Gemäss Art. 8 Abs. 3 der Schweizer Bundesverfassung sorgt das Gesetz für die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung von Mann und Frau, vor allem punkto Familie, Ausbildung und Arbeit. Männer und Frauen haben Anspruch auf einen gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Das Gleichstellungsgesetz (GlG) konkretisiert den Gleichstellungsartikel der Bundesverfassung für das Erwerbsleben. Das GlG gilt jedoch nicht nur für öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnisse in Bund, Kantonen und Gemeinden, sondern auch für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse nach Obligationenrecht (OR). Arbeitnehmende im öffentlichen und privaten Bereich haben denselben Schutz beziehungsweise den gleichen Anspruch auf eine gleichwertige Behandlung.
Das GlG verbietet jegliche geschlechterspezifische Diskriminierung im Erwerbsleben. So lautet Art. 1 GlG: «Dieses Gesetz bezweckt die Förderung der tatsächlichen Gleichstellung von Frau und Mann.» Das Diskriminierungsverbot erstreckt sich auf das gesamte Arbeitsverhältnis (insbesondere auf die Anstellung und deren Bedingungen, Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung). Dabei sind sowohl direkte als auch indirekte Diskriminierungen verpönt. Neu, das heisst ab dem 1. Juli 2020, werden – zur Förderung der seit Langem angestrebten Lohngleichheit (gleicher Lohn für gleiche Arbeit) – grössere Unternehmen verpflichtet, eine Lohngleichheitsanalyse durchzuführen. Das Gesetz gilt für die Dauer von 12 Jahren (sog. Sunset Klausel).
Pflicht zur Lohngleichheitsanalyse
Öffentlich-rechtliche wie privatrechtliche Arbeitgebende, die am Anfang eines Kalenderjahres 100 oder mehr Arbeitnehmende beschäftigen, müssen also für dasselbe Jahr eine betriebsinterne Analyse zur Lohngleichheit durchführen (Art. 13a Abs. 1 nGlG). Die Zählung geht nach Köpfen und nicht etwa nach Anzahl Vollzeitäquivalenten, wobei Lernende nicht als Arbeitnehmende in diesem Sinne zu verstehen sind. Das Arbeitspensum ist der Mitarbeiter ist nicht relevant.
Grundsätzlich gilt jene natürliche oder juristische Person als Arbeitgeberin oder Arbeitgeber, die oder der Anspruch auf die Leistung aus dem Arbeitsverhältnis hat und entsprechend aus dem Arbeitsvertrag verpflichtet ist, also insbesondere den Lohn bezahlt. Im Rahmen des Personalverleih sind die Verleihfirmen als Arbeitgeber zu betrachten.
Die Lohngleichheitsanalyse muss im Grundsatz alle vier Jahre wiederholt werden. Fällt die Zahl der massgebenden Arbeitnehmenden in diesem Zeitraum unter 100, muss die Analyse erst wieder durchgeführt werden, bis per Anfang Jahr wieder 100 Personen dort arbeiten. Zeigt die Analyse, dass die Lohngleichheit eingehalten ist (es ist unseres Erachtens von einer Toleranzschwelle von 5% auszugehen [vgl. auch Lambert/Rabaeus/Bircher, in: GesKR 4/2019, S. 621]), werden die Arbeitgebenden von der Pflicht befreit.
Der Bund stellt dafür das Lohngleichheitsinstrument Logib, kostenlos zur Verfügung. Arbeitgeber sind aber frei, ein anderes Tool zu verwenden. Die die Lohngleichheitsanalyse muss jedenfalls nach einer wissenschaftlichen und rechtskonformen Methode durchgeführt werden.
Bei der Frage, ob ein Unternehmen 100 Personen beschäftigt, ist bei einem Konzern jeweils auf die einzelnen Tochtergesellschaften und nicht auf den Konzern abzustellen. Jede Tochtergesellschaft, welche 100 Personen beschäftigt, hat eine Analyse durchzuführen und diese ist im Anhang zur Konzernrechnung zu veröffentlichen, sofern die Muttergesellschaft börsenkotiert ist.
Logib
Logib ist das Standard-Analyse-Tool des Bundes für Lohngleichheitsanalysen. Es ist kostenlos, anonym, sicher und einfach in der Anwendung. Logib basiert auf einer durch unabhängige Dritte bestätigten wissenschaftlichen und rechtskonformen Methode.
Das Kontrollinstrument Logib stützt sich auf die Methode der Regressionsanalyse. Bei Logib werden verschiedene objektive Faktoren berücksichtigt, die Einfluss auf den Lohn haben (können): einerseits personenbezogene Daten (Alter, Geschlecht, Dienstjahre, Ausbildung), andererseits arbeitsplatzbezogene Daten (Funktion, betriebliches Kompetenzniveau, berufliche Stellung). Dabei wird ermittelt, sich das Geschlecht auf den Lohn auswirkt, wobei die Leistung der Arbeitnehmer nicht. Nicht berücksichtigt wird, wie bereits erwähnt, die Leistung der Arbeitnehmer.
Ausnahmen
Keine Lohngleichheitsanalyse müssen Arbeitgebende durchführen:
- die in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags einer Kontrolle über die Einhaltung der Lohngleichheit unterliegen;
- die bei einem Antrag auf Gewährung von Subventionen einer solchen Kontrolle unterliegen oder
- bei denen bereits eine solche Kontrolle durchgeführt wurde, die nachgewiesen hat, dass die Firma die Anforderungen erfüllt – sofern die Kontrolle nicht länger als vier Jahre zurückliegt.
Zeigt eine bei einem Arbeitsgeber durchgeführte Lohngleichheitsanalyse, dass die Lohngleichheit im Unternehmen eingehalten wird, wird der Arbeitgeber in Zukunft von der Analysepflicht befreit.
Überprüfung
Private Arbeitgebende müssen die von ihnen durchgeführte Lohngleichheitsanalyse von einer unabhängigen Stelle überprüfen lassen. Dafür können sie wählen zwischen
- einem Revisionsunternehmen mit einer Zulassung nach dem Revisionsaufsichtsgesetz,
- einer Organisation, die die Gleichstellung von Frau und Mann gemäss ihren Statuten fördert oder die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wahrt und seit mindestens zwei Jahren besteht (in diesem Fall muss der Arbeitgebende mit der relevanten Stelle eine Vereinbarung über das Vorgehen abschliessen) oder
- einer Arbeitnehmervertretung gemäss dem Mitwirkungsgesetz.
Arbeitgebende müssen nicht zwingend ihre gesetzliche Revisionsstelle gemäss Handelsregister beiziehen, sondern können ein anderes qualifiziertes Revisionsunternehmen mit der Prüfung beauftragen. Auch hier gilt das Revisionsgeheimnis nach Art. 730b Abs. 2 OR. Zudem darf eine Revisionsgesellschaft, die bei der Erstellung der Lohngleichheitsanalyse mitgewirkt hat, diese nicht prüfen (Zitat des Bundesamt für Justiz: Die Überprüfung der Lohngleichheitsanalyse durch eine Revisorin oder einen Revisor, die oder der vorgängig bei der Lohngleichheitsanalyse beratend mitgewirkt hat (Vorbereitung, Ausführung etc.), stellt einen Verstoss gegen das Selbstüberprüfungsverbot bzw. die aufsichtsrechtlichen Berufspflichten (Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 Bst. a RAG) dar, der zum Entzug der Zulassung führen könnte (vgl. Urteil des Bundesgerichts Nr. 2C_487/2016 vom 23. November 2016 E. 2.2 betreffend Interessenkonflikt und fehlende Objektivität bei der Prüfung eines Gründungsberichts)).
Wird ein Revisionsunternehmen mit der Prüfung der Lohngleichheitsanalyse beauftragt, muss der Arbeitgebende diesem alle Unterlagen übergeben und alle Auskünfte erteilen, die das Beratungsunternehmen für die Erfüllung der Überprüfung benötigt. Das Revisionsunternehmen überprüft (nur), ob die Lohngleichheitsanalyse formell korrekt durchgeführt wurde. Dabei handelt es sich um eine formelle Prozessüberprüfung in standardisierter Form und nicht um eine materielle Prüfung, ob es im Unternehmen ein Problem mit der Lohngleichheit gibt. Innerhalb eines Jahres nach Durchführung der Analyse muss der Prüfbericht der Unternehmensleitung vorgelegt werden.
Soll die Überprüfung durch eine Arbeitnehmer- oder Gleichstellungsorganisation durchgeführt werden, sprechen sich die Parteien über das Vorgehen bei der Überprüfung und der Berichterstattung zuhanden der Leitung des Unternehmens ab. Bei öffentlich-rechtlich angestellten Arbeitnehmenden regelt die zuständige öffentliche Hand (Bund oder Kanton) die Durchführung der Überprüfung der Lohngleichheitsanalyse.
Information
Die vom Gleichstellungsgesetz betroffenen Arbeitgebenden müssen ihre Arbeitnehmenden spätestens ein Jahr nach Abschluss der Überprüfung schriftlich über das Ergebnis der Lohngleichheitsanalyse informieren. Zusätzlich veröffentlichen Gesellschaften, deren Aktien an einer Börse kotiert sind, das Ergebnis der Analyse im Anhang der Jahresrechnung. Arbeitgebende im öffentlich-rechtlichen Sektor müssen die einzelnen Ergebnisse der Lohngleichheitsanalyse und der Überprüfung ebenfalls veröffentlichen.
Die Resultate der Analyse sind aber bei keiner Behörde einzureichen.
Sanktionen
Abstrafungen für Fälle, wo keine Lohngleichheitsanalyse durchgeführt wird, sind keine vorgesehen. Allerdings darf das Risiko eines Reputationsverlusts nicht unterschätzt werden. Ob es im Gleichstellungsprozess sogar – wie teilweise von Juristen vorhergesagt – zu Prozessen gegen Arbeitgebende kommt, bleibt einstweilen abzuwarten.
Zeigt eine Lohngleichheitsanalyse, dass Lohnunterschiede zwischen männlichen und weiblichen Angestellten vorhanden sind, bedeutet das aber nicht automatisch, dass ein Lohngleichheitsklage automatisch von Erfolg beschieden ist/wäre. Stets wäre der Einzelfall zu betrachten. Insbesondere wären Alter, Geschlecht, Dienstjahre, Ausbildung), andererseits arbeitsplatzbezogene Daten (Funktion, betriebliches Kompetenzniveau, berufliche Stellung) und Leistung zu berücksichtigen.
Weitere Beiträge zum Gleichstellungsgesetz (Auswahl):
- Diskriminierung: Mann in Frauenberuf gegenüber Männerberufen diskriminiert?
- Schwangere Frauen vor der Geburt grundsätzlich vermittlungsfähig
- Gleichstellungsgesetz auch für Homo- und Transsexuelle?
- Verbandsklagen gemäss Gleichstellungsgesetz
- Überblick über das Gleichstellungsgesetz
- Keine Mitteilungspflicht der Schwangerschaft
- Anfechtung der Kündigung – Wiedereinstellung
- Verbotene Lohndiskriminierung bei der Armee?
- Witze als sexuelle Belästigung?
- Bonuskürzung bei Mutterschaft?
- Fristlose Entlassung wegen sexueller Belästigung
- Jetzt kommt die Lohnanalyse!
- Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
- Fragen und Antworten im Bewerbungsverfahren
- Geltendmachung einer missbräuchlichen Kündigung
- Gleichheit der Geschlechter in der Geschäftsleitung und im Verwaltungsrat
- Gekündigt? Was kann man da machen?
- Arbeitsrechtliche Schutzvorschriften gegen sexuelle Belästigung
- Gleichstellungsgesetz nicht für Homosexuelle anwendbar
Autoren Nicolas Facincani / Reto Sutter