In einem Fall vor Bundesgericht (BGer 4A_285/2019 vom 18. November 2019) forderte der Arbeitnehmer, die Arbeitgeberin sei zu verpflichten, ihm Fr. 29’999.– brutto zu bezahlen. Der Arbeitnehmer war in einem Vollzeitpensum als Chauffeur der Kategorie B angestellt. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 27. November 2013 auf den 31. Dezember 2013. Der Arbeitnehmer forderte  in der Folge Überstunden- bzw. Überzeitentschädigung für die Tour 412 von Fr. 16’600.50 (die Frage war: Pause oder Arbeitszeit) und für zusätzliche Touren von Fr. 4’543.20 (die Frage war: Überstunden oder zusätzliche Vereinbarung).

 

Pause oder Arbeitszeit?

Strittig war zwischen den Parteien betreffend eine konkrete Tour (Tour 412), ob der Arbeitnehmer die Zeit zwischen dem Ende des Abladens um spätestens 22.00 Uhr und dem Beginn des Beladens um 00.30 Uhr als Pause nutzen konnte oder ob diese Zeit als Arbeitszeit zu qualifizieren ist (E.5).

Das Ergebnis (ob Pause oder Arbeitszeit) hing von der Beweiswürdigung, insbesondere von den Zeugenaussagen, ab:

Die Vorinstanz hielt fest, gemäss Schreiben des Leiters Transporteinkauf der der Arbeitgeberin seien die Touren grundsätzlich so geplant, dass die Fahrer im Logistikzentrum Pause machten; nach dem Beladen hätten die Fahrer eineinhalb bis zwei Stunden Pause. In den Logistikzentren gebe es Pausenräume mit Verpflegungsmöglichkeiten, welche den Fahrern zur Verfügung stünden. In der erstinstanzlichen Verhandlung habe ein Zeuge ausgesagt, die Abläufe im Jahr 2013 müssten grundsätzlich gleich gewesen sein wie im besagten Schreiben geschildert: Beim Abladen und Beladen hätten die Fahrer beim Fahrzeug sein müssen; dazwischen hätten sie eine Pause gehabt, wofür ihnen ein Pausenraum zur Verfügung gestanden habe. Eine weitere Zeugin habe zudem ausgesagt, das Areal sei videoüberwacht. Die Fahrer hätten daher nicht beim Fahrzeug bleiben müssen (der Beschwerdeführer monierte) vor Bundesgericht, es könne nicht von Pausenzeit gesprochen werden, weil er während dieser Zeit stets in unmittelbarer Nähe seines bei der Rampe stationierten Fahrzeuges habe verbleiben müssen, um Diebstählen vorzubeugen und die Aufsicht über die angelieferten Produkte zu behalten. Er habe weder das Gebäude verlassen noch die Pausenräume nutzen können. Auch habe er die Zeit nicht sinnvoll in eigenem Interesse und zu seiner Erholung nutzen können).

Daraus schloss die kantonale Vorinstanz, dass es sich bei der Zeit zw. 22.00 Uhr und 00.30 um eine Pause gehandelt habe. Die Vorinstanz erwog, die Zeit zwischen dem Ende des Abladens und dem Beginn des Beladens habe der Beschwerdeführer nicht im Interesse der Beschwerdegegnerin zu verbringen gehabt. Er habe ihr in dieser Zeit nicht zur Verfügung stehen müssen, sondern habe die Zeit für eigene Belange nutzen können.

Das Bundesgericht schützte den Entscheid der Vorinstanz. Insbesondere machte das Bundesgericht den Hinweis, dass Pausenzeiten nicht die gleiche Gestaltungs- und Bewegungsfreiheit gewähren wie die eigentliche Freizeit (vgl. Urteil 4A_528/2008 vom 27. Februar 2009 E. 4.3, in: Jahrbuch des Schweizerischen Arbeitsrechts [JAR] 2010 S. 209 [siehe hierzu nachfolgend]). D.h.: obwohl der Arbeitnehmer in der Gestaltung und Bewegung nicht völlig frei ist, und folglich keine Freizeit vorliegt, liegt im Falle eine Pause noch keine Arbeitszeit vor.

Exkurs: Pause oder Freizeit

Im Sachverhalt, welcher dem Entscheid 4A_528/2008 vom 27. Februar 2009 zugrunde lag, stellte sich die Frage, ob die Mittagspausen als Pausen oder Arbeitszeit zu qualifizieren waren: Der Arbeitnehmer konnte einen Mittagsschlaf machen und auch das Gebäude für Einkäufe und Ähnliches verlassen. Ein Unterschied zu manchen Arbeitnehmern anderer Geschäftszweige bestand insofern, als der Beschwerdeführer aufgrund seiner speziellen Tätigkeit als Rettungssanitäter bei einem Notruf gelegentlich auch während der Pausen ausrücken musste, was ihn in der Gestaltung seiner Pausen etwas einschränkte. Trotzdem wurden diese Pausen nicht als Arbeitszeit qualifiziert. Denn die Pausenzeiten müssen auch gemäss diesem Entscheid nicht die gleiche Gestaltungsfreiheit gewähren wie die eigentliche Freizeit. Die Einschränkung wegen der grundsätzlichen Einsatzbereitschaft war nicht derart, dass der Beschwerdeführer die fragliche Zeit nicht mehr für sich als Pause hätte verbringen können. Entscheidend war, dass er jeweils insgesamt 1.5 Stunden für seine eigenen Belange (Verpflegung, Erholung, Besorgungen) nutzen konnte. Das Bundesgericht schützte daher den kantonalen Entscheid, welcher eine Entschädigung für die Mittagspausen abgelehnte.

Aus dem Entscheid ist allerdings nicht ersichtlich, warum das Gericht nicht annahm, es würde Pikettdienst geleistet. In diesem Fall wäre die entsprechende Zeit als Arbeitszeit anzurechnen gewesen.

 

Überstunden oder zusätzlicher Arbeitsvertrag

Der Arbeitnehmer machte vor Bundesgericht (BGer 4A_285/2019 vom 18. November 2019) weitere Überstunden-/Überzeitentschädigung geltend, da er noch zusätzlich Touren übernommen hatte. Umstritten war, ob der Beschwerdeführer die zusätzlichen Touren im Rahmen seines Arbeitsvertrages oder aber gestützt auf separate mündliche Vereinbarungen mit Pauschalvergütung gefahren hat. Die Vorinstanz kam zum Ergebnis, die zusätzlichen Touren seien nicht im Rahmen des Arbeitsvertrags gefahren worden, sondern gestützt auf separate mündliche Vereinbarungen mit pauschaler Vergütung. Die Zusatztouren seien im Rahmen des Arbeitsvertrages nicht notwendig gewesen und von ihr weder angeordnet noch genehmigt worden. Der Arbeitnehmer habe sich für die zusätzlichen Einsätze bei ihr beworben und die zusätzlichen Arbeiten freiwillig auf eigenen Wunsch gestützt auf separate mündliche Vereinbarungen geleistet. Für die zusätzlichen Einsätze seien grosszügig bemessene Pauschalen vereinbart und bezahlt worden.

Der Arbeitnehmer machte verschieden Argumente, insbesondere Gesetzesumgehungen, geltend. Der Sozialschutzgedanke des Arbeitsrechts sei so verletzt worden.

Das Bundesgericht schützte den Entscheid der Vorinstanz. Zu den Entschädigungsansprüchen bzw. der Umgehung führte es aus:

Die Frage einer Umgehung würde sich vorliegend ohnehin nur betreffend Überzeit nach ArG nicht aber betreffend Überstundenarbeit stellen. Die Entschädigung der Überstundenarbeit, welche die vertragliche Arbeitszeit überschreitet, ist in Art. 321c Abs. 3 OR geregelt. Demnach hat die Arbeitgeberin, sofern die Überstundenarbeit nicht durch Freizeit ausgeglichen wird und nichts anderes schriftlich vereinbart wurde, für Überstundenarbeit Lohn zu entrichten, der sich nach dem Normallohn samt einem Zuschlag von mindestens 25 % bemisst. Die Parteien können im Rahmen der Höchstgrenze des ArG die Arbeitszeit frei festlegen und daher auch vereinbaren, die Überstunden seien mit dem Lohn abgegolten (BGE 136 III 539 E. 2.5.2 S. 542; 126 III 337 E. 6 S. 341 ff.). Die Parteien haben in diesem Sinne festgelegt, dass Überstunden nicht in Geld ausbezahlt werden sollen (vgl. hiervor E. 6.1.3). Der Beschwerdeführer macht zwar in seiner Beschwerde geltend, ihm sei keine Gelegenheit gegeben worden, um Überstunden zu kompensieren, er genügt dabei aber den Anforderungen an eine Ergänzung des Sachverhalts (vgl. E. 3) nicht. Auch die Folgerung der Vorinstanz – wenn der Beschwerdeführer gegen seinen Willen Überstunden hätte leisten müssen, er sich nicht sein Ferienguthaben 2012 auf eigenen Wunsch hätte auszahlen lassen – ist jedenfalls nicht willkürlich.  

Wenn die Arbeit die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit überschreitet, liegt Überzeitarbeit im Sinne von Art. 12 ArG vor, welche gemäss Art. 13 ArG zwingend mit dem um 25 % erhöhten Basislohn zu entschädigen ist (BGE 126 III 337 E. 6c S. 343). Vorbehalten bleibt die Kompensation durch Freizeit (Art. 13 Abs. 2 ArG). Eine Entschädigung mit einem Zuschlag von 25 % wäre somit grundsätzlich ohnehin nur für Überzeit nicht aber für Überstundenarbeit geschuldet, wie die Vorinstanz zu Recht festhielt.

 

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Autor: Nicolas Facincani