Das Arbeitsvermittlungsgesetz (AVG) regelt die private Arbeitsvermittlung und den Personalverleih und bezweckt den Schutz der Stellensuchenden und verliehenen Arbeitnehmer (Art. 1 AVG). Gemäss Art. 12 AVG benötigt daher eine Betriebsbewilligung des kantonalen Arbeitsamtes, wer Arbeitnehmer anstellt und sie gewerbsmässig Kunden für Arbeitseinsätze zur Verfügung stellt. Daher stellt sich die Frage, wie der Personalverleih von anderen Vertragsverhältnissen, insbesondere vom Auftrag, abgegrenzt werden kann.
Art. 26 der Arbeitsvermittlungsverordnung (AVV) enthält Merkmale, die für das Vorliegen von Personalverleih sprechen:
Nach Abs. 1 gilt als Verleiher, wer einen Arbeitnehmer einem Einsatzbetrieb überlässt, indem er diesem wesentliche Weisungsbefugnisse gegenüber dem Arbeitnehmer erteilt.
Gemäss Abs. 2 kann auf eine Verleihtätigkeit geschlossen werden, wenn
- der Arbeitnehmer in persönlicher, organisatorischer, sachlicher und zeitlicher Hinsicht in die Arbeitsorganisation des Einsatzbetriebs eingebunden wird;
- der Arbeitnehmer die Arbeiten mit Werkzeugen, Material oder Geräten des Einsatzbetriebes ausführt;
- der Einsatzbetrieb die Gefahr für die Schlechterfüllung des Vertrages trägt.
Vorab ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass es sich bei Art. 26 Abs. 2 AVV um eine Kann-Bestimmung handelt. Selbst wenn eines der Kriterien vorliegt, muss nicht zwingend auf das Vorliegen von Personalverleih geschlossen werden.
Sodann hat nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung die Abgrenzung zwischen Personalverleih und anderen Vertragsverhältnissen anhand einer individuellen Abgrenzung im Einzelfall zu erfolgen. Als Hilfskriterien für Abgrenzungsfragen orientiert sich die Rechtsprechung unter anderem auch an den Weisungen und Erläuterungen zum Arbeitsvermittlungsgesetz des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) – vgl. BGer 2C_543/2014 vom 26. November 2014, E. 2.4.
Für die Abgrenzung können die nachfolgenden Kriterien herangezogen werden:
- Weisungs- und Kontrollrecht des Leistungsempfängers (Unterordnungsverhältnis)
- Verrechnung von Einsatzstunden
- Einbindung in die Arbeitsorganisation des Leistungsempfängers
- Verwendung von Hilfsmittel des Leistungsempfängers
- Gefahrtragung für Schlechterfüllung des Vertrags durch den Leistungsempfänger
Zum Kriterium des Weisungs- und Kontrollrechts des Leistungsempfängers (Unterordnungsverhältnis)
Wenn das Weisungs- und Kontrollrecht als wesentliches Merkmal für die Erbringung einer Arbeitsleistung beim Einsatzbetrieb liegt, wobei insbesondere Weisungskompetenzen hinsichtlich der Art der zu verrichtenden Arbeit und der Wahl der Hilfsmittel dazu gehören, lässt dies nach Ansicht des SECO auf das Vorliegen von Personalverleih schliessen (SECO, Weisungen 2003, S. 66). Ferner hält das SECO fest, dass die Voraussetzung der Übertragung des Weisungs- und Kontrollrechts bereits erfüllt sein kann, wenn sich Verleiher und Einsatzbetrieb das Weisungsrecht teilen (SECO, Weisungen 2003, S. 66).
Gemäss dem Bundesverwaltungsgericht geht die Weisungsbefugnis beim Personalverleih denn auch deutlich weiter als bei einem Auftragsverhältnis. Zwar hat auch der Auftraggeber gemäss Art. 397 Abs. 1 OR ein Weisungsrecht gegenüber dem Auftragnehmer, jedoch bezieht sich dieses lediglich auf die konkrete Besorgung des übertragenen Geschäfts (BVGer B-1687/2010, E. 5.5.3).
Zum Kriterium der Verrechnung von Einsatzstunden
Ein weiteres Kriterium für das Vorliegen von Personalverleih ist gemäss dem SECO die Verpflichtung zur Abrechnung der geleisteten Arbeitsstunden. Dies bedeutet, dass Einsatzstunden, – wochen oder -monate des Arbeitnehmers des Leistungserbringers abgerechnet werden; hingegen gibt es keinen Festpreis für die Leistung (SECO, Weisungen 2003, S. 66). E contrario kann die Vereinbarung eines Kostendachs bzw. eines Maximalpreises – wenn nach der vom Arbeitnehmer des Leistungserbringers geleisteten Arbeitszeit abgerechnet wird – ein Indiz gegen den Personalverleih darstellen. Auch die Lehre sieht die Berechnung der Vergütung des Leistungserbringers nach der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeitszeit und unabhängig vom Eintritt eines bestimmten Arbeitserfolges als Indiz für das Vorliegen von Personalverleih an.
Allerdings ist dieses Kriterium zu relativieren: Denn in gewissen Branchen (z.B. IT-Branche) ist eine Abrechnung nach der geleisteten Arbeitszeit gängig. Diesfalls muss eine Abrechnung der effektiven Arbeitszeit (ohne Kostendach) möglich sein, ohne dass direkt das Vorliegen von Personalverleih bejaht wird.
Zu den Kriterien der Einbindung in die Arbeitsorganisation und der Verwendung von Hilfsmittel des Leistungsempfängers
Das SECO erachtet das Kriterium der Einbindung des Arbeitnehmers in die Organisation des Einsatzbetriebs als erfüllt, wenn der Arbeitnehmer vornehmlich am Sitz und im Rahmen der Arbeitszeiten des Einsatzbetriebs und mit Werkzeug, Material oder Geräten des Einsatzbetriebs arbeitet. Demnach liegt gemäss dem SECO kein Personalverleih vor, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht ausschliesslich am Sitz und im Rahmen der Einsatzzeiten des Einsatzbetriebs erbringt (SECO, Weisungen 2003, S. 66 f.).
Auch das Bundesverwaltungsgericht führt im BVGer B-1687/2010 aus, dass der ausgeliehene Arbeitnehmer beim Personalverleih – im Unterschied zu auftragsrechtlichen Vertragsverhältnissen – typischerweise im Betrieb des Entleihers tätig ist (E. 5.5.3).
Zum Kriterium der Gefahrtragung für Schlechterfüllung des Vertrags durch den Leistungsempfänger
Das SECO führt in den Weisungen aus, dass der Verleiher gegenüber dem Einsatzbetrieb nur für die gute Auswahl des Arbeitnehmers haftet. Zudem garantiert er keinen vertraglich vereinbarten Erfolg. Dies bedeutet, dass der Verleiher bei Nichterreichen dieses Ziels keine Gewährleistungspflicht trifft und er keine Nachbesserung oder Minderung schuldet (SECO, Weisungen 2003, S. 66 f.).
Die Haftung fällt im Personalverleih und bei auftragsrechtlichen Vertragsverhältnissen unterschiedlich aus. Der Verleiher haftet gegenüber dem Einsatzbetrieb nicht für die ordentliche Arbeitsleistung, sondern nur für die sorgfältige Suche, Auswahl und Instruktion des Arbeitnehmers. Demgegenüber haftet der Auftragnehmer für sorgfältige Ausführung des Mandats nach dem Massstab von Art. 398 Abs. 1 OR (vgl. BVGer B-1687/2010, E. 5.5.4). Damit ist massgeblich, ob der Leistungserbringer für die Qualität der Leistungen oder für das Arbeitsresultat seiner überlassenen Arbeitnehmer einzustehen hat oder nicht. Hat er dafür einzustehen, stellt dies ein Indiz gegen das Vorliegen von Personalverleih dar. Allerdings erscheint es nach Ansicht des Bundesgerichts – in Anbetracht der umstrittenen Grundlagen und Folgen der Haftung – als unsachlich, das Rechtsverhältnisses allein gestützt auf die Haftungsbestimmungen zu qualifizieren. Demnach kann ein Personalverleihverhältnis nicht alleine aufgrund von vereinbarten auftragsähnlichen Haftungsbedingungen ausgeschlossen werden (BGer 2C_356/2012 vom 11. Februar 2013, E. 5.3).
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Autoren: Nicolas Facincani / Jacqueline Brunner