzw. einer Betriebsstörung) nicht erbracht werden kann, kann gemäss Praxis etwa die folgenden Gründe haben, weshalb die Arbeitsleistung ganz oder zum Teil unmöglich wird:

  • Betriebliche Gründe:
    • Unterbrechung der Energiezufuhr
    • Maschinenschaden
    • Personalausfall
    • Naturkatastrophen (wenn alle betroffen sind, liegt u.U. ein Fall von objektiver Unmöglichkeit vor)
  • Wirtschaftliche Gründe:
    • Rohstoffmangel
    • Arbeitsrückgang
  • Behördliche Gründe:
    • Produktionsverbot
    • Importverbot

 

Lohnfortzahlungspflicht

Der Arbeitgeber muss in den vorgenannten Situationen den Lohn weiterhin bezahlen. Der Arbeitnehmer ist auch nicht verpflichtet, die Arbeitsleistung nachzuholen (Art. 324 Abs. 1 OR).

Damit ein Arbeitnehmer aber seinen Lohn weiterhin geltend machen kann, ist es notwendig, dass er selbst seinen Verpflichtungen nachkommt bzw. nachzukommen versucht. Er muss daher die Arbeitsleistung anbieten. Er muss also zeigen, dass er während der entsprechenden Dauer zu arbeiten bereit ist. Ein eingeschriebener Brief ist in solchen Situationen empfehlenswert.

Der Lohnanspruch wird nur insoweit eingeschränkt, als dem Arbeitnehmer anderweitiger Erwerb angerechnet wird. Auch ein unterlassener Erwerb wird angerechnet, sofern es dem Arbeitnehmer zumutbar wäre, eine andere Arbeit anzunehmen und dies vorsätzlich unterbleibt. Ebenso darf der Arbeitgeber anderweitige Ersparnisse auf den Lohn anrechnen, so z.B. die ersparten Fahrt- und Verpflegungskosten (Art. 324 Abs. 2 OR).

 

Autor: Nicolas Facincani