Im auf Französisch ergangenen Entscheid BGer 4A_381/2020 vom 22. Oktober 2020 hatte sich das Bundesgericht mit Fragen der Kompensation der Überstunden und Ferien während der aufgrund einer Krankheit (Art. 336c OR) verlängerten Kündigungsfrist auseinanderzusetzen.

Die Arbeitgeberin hatte das Arbeitsverhältnis am 21. Oktober 2016 mit Wirkung per 31. Januar 2017 gekündigt und den Arbeitnehmer ab dem 1. Dezember 2016 freigestellt. In der Folge verlängerte sich die Kündigungsfrist aufgrund verschiedener Krankheiten des Arbeitnehmers (vom 18. bis am 25. Januar 2017 sowie vom 31. Januar bis am 3. Juli 2017 bis zum 31. August 2017. In der Folge waren die Auszahlung von Überstunden sowie von Ferienguthaben streitig. Auf das Arbeitsverhältnis war ein Gesamtarbeitsvertrag anwendbar.

 

Möglichkeiten der Überstundenregelung

Das Bundesgericht führte zuerst aus, dass das Gesetzt zwar eine Überstundenregelung vorsieht, diese aber von den Parteien abgeändert werden könne:

Gemäss Art. 321c Abs. 3 OR ist der Arbeitgeber verpflichtet, Überstunden, die nicht durch Freizeit abgegolten werden, mit mindestens einem Viertel des normalen Lohnes zu entschädigen, sofern nicht in einer schriftlichen Vereinbarung, einem Normalarbeitsvertrag oder einem Gesamtarbeitsvertrag etwas anderes vereinbart wurde. Der normale Lohne umfasst dabei alle Elemente, aus denen sich die vom Arbeitgeber notwendigerweise zu zahlende Vergütung zusammensetzt, einschliesslich des dreizehnten Monatslohnes und der verschiedenen arbeitsvertraglich vorgesehenen Abfindungen. In einer der vorgeschriebenen Formen können die Parteien daher von der gesetzlichen Regelung abweichen und insbesondere vereinbaren, dass geleistete Überstunden künftig ohne Zuschlag vergütet werden oder nicht vergütet werden, jedenfalls dann, wenn die Vergütung der Überstunden im Lohn des Betroffenen enthalten ist. Die Parteien können auch vorsehen, dass der dreizehnte Monatslohn von der Berechnung ausgenommen wird (siehe zum Ganzen den Beitrag betreffend die Überstunden).

Aux termes de l’art. 321c al. 3 CO, l’employeur est tenu de rétribuer les heures de travail supplémentaires qui ne sont pas compensées par un congé en versant le salaire normal majoré d’un quart au moins, sauf clause contraire d’un accord écrit, d’un contrat-type de travail ou d’une convention collective. Le salaire normal comprend tous les éléments composant la rémunération obligatoirement due par l’employeur, y compris le treizième salaire et les diverses indemnités prévues contractuellement en relation avec le travail (arrêts 4A_352/2010 du 5 octobre 2010 consid. 3.1; 4C.414/2005 du 29 mars 2006 consid. 5.2 et les références citées). Sous l’une des formes prescrites, les parties peuvent ainsi déroger au système légal et convenir, notamment, que les heures supplémentaires accomplies à l’avenir seront rémunérées sans supplément ou ne seront pas rémunérées, à tout le moins lorsque la rémunération des heures supplémentaires est forfaitairement comprise dans le salaire de l’intéressé (ATF 124 III 469 consid. 3a; arrêts 4A_485/2019 du 4 février 2020 consid. 6.2.2.2; 4A_227/2016 du 24 octobre 2016 consid. 4.2). Les parties peuvent aussi prévoir que le treizième salaire sera exclu du calcul (WYLER/HEINZER, Droit du travail, 4e éd. 2019, p. 149 s.).

 

Überstundenregelung im GAV – Auslegung des GAV

Im vorliegenden Fall enthielt der anwendbare Gesamtarbeitsvertrag Regelungen betreffend Überstunden. Sofern der Gesamtarbeitsvertrag nichts anderes vorsieht, haben die Klauseln, die sich auf den Abschluss, den Inhalt und die Beendigung von Einzelarbeitsverträgen beziehen, während der Dauer des Vertrages eine unmittelbare und verbindliche Wirkung für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die sie binden (Art. 357 Abs. 1 OR). Sie werden als normative Klauseln bezeichnet. Sie sind wie ein Gesetz zu interpretieren.

Nach der Rechtsprechung wird das Gesetz in erster Linie nach seinem Buchstaben ausgelegt (wörtliche Auslegung). Von dieser Auslegung kann jedoch abgewichen werden, wenn schwerwiegende Gründe für die Annahme bestehen, dass der Gesetzestext nicht den wirklichen Willen des Gesetzgebers widerspiegelt; solche Gründe können sich aus den Vorarbeiten, dem Zweck und dem Sinn der Vorschrift sowie der Systematik des Gesetzes ergeben. Sind mehrere Auslegungen möglich, muss die wahre Tragweite der Norm unter Berücksichtigung aller in Betracht zu ziehenden Elemente, insbesondere der Vorarbeiten, des Zwecks der Norm, ihres Geistes, der ihr zugrunde liegenden Werte und ihres Verhältnisses zu anderen Bestimmungen, ermittelt werden; das Bundesgericht bevorzugt keine bestimmte Auslegungsmethode, sondern lässt sich von einem pragmatischen Pluralismus leiten. Bei der Auslegung der normativen Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrages darf die Unterscheidung zwischen den Regeln zur Auslegung von Gesetzen und den Regeln zur Auslegung von Verträgen nicht übertrieben werden; auch der Wille der Vertragsparteien und das, was nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verstanden werden kann, sind Auslegungsmittel.

Sauf disposition contraire de la convention collective de travail, les clauses relatives à la conclusion, au contenu et à l’extinction des contrats individuels de travail ont, pour la durée de la convention, un effet direct et impératif envers les employeurs et travailleurs qu’elles lient (art. 357 al. 1 CO). Elles sont appelées clauses normatives. Elles doivent être interprétées de la même manière qu’une loi (ATF 136 III 283 consid. 2.3.1 et les références citées). D’après la jurisprudence, la loi s’interprète en premier lieu selon sa lettre (interprétation littérale). On peut cependant s’écarter de cette interprétation s’il y a des raisons sérieuses de penser que le texte de la loi ne reflète pas la volonté réelle du législateur; de tels motifs peuvent découler des travaux préparatoires, du but et du sens de la disposition, ainsi que de la systématique de la loi. Lorsque plusieurs interprétations sont possibles, il convient de rechercher quelle est la véritable portée de la norme, en la dégageant de tous les éléments à considérer, soit notamment des travaux préparatoires, du but de la règle, de son esprit, ainsi que des valeurs sur lesquelles elle repose ou encore de sa relation avec d’autres dispositions; le Tribunal fédéral ne privilégie aucune méthode d’interprétation, mais s’inspire d’un pluralisme pragmatique. Dans le domaine de l’interprétation des dispositions normatives d’une convention collective, il ne faut pas exagérer la distinction entre les règles sur l’interprétation des lois et les règles sur l’interprétation des contrats; la volonté des cocontractants et ce que l’on peut comprendre selon le principe de la bonne foi constituent également des moyens d’interprétation (ATF 136 III 283 consid. 2.3.1 et les références citées).

 

Kompensation von Überstunden während der Freistellungsdauer

Die Kompensation der Überstunden durch Freizeit von gleicher Dauer kommt grundsätzlich nur in Frage, wenn der Arbeitnehmer zustimmt (ausser etwas anderes sei vertraglich vorgesehen).

Ist der Arbeitnehmer während der Freistellung von der Arbeitspflicht befreit, können Überstunden nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers durch Freizeit ausgeglichen werden. Fehlt eine Zustimmung, und wird der Zeitraum der Freistellung von der Arbeitspflicht verlängert, kann die Weigerung des Arbeitnehmers, Überstunden zu kompensieren, rechtsmissbräuchlich sein. Bei der Bejahung des Rechtsmissbrauchs ist allerdings Zurückhaltung geboten, denn bei einer Kündigung muss dem Arbeitnehmer die notwendige Zeit eingeräumt werden, sich einen neuen Arbeitsplatz zu suchen. Die Umstände sind im Einzelfall zu beurteilen, insbesondere das Verhältnis zwischen der Dauer der Kündigungsfrist und der Anzahl der auszugleichenden Überstunden.

Les heures supplémentaires sont compensées en nature ou payées en espèces. Avec l’accord du travailleur, elles peuvent être compensées par un congé d’une durée au moins égale, qui doit être accordé au cours d’une période appropriée (art. 321c al. 2 CO; ATF 123 III 84 consid. 5a; arrêt 4A_484/2017 du 17 juillet 2018 consid. 2.3). Cet accord peut être tacite ou conclu à l’avance, inclus dans le contrat individuel de travail ou dans une convention collective de travail (arrêt 4C.32/2005 du 2 mai 2005 consid. 2.3). Lorsque le travailleur est libéré de l’obligation de travailler durant le délai de congé, les heures supplémentaires ne peuvent également être compensées par un congé qu’avec l’accord du travailleur (ATF 123 III 84 consid. 5a). En l’absence d’accord, si la période de libération de l’obligation de travailler se prolonge, le refus du travailleur de compenser ses heures supplémentaires peut être constitutif d’un abus de droit. Il convient de faire preuve de retenue pour admettre un tel abus, car lorsque le contrat est résilié, le travailleur doit bénéficier du temps nécessaire pour rechercher un nouvel emploi (ATF 123 III 84 loc. cit.). Il s’agira d’apprécier les circonstances au cas par cas, en particulier le rapport existant entre la durée de la libération et le nombre d’heures supplémentaires à compenser (JEAN-PHILIPPE DUNAND,  in Commentaire du contrat de travail, Dunand/Mahon [éd.], 2013, n° 38 ad art. 321c CO).

 

Kompensation von Ferien während der Freistellungsdauer

Gemäss Art. 329d Abs. 2 OR dürfen Ferien, solange das Arbeitsverhältnis dauert, nicht durch Geldleistungen oder andere Vorteile abgegolten werden. Grundsätzlich gilt das Verbot, den Ferien durch Geldleistungen zu ersetzen, auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dieser Grundsatz ist jedoch nicht absolut; sobald der Vertrag gekündigt wurde, muss sich der Arbeitnehmer eine andere Stelle suchen und der Arbeitgeber muss ihm dafür die nötige Zeit geben (Art. 329 Abs. 3 OR); da diese Suche mit der tatsächlichen Inanspruchnahme der Ferien unvereinbar ist, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu prüfen, ob der Arbeitgeber die Inanspruchnahme der Ferien während der Kündigungsfrist verlangen kann oder ob er die Ferien bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in bar auszahlen muss (siehe auch den Beitrag betreffend die Auszahlung von Ferien bei unregelmässiger Tätigkeit).

Wurde der Arbeitnehmer, wie im vorliegenden Fall, bis zum Vertragsende von der Arbeitspflicht freigestellt, richtet sich die Frage, ob die nicht genommenen Restferien in Geld abzugelten sind, nach dem Verhältnis zwischen der Dauer der Freistellung von der Arbeitspflicht und der Anzahl der Restferientage. Insbesondere muss der entlassene Arbeitnehmer während dieser Zeit neben seinem Ferien genügend Zeit haben, um sich um eine neue Stelle zu bemühen. So hat das Bundesgericht beispielsweise entschieden, dass die Abgeltung von 13 Ferientagen  während einer 35-tägigen Freistellung von der Arbeit oder von 40 Ferientagen während eines Zeitraums von vier Monaten zulässig ist  (siehe hierzu den Beitrag Ferienbezug während Freistellung).

Aux termes de l’art. 329d al. 2 CO, tant que durent les rapports de travail, les vacances ne peuvent pas être remplacées par des prestations en argent ou d’autres avantages. En règle générale, l’interdiction de remplacer les vacances par des prestations en argent s’applique aussi après la résiliation des rapports de travail. Ce principe n’est toutefois pas absolu; en effet, une fois le contrat dénoncé, le travailleur doit chercher un autre emploi et l’employeur doit lui accorder le temps nécessaire pour le faire (art. 329 al. 3 CO); cette recherche étant incompatible avec la prise effective de vacances, il faut examiner dans chaque cas, au vu de l’ensemble des circonstances, si l’employeur pouvait exiger que les vacances fussent prises pendant le délai de congé ou s’il doit les payer en espèces à la fin des rapports de travail (arrêts 4A_83/2019 du 6 mai 2019 consid. 4.1; 4A_748/2012 du 3 juin 2013 consid. 2.5). Des prestations en argent peuvent ainsi remplacer les vacances lorsque celles-ci ne peuvent être prises avant la fin des rapports de travail ou lorsqu’on ne peut exiger qu’elles le soient (ATF 128 III 271 consid. 4a/aa). Si le salarié, comme dans le cas présent, a été libéré de l’obligation de travailler jusqu’au terme du contrat, le point de savoir si le solde de vacances non prises doit être indemnisé en espèces repose sur le rapport entre la durée de la libération de l’obligation de travailler et le nombre de jours de vacances restants. Il faut en particulier que, durant cette période, le salarié congédié, en plus de ses vacances, ait suffisamment de temps à consacrer à la recherche d’un nouvel emploi (arrêt 4A_83/2019 loc. cit.). A titre d’exemple, la cour de céans a tenu pour admissible la compensation de 13 jours de vacances au cours d’une période de libération de travailler de 35 jours (arrêt 4A_178/2017 du 14 juin 2018 consid. 8), ou encore de 40 jours de vacances durant un délai de quatre mois (ATF 128 III 271 consid. 4b).

 

Weitere relevante Beiträge zum Überstunden:

 

Autor: Nicolas Facincani