Verjährung von Ferien: Gemäss Art. 341 Abs. 2 OR sind die allgemeinen Vorschriften über die Verjährung (Art. 127 – 142 OR) auch auf Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis anwendbar. Die Verjährung beginnt für jeden Anspruch mit seiner Fälligkeit zu laufen (Art. 130 Abs. 1 OR); Fälligkeit bedeutet, dass der Gläubiger seinen Anspruch geltend machen und die Leistung verlangen darf.

Die Verjährungsfrist nach Obligationenrecht beträgt grundsätzlich 10 Jahre. Dieser Grundsatz gilt aber in seiner uneingeschränkten Form nur für Forderungen des Arbeitgebers. Sämtliche vertraglichen Forderungen des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis verjähren erst nach zehn Jahren.

Gemäss Art. 128 Ziff. 3 OR verjähren Forderungen des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis bereits nach 5 Jahren. Es ist also grundsätzlich vom Obligationenrecht her eine kürzere Verjährungsfrist für die Arbeitnehmer als für die Arbeitgeber vorgesehen. Entgegen dem Wortlaut gilt diese kürzere Verjährungsfrist von 5 Jahren aber nur für geldwerte Leistungen, d.h. für Forderungen, die im weitesten Sinne die Arbeit entgelten (siehe hierzu Verjährung und Arbeitsrecht). Was gilt in Bezug auf die Ferien? 5 oder 10 Jahre? Verliert ein Arbeitnehmer seine Rechte in Bezug auf die Ferien, wenn er diese nicht im laufenden Dienstjahr bezieht (allgemein zum Ferienrecht siehe etwa Ferien – was gilt?)?

 

Verwirkung oder Verjährung von Ferien

In BGE 130 III 19 hat das Bundesgericht entschieden, dass Ferien nicht verwirken, wenn sie von einem Arbeitnehmer nicht im Dienstjahr, in welchem Sie anfallen, bezogen werden:

Zitat:

Der Beklagte hält sodann dafür, dass die Klägerin ihre Ferien jeweils spätestens im Folgejahr hätte beziehen müssen. Da sie dies nicht getan habe, sei ihr Anspruch teilweise verwirkt. Damit verkennt der Beklagte die Rechtslage. Das Gesetz kennt keine entsprechende Verwirkungs- oder Verjährungsfrist. Die Verjährung richtet sich vielmehr nach den allgemeinen Verjährungsregeln und beträgt somit nicht bloss ein Jahr, sondern fünf oder zehn Jahre (Art. 127 und 128 Ziff. 3 OR; in der Lehre werden beide Meinungen vertreten [vgl. REHBINDER/PORTMANN, Basler Kommentar, N. 4 zu Art. 329c OR]; vgl. auch Botschaft des Bundesrates vom 27. September 1982 zur Volksinitiative „für eine Verlängerung der bezahlten Ferien“ und zur Revision der Ferienregelung im Obligationenrecht, BBl 1982 III 201, S. 237). Die gegenteilige, auf den Wortlaut von Art. 329c aOR gestützte Rechtsprechung (zuletzt publiziert in BGE 107 II 430 E. 3b; vgl. auch darauf bezugnehmend STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 7 zu Art. 329c OR) ist durch die Revision des Art. 329c OR gemäss Bundesgesetz vom 16. Dezember 1983 (in Kraft seit 1. Juli 1984; AS 1984 S. 580 f.) überholt. Abgesehen vom gesetzestechnischen Argument, dass es an jeder Norm fehlt, die eine Befristung auf ein Jahr vorsähe, besteht auch materiell kein Bedürfnis für eine solche. Es ist der Arbeitgeber und damit der Schuldner, der den Zeitpunkt der Ferien festlegt und dafür sorgen kann und muss, dass der Arbeitnehmer seine Ferien im Sinne von Art. 329c Abs. 1 OR „in der Regel im Laufe des betreffenden Dienstjahres“ bezieht (Art. 329c Abs. 2 OR). Grundsätzlich ist er damit auch dafür verantwortlich, wenn der Anspruch erst viel später geltend gemacht wird (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 237).

 

Verjährung von Ferien nach 5 Jahren

In BGE 136 III 94 hat das Bundesgericht die Frage entschieden, dass nicht bezogene Ferienguthaben nach 5 Jahren verjähren. Die Fälligkeit der Ferien tritt grundsätzlich am letzten Tag ein, an dem die restlichen nicht bezogenen Ferientage noch während dem laufenden Dienstjahr bezogen werden könnten und ist für jedes Dienstjahr erneut zu bestimmen:

Zitat:

Le travailleur a droit à des vacances fixées, sauf convention ou réglementation contraire, par année de service; ce droit consiste en l’octroi de temps libre avec paiement du salaire correspondant à cette période (cf. art. 329a, art. 329c et art. 329d al. 1 CO). Tant que durent les rapports de travail, les vacances ne peuvent pas être remplacées par des prestations en argent ou d’autres avantages (art. 329d al. 2 CO). Une prétention pécuniaire en remplacement de vacances non prises ne peut donc en principe naître qu’à la fin des rapports de travail. Le droit aux vacances se prescrit; s’il est prescrit au moment où les rapports de travail prennent fin, il ne naît aucune prétention pécuniaire de remplacement (cf. ATF 131 III 451 consid. 2.2 et 2.3). Le droit aux vacances se prescrit séparément pour chaque année de service. Le délai court dès le moment où la créance est devenue exigible (art. 130 al. 1 CO). Le droit aux vacances est exigible à la date des vacances prévues dans le contrat de travail ou fixé par l’employeur (cf. art. 329c al. 2 CO). A défaut, il faut admettre qu’il devient exigible le dernier jour permettant encore de prendre l’entier des vacances durant l’année de service en cours (cf. STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar […], 6e éd. 2006, n° 4 ad art. 329c CO p. 432 § 2). Le Tribunal fédéral a laissé ouverte la question de savoir si le délai de prescription est de cinq ou de dix ans (art. 127 ou art. 128 ch. 3 CO; cf. ATF 130 III 19 consid. 3.2). Aux termes de l’art. 128 ch. 3 CO, les actions des travailleurs pour leurs services („Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern“, „azioni per rapporti di lavoro di lavoratori“ dans les versions allemande et italienne du texte) se prescrivent par cinq ans; cette formulation large recouvre le droit aux vacances. Une partie de la doctrine entend toutefois en limiter l’application aux seules créances de salaire ou pécuniaires (cf. PICHONNAZ, in Commentaire romand, Code des obligations, vol. I, 2003, n° 30 ad art. 128 CO; REHBINDER, Berner Kommentar, 1992, n° 30 ad art. 341 CO). Quoi qu’il en soit, le droit aux vacances a un double aspect comprenant le droit au temps libre et le droit au salaire; il se justifie de soumettre l’entier au même délai de prescription. En outre, il est incontesté que l’indemnité pour les vacances non prises se prescrit par cinq ans; il ne s’impose pas de prévoir un délai plus long pour le droit aux vacances que cette indemnité remplace. Dans le message ayant conduit à la révision des art. 329a ss CO, le Conseil fédéral a clairement et sans réserve indiqué que le droit aux vacances était assujetti au délai de prescription de cinq ans de l’art. 128 CO (Message du 27 septembre 1982 concernant l’initiative populaire „pour une extension de la durée des vacances payées“ et la révision de la réglementation des vacances dans le code des obligations, FF 1982 III 214 ch. 722.4). Cet avis est largement partagé par la doctrine (cf. WYLER, Droit du travail, 2e éd. 2008, p. 360; STREIFF/VON KAENEL, op. cit., n° 4 ad art. 329c CO p. 432 § 2; AUBERT, in Commentaire romand, op. cit., n° 5 ad art. 329c CO; BERTI, Zürcher Kommentar, 3e éd. 2002, n° 61 ad art. 128 CO; REHBINDER, Schweizerisches Arbeitsrecht, 15e éd. 2002, § 9 n° 245; GUHL/KOLLER, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9e éd. 2000, § 46 n° 116; contra: KOLLER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 3e éd. 2009, § 68 n° 57; PORTMANN, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 4e éd. 2007, n° 4 ad art. 329c CO). Il y a donc lieu de retenir que le droit aux vacances se prescrit par cinq ans.

 

Welche Ferien werden bezogen, die alten oder die neuen?

Hat ein Arbeitnehmer Ferienguthaben aus verschiedenen Jahren, so bestimmt sich die Frage, welche bezogen, nach den allgemeinen Vorschriften nach Art. 86 und Art. 87 OR. Daher gilt: Zuerst entscheidet der Schuldner über die Frage der Anrechnung, Art. 86 Abs. 1 OR (d.h. der Arbeitgeber kann bestimmen); bestimmt der Arbeitgeber nicht, kann der Arbeitnehmer entscheiden (Art. 86 Abs. 2 OR); gibt es weder eine Erklärung des Arbeitgebers, noch des Arbeitnehmers, werden diejenigen Ferien bezogen, welche früher verfallen (Art. 87 OR). Im Normalfall geben weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer Erklärungen ab. D.h. die bezogenen Ferien werden auf die jeweils frühest fälligen Ferienansprüche angerechnet.

Das Obergericht Zürich hat diese Regeln in einem Entscheid überzeugend dargelegt/angewendet (JAR 2006, S. 555):

Zitat:

Darüber, dass diese Ansprüche nicht verwirken (so noch die alte Bundesgerichtspraxis, vgl. BGE 107 II 430; BGE 101 II 283), sondern den allgemeinen Verjährungsregeln unterstehen, herrscht seit der Revision von Art. 329c OR soweit ersichtlich Einigkeit (BGE 130 III 25; Brühwiler, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 2. Auflage, Bern 1996, N 1 zu Art. 329c; Streiff/von Kaenel, Arbeitsvertrag, 5. Auflage, Zürich 1992, N 5 zu Art. 329c). Mit der Vorinstanz ist sodann davon auszugehen, dass sich der Anwendungsbereich der Art. 86 und 87 OR nicht auf Geldschulden beschränkt (eine finanzielle Abgeltung steht vorliegend nicht zur Debatte, da das Arbeitsverhältnis weiter andauert, Art. 329d Abs. 2 OR), sondern dass darin eine allgemeine Anrechensordnung gesehen werden kann für den Fall, dass mehrere Verpflichtungen einer Leistung gegenüberstehen und weder gesetzlich noch vertraglich speziell geregelt ist, in welcher Reihenfolge die Tilgung vonstatten gehen soll.

Die Erklärung des Schuldners gemäss Art. 86 OR ist – eine anderslautende Parteiverabredung vorbehalten – spätestens bei Leistungserbringung abzugeben (BK-Weber, N 24 zu Art. 86 OR; ZK-Schraner, N 23 ff. zu Art. 86 OR), ansonsten automatisch Art. 87 Abs. 1 OR zur Anwendung kommt. Die Vorinstanz versagte jedoch der dort stipulierten Regelung (Tilgung der zuerst verfallenen Schuld) unter Hinweis darauf, dass damit die Verjährung vereitelt werde, obwohl eine solche gemäss dem Willen des Gesetzgebers auch im Verlaufe eines Dauerschuldverhältnisses eintreten könne, die Anwendung. Dem kann nicht gefolgt werden. Einerseits liegt es in der Natur der in Art. 87 Abs. 1 OR getroffenen Regelung, dass damit die Verjährung vereitelt wird (da ja die jeweils älteste Schuld durch Erfüllung getilgt wird), egal, ob es sich um mehrere einfache Schulden zwischen zwei Parteien oder um ein eigentliches Dauerschuldverhältnis handelt. Anderseits ist es beispielsweise mit Bezug auf Mietverhältnisse (mithin ein klassisches Dauerschuldverhältnis; mp 2003 S. 205 ff.) oder Alimentenschulden gängige Praxis, Art. 87 Abs. 1 OR ohne entsprechende Modifikationen anzuwenden. Die Regelung von Art. 87 Abs. 1 OR ist logisch, auch für Laien ohne Weiteres verständlich und fördert so die Rechtssicherheit. Es ist kein schützenswerter Grund ersichtlich, im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, wo der Arbeitgeber als Ferienschuldner leisten muss (ZK-Schraner, N. 11 zu Art. 87; Art. 329 OR), davon abzusehen. Gerade hier hat es der Arbeitgeber durch die Art der Betriebsorganisation und aufgrund des ihm gesetzlich zustehenden Bestimmungsrechtes (Art. 329c Abs. 2 OR) in der Hand, dafür zu sorgen, dass seine Arbeitnehmer die ihnen zustehenden Ferien-, Feier- und Ruhetage in einem vernünftigen Zeitraum beziehen (können). Diese Argumentation leuchtet – entgegen der Ansicht der Vorinstanz – auch mit Bezug auf die Ruhetage ein. Dass nämlich solche in einem (Gesamt-)Arbeitsvertrag explizit festgelegt werden, liegt daran, dass sie in dieser Branche eben nicht automatisch auf ein Wochenende zu liegen kommen. Damit rechtfertigt es sich, die Ruhetage abstrakt auf eine bestimmte Anzahl festzulegen, die im Verlaufe einer Woche (eines Jahres) gewährt werden soll (vgl. Art. 16 L-GAV). Die Tilgung der jeweils ältesten Guthaben erscheint damit nur logisch und jedenfalls nicht speziell kompliziert.

 

Novation

Mehr oder weniger besteht in der Literatur (und vereinzelt in der Rechtssprechung) Einigkeit darüber, dass wenn nicht bezogenes Ferienguthaben (Restanspruch) am Ende eines Dienstjahres dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber mitgeteilt wird oder auf das neue Dienstjahr übertragen wird – z.B. wenn der Ferienguthabensaldo jeweils auf den Lohnabrechnungen oder im Arbeitszeiterfassungssystem festgehalten wird, eine Novation der Ferien angenommen wird. In diesem Fall entsteht eine neue Forderung mit neuer Verjährung.

 

Weitere Beiträge zum Ferien- und Urlaubsrecht (Auswahl):

 

Weitere Beiträge zum Verjährungsrecht:

 

Autor: Nicolas Facincani