Kettenarbeitsverträge, d.h. mehrere nacheinander abgeschlossene befristete Arbeitsverhältnisse, bilden regelmässig Gegenstand von gerichtlichen Verfahren. Insbesondere wird von den Arbeitnehmern jeweils geltend gemacht, das Rechtsverhältnis sei nicht als gesondert zu betrachtende befristete Arbeitsverhältnisse betrachten, sondern als ein einziges, unbefristetes Arbeitsverhältnis.
Entscheide 4A_215/2019, 4A_217/2019 vom 7. Oktober 2019
Auch in den Entscheiden 4A_215/2019, 4A_217/2019 vom 7. Oktober 2019 hatte sich das Bundesgericht mit Kettenarbeitsverträgen auseinanderzusetzen.
Es lag der folgende Sachverhalt zu Grunde:
Die Arbeitnehmerin war seit 2000 als Lehrerin bei der Arbeitgeberin, einer Business School tätig.
Die Arbeitsverträge wurden jeweils befristet abgeschlossen und umfassten dann ein ganzes akademisches Jahr, vom 1. September bis zum 31. Juli. Die Arbeitsverträge sahen vor, dass eine Kündigung schriftlich erfolgen und per Einschreiben oder gegen Quittung zugestellt werden muss.
Mit E-Mail vom 1. Mai 2014 teilte ein Mitarbeiter der Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin mit, dass die Arbeitgeberin die Entscheidung getroffen habe, ihre Zusammenarbeit zum folgenden Semester zu beenden. Er präzisierte, dass die von der Arbeitgeberin angebotenen Lehrveranstaltungen anderen Professoren zugeordnet würden, dass ihr jedoch bis September 2014 ein Modul zugewiesen würde. Nachdem die Arbeitnehmerin gegen diese E-Mail im November 2014 opponierte, wurde diese Entscheidung auch noch per Einschreiben mitgeteilt.
In der Folge war einerseits streitig, ob das Arbeitsverhältnis als ein einziges unbefristetes Arbeitsverhältnis (da unzulässige Kettenarbeitsverträge abgeschlossen worden seien) zu betrachten sei und, falls ja, wann das Arbeitsverhältnis enden würde.
Kettenarbeitsverträge
Das Schweizerische Recht erlaubt es den Parteien, nach einem befristeten Arbeitsvertrag einen neuen befristeten Arbeitsvertrag abzuschliessen. Das Rechtsmissbrauchsverbot untersagt jedochden Abschluss von „Kettenverträgen“, deren feste Laufzeit durch keinen objektiven Grund gerechtfertigt ist und deren Zweck es ist, die Anwendung der Bestimmungen über den Kündigungsschutz zu umgehen oder das Entstehen von Rechtsansprüchen in Abhängigkeit von einer Mindestdauer des Arbeitsverhältnisses zu verhindern (BGE 129 III 618).
Zulässige Kettenarbeitsverträge
Als objektive Gründe für den sukzessiven Abschluss von befristeten Verträgen (Kettenarbeitsverträge) nennt das Bundesgericht insbesondere die Beschäftigung von Künstlern, Berufssportlern oder Lehrkräften, die pro Semester oder Studienjahr lehren (À titre d’exemples de motifs objectifs pour la conclusion successive de contrats à durée déterminée, le Tribunal fédéral a notamment mentionné l’engagement d’artistes, de sportifs professionnels ou d’enseignants donnant des cours par semestre ou année académique). So wurde auch im Urteil 2P.26/2007 vom 28. Juni 2007 die Beschwerde eines Lehrers zurückgewiesen hat, der mehrere aufeinander folgende Verträge für einen vergleichbaren Zeitraum abgeschlossen hatte (es wurde aber nur auf Willkür geprüft).
Beurteilung des Arbeitsverhältnisses
Es handelte sich vorliegend um ein stabiles Arbeitsverhältnis mit einer Laufzeit von rund 14 Jahren. Die Situation der Arbeitgeber unterschied sich somit von der eines von einer Universität berufenen Professors, der ein Semester oder ein akademisches Jahr lang eine Lehrveranstaltung durchführen sollte, ohne dass bekannt ist, ob die betreffende Lehrveranstaltung auch in Zukunft von dem betreffenden Professor durchgeführt werden würde.
Die Arbeitnehmerin hatte über einen langen Zeitraum die gleichen Fächer unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen unterrichtet. Somit befand sich de facto in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber.
Aufgrund dieser Überlegungen kamen die Gerichte zum Schluss, dass es in diesem Fall keinen Grund für den sukzessiven Abschluss von befristeten Arbeitsverhälntissen gab gibt, ausser dem Wunsch, die Anwendung der Rechtsvorschriften über Verträge mit unbefristeter Laufzeit zu vermeiden.
Form der Kündigung
Es stellte sich in der Folge die Frage, ob die E-Mail vom Mai 2014 bereits als Kündigung aufzufassen war bzw. ob die Formvorschriften eingehalten wurden.
Gemäss Artikel 3.6 des anwendbaren Gesamtarbeitsvertrages war vorgesehen, dass die Kündigung schriftlich zu erfolgen haben und per Einschreiben oder gegen Quittung zugestellt werden müsse. Die E-Mail vom 1. Mai 2014, mit der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin mitteilte, dass das Arbeitsverhältnis beendet sei, entsprach nicht diesen Anforderungen und entfaltete somit noch keine Rechtswirkungen. Die Kündigung erfolgte somit erst im November 2014 (das Bundesgericht setzte sich nicht mit der Frage auseinander, was gelten würde, wenn die Kündigung zwar schriftlich erfolgt wäre, aber nicht per Einschreiben zugestellt worden wäre).
Endzeitpunkt des Arbeitsverhältnisses
Die Kündigung war als im November 2014 erfolgt. Die Arbeitnehmerin stellte sich aber auf den Standpunkt, dass aufgrund der Tatsache, dass die bisherigen Verträge stets für ein akademisches Jahr abgeschlossen worden seien, das Arbeitsverhältnis erst im Sommer 2015 beendet werde.
Diese Ansicht wurde vom Bundesgericht verworfen. Die Kündigung im November 2014 löst die gekündigt auf, nach deren Ablauf, und nicht erst nach Ablauf des akademischen Jahres, war das Arbeitsverhältnis beendet.
Autor: Nicolas Facincani