Immer wieder stellt sich die Frage, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt oder ob die Parteien in einem Mandatsverhältnis stehen. So auch in BGer 4A_64/2020 vom 6. August 2020. Dabei ging es um eine delegierte Psychotherapeutin welche bei einem Arzt angestellt war.

 

Der Sachverhalt gestaltete sich wie folgt:

Der Arbeitgeber war Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie sowie Allgemeinmedizin mit eigenen Praxisräumlichkeiten. Die Arbeitnehmerin war vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Oktober 2016 beim Arbeitgeber als delegierte Psychotherapeutin tätig. Zu diesem Zweck schlossen die Parteien am 3. November 2010 eine als „Arbeitsvertrag“ bezeichnete Vereinbarung ab. Gleichentags unterzeichneten sie das Dokument „Regelungen und Gedanken für die Zusammenarbeit in delegierter Psychotherapie in der Psychiatrisch/Psychotherapeutischen Praxisgemeinschaft „. Mit Schreiben vom 22. Juli 2016 kündigte der Beklagte den Vertrag mit der Klägerin unter Einhaltung der dreimonatigen Kündigungsfrist per 31. Oktober 2016.

Strittig war in der Folge, ob ein Arbeitsvertrag vorlag oder nicht, was vom Bundesgericht in BGer 4A_64/2020 vom 6. August 2020 im Resultat verneint wurde.

 

Konzept der delegierten Psychotherapie

Zuerst musste sich das Bundesgericht in BGer 4A_64/2020 vom 6. August 2020 mit dem Konzept der delegierten Psychotherapie auseinandersetzen (E.3).

Das Modell der delegierten Psychotherapie ist vor dem Hintergrund des Krankenversicherungsrechts zu erklären: Freiberufliche, nichtärztliche Psychologen oder Psychotherapeuten gehören nicht zu denjenigen Personen, die berechtigt sind, Leistungen zu Lasten der sozialen Krankenversicherung zu erbringen (BGE 131 V 178 E. 2.2.2; 125 V 284 E. 4, 441 E. 2d). Demgegenüber hat die obligatorische Krankenversicherung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts die Kosten einer so genannten delegierten Psychotherapie zu übernehmen. Eine solche liegt vor, wenn die psychotherapeutische Behandlung durch einen von einem Arzt angestellten (nicht ärztlichen) Psychologen oder Psychotherapeuten in den Praxisräumen dieses Arztes und unter dessen Aufsicht und Verantwortlichkeit erfolgt (125 V 284 E. 2a, 441 E. 2b -2d; Urteile 9C_570/2015 vom 6. Juni 2016 E. 7.1; K 141/01 vom 18. Juni 2003 E. 4.3 f.; K 75/02 vom 8. Juli 2003 E. 2.1; K 111/00 vom 23. Januar 2001 E. 2a) und sofern die betreffende therapeutische Vorkehr nach den Geboten der ärztlichen Wissenschaft und Berufsethik sowie nach den Umständen des konkreten Falles delegierbar ist (125 V 284 E. 2a; Urteile 9C_570/2015 vom 6. Juni 2016 E. 7.1; K 75/02 vom 8. Juli 2003 E. 2.1; K 111/00 vom 23. Januar 2001 E. 2a).

Für die Kassenpflicht wird nach dem Gesagten unter anderem vorausgesetzt, dass die psychotherapeutische Behandlung durch einen angestellten Psychotherapeuten erfolgt. Verlangt wird also, dass zwischen dem delegierenden Arzt und dem delegierten Psychotherapeuten ein „Anstellungsverhältnis“ vorliegt. Mit dem von der Rechtsprechung verwendeten, weit gefassten Kriterium des Anstellungsverhältnisses kommt zum Ausdruck, dass ein Arbeitsvertrag im Sinne von Art. 319 ff. OR nicht unbedingt erforderlich ist, damit die Leistung durch die obligatorische Krankenkasse übernommen wird (Urteil K 141/01 vom 18. Juni 2003 E. 4.4; Ariane Morin, Les contrats dans la psychothérapie déléguée, in: Bettina Kahil-Wolff / Rémy Wyler [Hrsg.], Assurance sociale, responsabilité de l’employeur, assurance privée. Psychothérapie déléguée. LAMal: soins à domicile, soins en EMS, 2005, S. 175 ff., S. 188 ff.; vgl. auch: Mirjam Olah, in: Gabor P. Blechta et al [Hrsg.], Basler Kommentar Krankenversicherungsgesetz / Krankenversicherungsaufsichtsgesetz, 2020, N. 28 zu Art. 25 KVG; Gebhard Eugster, Krankenversicherung, in: Ulrich Meyer [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Band XIV, Soziale Sicherheit, 3. Aufl. 2016, Rz. 385; Ueli Kieser, Delegierte Psychotherapie – aktuelle Fragestellungen, in: Tomas Poledna / Paul Richli [Hrsg.], Psychologieberufe im Wandel – Übergang zum Psychologieberufegesetz, 2012, S. 95 ff., S. 105).

Damit die therapeutische Leistung des Psychotherapeuten als Pflichtleistung der Krankenkasse anerkannt wird, wird aber verlangt, dass ein wesentliches rechtliches oder tatsächliches Subordinations verhältnis vorliegt. Dieses Merkmal definiert sich nicht nur durch eine mehr oder weniger ausgeprägte organisatorische, sondern auch durch eine wirtschaftliche Abhängigkeit vom delegierenden Arzt (Urteile K 75/02 vom 8. Juli 2003 E. 2.3; K 141/01 vom 18. Juni 2003 E. 4.4; vgl. auch Urteil 9C_570/2015 vom 6. Juni 2016 E. 7.1).

 

Abgrenzung Arbeitsvertrag – Auftrag

Neben den Ausführungen zur delegierten Psychotherapie machte das Bundesgericht v.a. in der Erwägung 6 von BGer 4A_64/2020 vom 6. August 2020 wichtige theoretische Ausführungen zur Abgrenzung der verschiedenen Vertragstypen. Diese sollen nachfolgend (z.T. wörtlich) wiedergegeben werden. Im Einzelfall kann es nämlich schwierig sein, den Arbeitsvertrag von anderen Verträgen auf Arbeitsleistungen abzugrenzen, insbesondere vom Auftrag, der auch Dienstleistungen gegen Entgelt zum Gegenstand hat. Der Arbeitsvertrag unterscheidet sich aber durch das Merkmal der Subordination des Arbeitnehmers (BGE 125 III 78 E. 4 S. 81; BGE 121 I 259 E. 3a S. 262; 112 II 41 E. 1a/aa S. 46; Urteile 4A_10/2017 vom 19. Juli 2017 E. 3.1; 4A_592/2016 vom 16. März 2017 E. 2.1). Darunter wird die rechtliche Unterordnung des Arbeitnehmers in persönlicher, betrieblicher, zeitlicher und in gewisser Weise auch in wirtschaftlicher Hinsicht verstanden (BGE 121 I 259 E. 3a S. 262; Urteile 4A_500/2018 vom 11. April 2019 E. 4.1; 4A_10/2017 vom 19. Juli 2017 E. 3.1; 4A_592/2016 vom 16. März 2017 E. 2.1; 4A_504/2015 vom 28. Januar 2016 E. 2.1.1; 4A_200/2015 vom 3. September 2015 E. 4.2.1).

 

Arbeitsvertrag

Durch den Einzelarbeitsvertrag verpflichtet sich der Arbeitnehmer auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Leistung von Arbeit im Dienst des Arbeitgebers und dieser zur Entrichtung eines Lohnes (Art. 319 Abs. 1 OR). Der Arbeitsvertrag weist nach der gesetzlichen Definition im Wesentlichen vier Merkmale auf: Das Erbringen einer Arbeitsleistung, die Entgeltlichkeit, die Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation (sog. Subordinations- oder Unterordnungverhältnis) und das Vorliegen eines Dauerschuldverhältnisses (Urteile 4A_484/2018 vom 10. Dezember 2019 E. 4.1; 4A_594/2018 vom 6. Mai 2019 E. 4.1.1; 4A_504/2015 vom 28. Januar 2016 E. 2.1.1; 4A_200/2015 vom 3. September 2015 E. 4.2.1; 4A_553/2008 vom 9. Februar 2009 E. 4).

Bei den nachfolgend aufgezählten materiellen und formellen Merkmalen, handelt es sich um keine abschliessende Aufzählung von Kriterien die für oder gegen das Vorliegen eines Arbeitsvertrages sprechen, sondern um eine Auflistung der im vorliegenden Fall vor Bundesgericht umstrittenen Themenbereiche. Aus den aufgezählten Kriterien lassen sich auch keine einheitlichen, schematisch anwendbaren Lösungen ableiten, wann ein Vertragsverhältnis als Arbeitsvertrag zu qualifizieren ist. Die Vielfalt der im wirtschaftlichen Leben anzutreffenden Sachverhalte zwingt vielmehr dazu, die Vertragsqualifikation jeweils unter Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (vgl. BGE 129 III 664 E. 3.2 S. 668; 128 III 129 E. 1a/aa S. 132). Weil dabei vielfach Merkmale zu Tage treten, die sowohl für als auch gegen einen Arbeitsvertrag sprechen, muss sich der Entscheid des Richters danach richten, was im konkreten Fall überwiegt. Entscheidend ist dabei die Würdigung des Gesamtbildes nach dem Massstab der Verkehrsanschauung (vgl. Urteile 4A_61/2012 vom 15. Mai 2012 E. 2.1; 4P.83/2003 vom 9. März 2004 E. 3.2).

 

Eingliederung in fremde Arbeitsorganisation (E. 6.3 BGer 4A_64/2020 vom 6. August 2020)

Für den Arbeitsvertrag ist entscheidend, dass der Arbeitnehmer in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist und von bestimmten Vorgesetzten Weisungen erhält. Er wird in eine hierarchische Struktur eingebettet. Die Schwierigkeit liegt allerdings darin, dass auch bei anderen Verträgen auf Arbeitsleistung, zum Beispiel beim Auftrag, ein Weisungsrecht besteht. Es kommt deshalb auf das Mass der Weisungsgebundenheit an (BGE 136 III 518 E. 4.4 S. 519; Urteile 4A_504/2015 vom 28. Januar 2016 E. 2.1.1; 4A_553/2008 vom 9. Februar 2009 E. 4.1; 4C.276/2006 vom 25. Januar 2007 E. 4.3.1). Für einen Arbeitsvertrag spricht ein hohes Mass an Weisungsgebundenheit. Die Weisungen beschränken sich also nicht auf blosse allgemeine Weisungen über die Erfüllung der Aufgabe, sondern sie beeinflussen unmittelbar den Gang und die Gestaltung der Arbeit und geben dem Berechtigten (dem Vorgesetzten) eine Kontrollbefugnis (Urteile 4A_500/2018 vom 11. April 2019 E. 4.1; 4A_10/2017 vom 19. Juli 2017 E. 3.1; 4A_592/2016 vom 16. März 2017 E. 2.1; 4A_61/2012 vom 15. Mai 2012 E. 2.1; 4P.83/2003 vom 9. März 2004 E. 3.2; 4C.216/1994 vom 21. März 1995 E. 1a).

 

Fachweisungen

Für das Vorliegen eines Arbeitsvertrages ist es aber nicht zwingend vorausgesetzt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Fachweisungen erteilt. Erfordert die Tätigkeit des Arbeitnehmers besondere Fachkenntnisse, ist es sehr wohl möglich, dass diese ausschliesslich beim Arbeitnehmer, nicht aber beim Arbeitgeber vorhanden sind (Urteile 4A_562/2008 vom 30. Januar 2009 E. 3.2.3; 4C.276/2006 vom 25. Januar 2007 E. 4.3.1). Es gibt sodann Arbeitsverhältnisse, bei denen der Arbeitnehmer über eine ausgeprägte Eigenverantwortlichkeit bei der Ausübung der Tätigkeit verfügt, etwa bei freien Berufen oder den obersten geschäftsführenden Personen einer Gesellschaft (dazu: Urteile 4A_592/2016 vom 16. März 2017 E. 2.1; 4A_200/2015 vom 3. September 2015 E. 4.2.3; 4A_602/2013 vom 27. März 2014 E. 3.2; 4A_194/2011 vom 5. Juli 2011 E. 5.6.1).

 

Umschreibung der Arbeitsleistung in zeitlicher und örtlicher Hinsicht

Zur Einordnung in eine fremde Arbeitsorganisation gehört auch, dass die Arbeitsleistung in aller Regel in zeitlicher und örtlicher Hinsicht im Vertrag umschrieben wird (Urteile 4A_592/2016 vom 16. März 2017 E. 2.1; 4C.276/2006 vom 25. Januar 2007 E. 4.4.1). Typischerweise wird die Arbeit im Betrieb des Arbeitgebers verrichtet (Urteil 4C.276/2006 vom 25. Januar 2007 E. 4.4.1). Entsprechend spricht das Zurverfügungstellen eines Arbeitsplatzes (Urteile 4A_592/2016 vom 16. März 2017 E. 2.1; 4A_200/2015 vom 3. September 2015 E. 4.2.3; 4A_602/2013 vom 27. März 2014 E. 3.2; 4A_194/2011 vom 5. Juli 2011 E. 5.6.1), die Pflicht zur Einhaltung von vorgeschriebenen Arbeitszeiten, Arbeitszeitkontrollen und die Pflicht zu regelmässigem Erscheinen für das Vorliegen eines Arbeitsvertrages (Manfred Rehbinder / Jean-Fritz Stöckli, Berner Kommentar, 2010, N. 44 lit. 1.d zu Art. 319 OR; vgl. auch Urteil 4P.83/2003 vom 9. März 2004 E. 3.3). Ebenso deutet die Gewährung von Ferien auf ein Arbeitsverhältnis hin (Jürg Brühwiler, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 3. Aufl. 2014, N. 10a zu Art. 319 OR).

 

Arbeitsort

Eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation setzt aber nicht notwendigerweise voraus, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz an einem festen Ort im Betrieb des Arbeitgebers zugewiesen erhält (Urteil 4C.390/2005 vom 2. Mai 2006 E. 2.5). Die betrieblich und persönliche Subordination verlangt auch nicht unbedingt eine Tätigkeit an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort. Es ist also für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses nicht entscheidend, wer den Arbeitsort bestimmt (Urteile 4C.276/2006 vom 25. Januar 2007 E. 4.4.1 4C.390/2005 vom 2. Mai 2006, E. 2.5). Mit der Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse ist es im Gegenteil häufiger geworden, dass der Arbeitnehmer die Arbeit vermehrt ganz oder teilweise ausserhalb des Betriebs des Arbeitgebers erledigen kann, etwa an einem von ihm gewählten Ort oder bei sich zu Hause (Urteil 4C.276/2006 vom 25. Januar 2007 E. 4.4.1).

 

Arbeitszeiten

Das gilt heutzutage in vermehrtem Masse auch für die Arbeitszeiten. Ein Arbeitsvertrag setzt nicht zwingend das Einhalten von festen oder vom Arbeitgeber vorgeschriebenen Arbeitszeiten voraus. Es kommt vielmehr öfter vor, dass keine festen Arbeitszeiten vorgesehen, sondern die Arbeitseinsätze nach dem tatsächlichen Arbeitsanfall ausgerichtet werden (Urteil 4C.276/2006 vom 25. Januar 2007 E. 4.4.1).

 

Arbeitsmaterialien

Für den Arbeitsvertrag ist weiter typisch, dass der Arbeitgeber die Arbeitsmaterialien zur Verfügung stellt (Urteile 4A_592/2016 vom 16. März 2017 E. 2.1; 4A_200/2015 vom 3. September 2015 E. 4.2.3; 4A_602/2013 vom 27. März 2014 E. 3.2; 4A_194/2011 vom 5. Juli 2011 E. 5.6.1) und dem Arbeitnehmer seine Auslagen vergütet, wobei abweichende Vereinbarungen in dem Sinne zulässig sind, dass der Arbeitnehmer mit seinen eigenen Materialien arbeitet. Eine solche Vereinbarung gilt als stillschweigend geschlossen, wenn der Gebrauch der eigenen Werkzeuge in der entsprechenden Branche einer Übung entspricht, wie zum Beispiel bei den Coiffeuren, Metzgern oder Musikern (Urteil 4C.276/2006 vom 25. Januar 2007 E. 4.5.1).

 

Entschädigung

Eine regelmässige Entschädigung, also eine fixe oder periodische Vergütung, kann ebenfalls auf einen Arbeitsvertrag hindeuten (Urteile 4A_592/2016 vom 16. März 2017 E. 2.1; 4A_200/2015 vom 3. September 2015 E. 4.2.3; 4A_602/2013 vom 27. März 2014 E. 3.2; 4A_194/2011 vom 5. Juli 2011 E. 5.6.1). Ein Arbeitsvertrag setzt aber nicht zwingend die Vergütung eines fixen Zeitlohns voraus. Vielmehr können Arbeitnehmer und Arbeitgeber auch einen Leistungslohn oder Erfolgsvergütungen vereinbaren. Häufig werden auch Mischformen verabredet, beispielsweise ein garantierter Mindestlohn kombiniert mit einer leistungsbezogenen Vergütungskomponente.

 

Tragung wirtschaftliches Risiko

Beim Arbeitsvertrag ist weiter typisch, dass der Arbeitgeber das Unternehmensrisiko trägt. Der Arbeitnehmer verzichtet mithin auf eine Marktteilnahme als Unternehmer unter Tragung des Wirtschaftsrisikos. Vielmehr überlässt er – im Gegenzug für ein gesichertes Einkommen – den Nutzen aus seiner Leistung einem anderen (Urteile 4A_592/2016 vom 16. März 2017 E. 2.1; 4A_200/2015 vom 3. September 2015 E. 4.2.3; 4A_602/2013 vom 27. März 2014 E. 3.2; 4A_194/2011 vom 5. Juli 2011 E. 5.6.1).

 

Wirtschaftliche Abhängigkeit

Ebenso kann die wirtschaftliche Abhängigkeit für ein Arbeitsverhältnis sprechen. Allerdings ist die Tragweite dieses Kriteriums in zwei Richtungen hin zu relativieren. Zum einen kann eine wirtschaftliche Abhängigkeit auch bei einer anderen Vertragsart bestehen. Zum anderen ist auch beim Arbeitsvertrag eine echte wirtschaftliche Abhängigkeit nicht zwingend (Urteile 4A_592/2016 vom 16. März 2017 E. 2.1; 4C.276/2006 vom 25. Januar 2007 E. 4.6.1). So kann ein Arbeitsvertrag etwa auch dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer auf Grund seiner Vermögensverhältnisse oder seiner familiären Situation nicht auf den Lohn angewiesen ist. Sodann liegt auch im Fall einer teilzeitlich angestellten Person keine echte wirtschaftliche Abhängigkeit vor, wenn die verbleibende und anders eingesetzte Arbeitskraft für den täglichen Unterhalt ausreicht (Urteil 4C.276/2006 vom 25. Januar 2007 E. 4.6.1). Ausschlaggebend ist, dass im Rahmen der vertraglich zur Verfügung gestellten Arbeitsleistung eine wirtschaftliche Abhängigkeit besteht, indem in diesem Rahmen andere Einkommensquellen ausgeschlossen werden, und durch eigene unternehmerische Entscheide kein Einfluss auf das Einkommen genommen werden kann. Es kommt letztlich darauf an, ob durch die vertragliche Bindung die Dispositionsmöglichkeit über den Einsatz der eigenen Arbeitskraft in dem Sinne verloren geht, dass über das Entgelt als Gegenleistung hinaus nicht mehr am wirtschaftlichen Erfolg des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft partizipiert werden kann. Ein wesentliches Indiz für eine Abhängigkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn eine Person ausschliesslich für ein einziges Unternehmen tätig ist. Verstärkt wird dieses Indiz durch eine vertragliche Verpflichtung, jede wirtschaftliche Tätigkeit ähnlicher Art zu unterlassen (Urteile 4A_553/2008 vom 9. Februar 2009 E. 4.2; 4C.276/2006 vom 25. Januar 2007 4.6.1).

 

Formelle Kriterien

E. 6.4: Neben diesen materiellen Merkmalen haben die formellen Kriterien für die Qualifikation als Arbeitsvertrag nur eine untergeordnete Bedeutung. Formelle Merkmale sind etwa das Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen (Urteile 4A_10/2017 vom 19. Juli 2017 E. 3.1; 4A_592/2016 vom 16. März 2017 E. 2.1; 4A_200/2015 vom 3. September 2015 E. 4.2.2; 4A_602/2013 vom 27. März 2014 E. 3.2), die Einstufung der Tätigkeit als unselbständige Erwerbstätigkeit im Steuer- oder Sozialversicherungsrecht (Urteil 4A_602/2013 vom 27. März 2014 E. 3.2) oder andere Qualifikationen durch das übrige öffentliche Recht. Die Qualifikation aus diesen Rechtsgebieten ist schon daher nicht massgeblich, weil dort von eigenen Begriffsumschreibungen ausgegangen wird (BGE 128 III 129 E. 1a/aa S. 132).  Nicht entscheidend ist schliesslich die von den Parteien gewählte Bezeichnung des Vertrages (BGE 129 III 664 E. 3.2 S. 668; Urteile 4A_500/2018 vom 11. April 2019 E. 4.1; 4A_592/2016 vom 16. März 2017 E. 2.1; 4A_200/2015 vom 3. September 2015 E. 4.2.2), denn die rechtliche Qualifikation eines Rechtsgeschäfts ist dem Parteiwillen entzogen (dazu oben Erwägung 5). Immerhin kann die Bezeichnung der Vereinbarung als Arbeitsvertrag oder die Qualifikation der Parteien als Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter Umständen ein Indiz dafür sein, dass die gewählte Bezeichnung mit allen ihren Konsequenzen dem Willen der Parteien entspricht (Adrian Staehelin, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 2006, N. 30 zu Art. 319 OR).

Zur Qualifikation der Verträge siehe auch:

 

Autor: Nicolas Facincani