Das Bundesgericht hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen (BGer 8C_733/2018 vom 13.Juni 2019), ob es (im Rahmen des öffentlichen Personalrechts) zulässig ist gesetzlich vorzusehen, dass der Chef der Bereitschafts- und Verkehrspolizei des Kantons Uri Wohnsitz im Kanton Uri haben muss.

Bereits im Stellenprofil wurden als Anforderungen für diese Stelle  unter anderem die Bereitschaft zu unregelmässigen Arbeitszeiten und Wohnsitznahme im Kanton Uri verlangt.

 

Niederlassungsfreiheit

Der Stelleninhaber macht insbesondere geltend, die auferlegte Wohnsitzpflicht verstosse gegen sein Grundrecht auf Niederlassungsfreiheit (Art. 24 Abs. 1 BV) (daneben machte er auch einen Verstoss gegen Treu und Glauben geltend).

Gemäss Art. 24 Abs. 1 BV haben Schweizerinnen und Schweizer das Recht, sich an jedem Ort des Landes niederzulassen. Die Niederlassungsfreiheit gewährleistet damit die Möglichkeit persönlichen Verweilens an jedem beliebigen Ort der Schweiz; sie gebietet den Kantonen und Gemeinden, jedem Schweizer die Niederlassung auf ihrem Gebiet zu erlauben, und verbietet ihnen gleichzeitig, die Verlegung des einmal gewählten Wohnsitzes zu verhindern oder zu erschweren.

Die Niederlassungsfreiheit kann, wie andere Freiheitsrechte, unter den Voraussetzungen von Art. 36 BV eingeschränkt werden. Danach bedürfen Einschränkungen der gesetzlichen Grundlage (Abs. 1), müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt und verhältnismässig sein (Abs. 2 und 3). Die gesetzliche Grundlage stellte keine Probleme dar (BGer 8C_733/2018 vom 13.Juni 2019).

 

Öffentliches Interesse

Das Bundesgericht bejaht das öffentliche Interesse wie folgt:

«4.3.1. Die ältere bundesgerichtliche Rechtsprechung erachtete die Einschränkung der Niederlassungsfreiheit aufgrund von Ansässigkeitserfordernissen generell als unbedenklich. Sie gestattete den Kantonen einen innerkantonalen Wohnsitz für Beamte zu verlangen, um eine gewisse Verbundenheit des öffentlichen Angestellten mit der Bevölkerung und dem Gemeinwesen sicherzustellen. Dessen Anliegen und Bedürfnisse sollte der Beamte nicht nur aus amtlicher, sondern auch aus privater Sicht kennen (BGE 103 Ia 455 E. 4a S. 457 f.). In der Folge ging das Bundesgericht dazu über, die Wohnsitzpflicht an den Kriterien der dienstlichen Notwendigkeit und der Verbundenheit mit der Bevölkerung zu messen, wobei es zugleich rein fiskalische Gründe für eine Wohnsitzpflicht ausschloss (BGE 118 Ia 410 ff. mit Hinweisen; vgl. auch BGE 120 Ia 203 E. 3a S. 205 mit Hinweisen). So wurde ein öffentliches Interesse an einer Residenzpflicht unter anderem bejaht für Beamte des Polizei- oder Feuerwehrkorps (BGE 103 Ia 455 E. 4a S. 457), für Lehrer (BGE 115 Ia 207 ff.; 108 Ia 248 ff.), für den Chef einer kommunalen Einwohnerkontrolle (Urteil 2P.134/1991 vom 3. April 1992, auf welches in BGE 118 Ia 410 E. 2 verwiesen wird), für den Aufseher einer Strafanstalt (BGE 116 Ia 382 ff.) sowie für den Gerichtsschreiber an einem Bezirksgericht (Urteil P.388/1986 vom 27. März 1987), nicht dagegen etwa bei einem Ambulanzfahrer (BGE 118 Ia 410 ff.). Im Zusammenhang mit der Wahl eines Berner Regierungsstatthalters erachtete das Bundesgericht die Wohnsitzpflicht nicht nur wegen dienstlicher Erfordernisse als sachlich gerechtfertigt, sondern auch deshalb, weil bei einem solchen Amt eine enge Verbundenheit mit dem betreffenden Gemeinwesen vorausgesetzt werden könne (BGE 128 I 34 ff.).

4.3.2. In BGE 128 I 280 ff., in dem ein Rechtsanwalt um eine Ausnahme von der Wohnsitzpflicht für die notarielle Tätigkeit im Kanton Appenzell Innerrhoden ersuchte, änderte das Bundesgericht diese Rechtsprechung. Es hielt fest, dass sich im Falle der Notare eine Wohnsitzpflicht aus Gründen der dienstlichen Präsenz oder mit dem Erfordernis der Verbundenheit mit der Bevölkerung nicht mehr aufrecht erhalten lasse (BGE 128 I 280 E. 4.3 S. 285 f.). Auch für weitere Kategorien von Bediensteten, für die früher eine Wohnsitzpflicht ohne Weiteres bejaht worden sei, lasse sich eine solche nicht mehr begründen. Einzige Ausnahme sei, wenn eine hoheitliche Tätigkeit ausgeübt werde (BGE 128 I 280 E. 4.3 S. 285). Namentlich treffe dies zu, wenn eine weitgehende Unabhängigkeit in der Ausführung der hoheitlichen Tätigkeit bestehe und diese vergleichbar sei mit richterlichen Funktionen oder hohen politischen Ämtern sowie leitenden Funktionen. Im Kern beruhe diese Sichtweise auf dem demokratischen Grundgedanken, wonach Staatsgewalt von den Staatsunterworfenen selbst ausgeübt werde. Weil im schweizerischen Bundesstaat Staatlichkeit auch den Kantonen zukomme, lasse sich eine Ansässigkeit auf dem Kantonsgebiet für hohe staatliche Funktionen weiterhin rechtfertigen (BGE 128 I 280 E. 4.3 S. 284 f.). Vorbehalten wurden überwiegende objektive oder subjektive Gründe nach dem Verhältnismässigkeitsprinzip (BGE 128 I 280 E. 4.5 S. 286; 118 Ia 410 E. 2 S. 412; 115 Ia 207 E. 3c S. 211, je mit Hinweisen).

4.3.3. Gemäss den grundsätzlich verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen ist der Beschwerdeführer als Chef der Bereitschafts- und Verkehrspolizei Uri Vorsteher der personell grössten Abteilung der Kantonspolizei; aufgrund dieser Funktion gehört er dem Polizeikommando an. Als hoher Polizeioffizier mit Leitungsfunktion übt er hoheitliche Handlungen in grosser Unabhängigkeit aus. Entgegen seinen Ausführungen verstösst es nicht gegen Bundesrecht und dabei insbesondere nicht gegen die dargelegten Prinzipien (vgl. E. 4.3.2 hievor), wenn das kantonale Gericht ein öffentliches Interesse an einer engen Verbundenheit mit dem Kanton bejaht hat. Insbesondere kann auch aus dem von ihm angerufenen Urteil 2C_335/2013 vom 11. Mai 2015 nichts Gegenteiliges abgeleitet werden, wurde doch in jenem Urteil nicht ein öffentliches Interesse an der Wohnsitzpflicht verneint, sondern lediglich ausgeführt, dass das private Interesse an einer freien Wohnsitzwahl im konkreten Einzelfall das öffentliche Interesse an einer Wohnsitzpflicht überwiege (zur entsprechenden Prüfung in Bezug auf den Beschwerdeführer vgl. E. 4.4.3 hienach).»

 

Verhältnismässigkeit

Auch die Verhältnismässigkeit wurde vom Bundesgericht bejaht, und zwar wie folgt:

«4.4. Das Verhältnismässigkeitsprinzip gebietet, dass eine Grundrechtseinschränkung zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sowie für die betroffene Person zumutbar sein muss (BGE 139 I 218 E. 4.3 S. 224).

4.4.1. Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, ist der Wohnsitz derjenige Ort, zu welchem die betreffende Person die engste Verbundenheit aufweist. An diesem Ort ist die Person grundsätzlich steuerpflichtig; bei Schweizer Bürgern fällt zudem besonders ins Gewicht, dass die politischen Rechte am Wohnsitz ausgeübt werden. Eine Wohnsitzpflicht ist somit geeignet, eine enge Verbundenheit zu einem Ort herzustellen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass es einer Person mit Wohnsitzpflicht freisteht, auch ausserhalb ihres Wohnsitzes gewisse Lebensinteressen zu verfolgen.

4.4.2. Weiter ist nicht zu beanstanden, dass das kantonale Gericht die Erforderlichkeit der Wohnsitzpflicht für die Aufrechterhaltung der engen Verbundenheit bejaht hat. Auch wenn der Beschwerdeführer im Zeitpunkt seines Wegzuges aus dem Kanton Uri bereits seit drei Jahren als Polizeioffizier tätig war und in dieser Zeit mehrheitlich im Kanton wohnhaft war, so kann eine solch kurze Zeitspanne nicht als ausreichend lebensprägend angesehen werden, um auch in Zukunft eine enge Verbundenheit mit dem Kanton Uri sicherzustellen. Im Übrigen ist auch kein milderes Mittel als die Anordnung der Wohnsitzpflicht ersichtlich, durch welches eine ähnlich hohe Verbundenheit mit dem Arbeitskanton aufrechterhalten werden könnte.

4.4.3. Gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen hat der Beschwerdeführer seine Partnerin im Jahre 2017 kennengelernt und hat im Monat vor der Anordnung der Wohnsitzpflicht, mithin im November 2017, mit ihr (erstmals) eine gemeinsame Wohnung im Kanton Luzern bezogen. Von einem gefestigten Konkubinat konnte somit jedenfalls im Zeitpunkt der Auferlegung der Wohnsitzpflicht (noch) keine Rede sein. Besondere Gründe (wie familiäre Verpflichtungen oder Wohnsitzpflichten), welche den Umzug der Partnerin in den Kanton Uri erschweren oder verunmöglichen würden, sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Zwar trifft es zu, dass durch einen gemeinsamen Umzug in den Kanton Uri der Arbeitsweg der Partnerin verlängert würde; dieser Verlängerung steht aber die Verkürzung des Arbeitsweges des Beschwerdeführers gegenüber. Auch nach einer Verlängerung des Arbeitsweges der Partnerin wäre dieser gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen durchaus noch im Rahmen dessen, was gemeinhin als akzeptabel angesehen wird. Somit steht dem öffentlichen Interesse an einer engen Verbundenheit des Beschwerdeführers mit dem Kanton Uri kein überwiegendes privates Interesse gegenüber, womit die Auferlegung der Wohnsitzpflicht auch als zumutbar erscheint.»

Die Wohnsitzpflicht wurde somit vom Bundesgericht nicht als Verstoss gegen die Bundesverfassung qualifiziert, obwohl die Rechtssprechung selbst solche Pflichten mehr und mehr ablehnt.

 

Autor: Nicolas Facincani