Der Arbeitnehmer kann jederzeit vom Arbeitgeber ein Zeugnis verlangen, das sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über seine Leistungen und sein Verhalten ausspricht (Art. 330a Abs. 1 des Obligationenrechts (OR, SR 220)).

 

Keine Regelung für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse

Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst des Bundes und der Bundesbehörden unterstehen in der Regel dem Bundespersonalgesetz vom 24. März 2000 [BPG, SR 172.220.1]. Dieses enthält keine Bestimmungen zum Arbeitszeugnis bzw. zur Erstellung von Arbeitszeugnissen. Aus diesem Grund gelangt sinngemäss Art. 330a OR zur Anwendung (vgl. Art. 6 Abs. 2 BPG).

Für das Arbeitszeugnis im öffentlichen Dienst gelten daher prinzipiell dieselben Grundsätze wie im Privatrecht. Entsprechend ist bei dessen Auslegung grundsätzlich die dazu ergangene Rechtsprechung und Doktrin zu beachten (statt vieler: Urteil des BVGer A-5819/2016 vom 22. November 2017 E. 7.2 m.w.H.).

 

Inhalt des Arbeitszeugnisses

Im Rahmen eines Zeugnisstreits (Entscheid A-3238/2020 vom 21. Dezember 2020, E. 3) vom hatte das Bundesverwaltungsgericht die Möglichkeit genutzt, verschiedene Grundsätze im Zusammenhang mit dem Arbeitszeugnis darzulegen, diese sind, obwohl im Zusammenhang mit einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis ergangen, auch für die Arbeitsverhältnisse nach OR anwendbar..

Grundsätze der Erstellung von Arbeitszeugnissen

Zunächst hielt das Bundesverwaltungsgericht die Grundsätze des Inhalts des Arbeitszeugnisses fest. Dieses soll wohlwollend, wahr, klar und vollständig sein:

Ein solches qualifiziertes Zeugnis bzw. Vollzeugnis soll einerseits das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers fördern und deshalb wohlwollend formuliert werden. Andererseits soll es künftigen Arbeitgebern ein möglichst getreues Abbild von Tätigkeit, Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers geben, weshalb es grundsätzlich wahr, klar und vollständig zu sein hat. Es sind mithin insbesondere die Grundsätze der Wahrheit, Klarheit, Vollständigkeit und des Wohlwollens zu beachten (BGE 136 III 510 E. 4.1; BVGE 2012/22 E. 5.2 m.w.H.). Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf ein objektiv wahres, nicht auf ein gutes Arbeitszeugnis; der Grundsatz der Wahrheit geht dem Grundsatz des Wohlwollens vor. Das Interesse des zukünftigen Arbeitgebers an der Zuverlässigkeit der Aussagen im Arbeitszeugnis muss höherrangig eingestuft werden als das Interesse des Arbeitnehmers an einem möglichst günstigen Zeugnis (Urteil des BGer 2A.118/2002 vom 17. Juli 2002 E. 2.2; BVGE 2012/22 E. 5.2; zum Ganzen: Urteile des BVGer A-2021/2019 vom 18. September 2019 E. 3.2, A-6825/2017 vom 6. Juli 2018 E. 3.2 und A-6127/2017 vom 30. April 2018 E. 4.2).

 

Vollständigkeit

Das Arbeitszeugnis hat vollständig zu sein, es muss sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über die Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers äussern. Sodann spricht sich das Zeugnis in der Regel auch über eine Gesamtbeurteilung aus:

Aus den Grundsätzen der Wahrheit und Vollständigkeit des Arbeitszeugnisses folgt, dass ein qualifiziertes Zeugnis über alle in Art. 330a Abs. 1 OR erwähnten Punkte Auskunft geben muss (BGE 129 III 177 E. 3.2). Zudem ist es verkehrsüblich, dass sich das Zeugnis neben der Beurteilung einzelner Aspekte auch über eine Gesamtbeurteilung ausspricht (STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar, 7. Aufl. 2012, Art. 330a Rz. 3; STEPHAN FISCHER, Arbeitszeugnis, Beurteilung und Durchsetzung, 2016, S. 28). Dem Vollständigkeitsgebot ist Genüge getan, wenn die wesentlichen Tatsachen und Urteile unter Berücksichtigung der Wahrheitspflicht zusammengefasst dargestellt werden (ALEX ENZLER, Der arbeitsrechtliche Zeugnisanspruch, 2012, Rz. 116).

 

Beurteilung der Leistung

Der Leistungsbeurteilung ist im Rahmen der Bewertung von Arbeitsmenge, Arbeitsgüte und Arbeitsbereitschaft ein objektiver Massstab zu Grunde zu legen. Auf Verlangen des Arbeitnehmers können auch Einzelleistungen aufgenommen werden:

Die Leistungsbeurteilung umfasst die Bewertung von Arbeitsmenge, Arbeitsgüte und Arbeitsbereitschaft. Ihr ist ein objektiver Massstab zugrunde zu legen. Eigenschaften wie Fleiss, Sorgfalt, Zuverlässigkeit, Initiative, Einstellung zur Arbeit, Ausdauer und Belastbarkeit werden ebenfalls der Leistung zugeordnet. Arbeitnehmer können verlangen, dass besondere Einzelleistungen, z.B. Erfindungen, ins Arbeitszeugnis aufgenommen werden (ENZLER, a.a.O., Rz. 138 ff. m.w.H.; FISCHER, a.a.O., S. 27 ff.).

 

Verhaltungsbeurteilung

Im Rahmen der Beurteilung des Verhaltens wird die Interaktion mit Vorgesetzten und Kollegen sowie gegenüber Kunden und weiteren Dritten beurteilt:

Die Verhaltensbeurteilung kommentiert das Auftreten bzw. dienstliche Verhalten des Arbeitnehmers während des Arbeitsverhältnisses gegenüber Vorgesetzten und Kollegen sowie gegenüber Kunden und weiteren Dritten. Es geht hierbei prinzipiell um die Beurteilung der angemessenen sozialen Interaktion mit den entsprechenden Personenkreisen. Gemeint sind die Umgangsformen des Arbeitnehmers, welche anhand der gesellschaftlich anerkannten und vor allem branchenüblichen Höflichkeitsregeln und Etikette beurteilt werden. Auch hier gilt ein objektiver, verkehrsüblicher Massstab (ENZLER, a.a.O., Rz. 142 ff.; FISCHER, a.a.O., S. 29 ff.).

 

Wichtigste Funktionen

Die wichtigen Funktionen des Arbeitnehmers sind in das Arbeitszeugnis aufzunehmen. Dabei ist auf die tatsächlich ausgeführte Tätigkeit und nicht die vertraglich vereinbarte Tätigkeit abzustellen. Insgesamt soll einem Dritten ermöglich werden, sich insgesamt ein zutreffendes Bild vom Arbeitnehmer zu machen:

Das Arbeitszeugnis hat schliesslich eine detaillierte Auflistung der wichtigen Funktionen und der das Arbeitsverhältnis prägenden Tätigkeiten des Arbeitnehmers zu enthalten, wobei allerdings nicht die vertraglich vereinbarte, sondern die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit massgebend ist. Es muss mithin nicht zu jedem einzelnen Aspekt der Aufgaben des Arbeitnehmers detailliert Auskunft erteilen. Es soll eine aussagekräftige Bewertung der Leistung des Arbeitnehmers sowie seines Verhaltens enthalten und es einem unbeteiligten Dritten erlauben, sich insgesamt ein zutreffendes Bild vom Arbeitnehmer zu machen (vgl. Urteil des BGer 4A_432/2009 vom 10. November 2009 E. 3.1; Urteile des BVGer A-2021/2019 vom 18. September 2019 E. 3.3 und A-7165/2016 vom 5. Dezember 2017 E. 4.2; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., Art. 330a N 3).

 

Werturteile

Die Beurteilung der Leistung und des Verhaltens beinhaltet naturgemäss Werturteile. Hier hat der Arbeitgeber nach verkehrsüblichen Massstäben und pflichtgemässem Ermessen vorzugehen:

Bei Werturteilen hat der Arbeitgeber nach verkehrsüblichen Massstäben und pflichtgemässem Ermessen vorzugehen. Sowohl bezüglich der Leistungs- wie auch der Verhaltensbeurteilung verfügt der Arbeitgeber über ein Beurteilungsermessen (BVGE 2012/22 E. 5.2; Urteile BVGer A-6825/2017 vom 6. Juli 2018 E. 3.4 und A-7165/2016 vom 5. Dezember 2017 E. 4.3; REHBINDER/STÖCKLI, in: Hausheer/Walter [Hrsg.], Berner Kommentar [Art. 319–330b OR], 2010, Art. 330a N 7 f.). Ebenso bleibt es dem Beurteilungsermessen des Arbeitgebers überlassen, welche positiven oder negativen Verhaltensweisen und Eigenschaften des Arbeitnehmers er hervorheben will (REHBINDER/STÖCKLI, a.a.O., Art. 330a N 9; zum Ganzen: Urteile des BVGer A-2021/2019 vom 18. September 2019 E. 3.4, A-6825/2017 vom 6. Juli 2018 E. 3.4 und A-6127/2017 vom 30. April 2018 E. 4.4).

 

Wortlaut

Es ist grundsätzlich Sache des Arbeitgebers, den Wortlaut des Zeugnisses zu bestimmen. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf einen bestimmten Zeugnisinhalt oder von ihm gewünschte Formulierungen:

Betreffend Wortlaut bzw. Wortwahl kommt dem Arbeitgeber bei der Erstellung des Arbeitszeugnisses ein gewisser Ermessensspielraum zu. Im Rahmen der vorgenannten Grundsätze ist er grundsätzlich frei, das Arbeitszeugnis zu redigieren. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf einen bestimmten Zeugnisinhalt oder von ihm gewünschte Formulierungen (Urteil des BGer 4A_137/2014 vom 10. Juni 2014 E. 4; BVGE 2012/22 E. 7.2.2; Urteile des BVGer A-2021/2019 vom 18. September 2019 E. 3.6, A-6825/2017 vom 6. Juli 2018 E. 3.4 und A-7165/2016 vom 5. Dezember 2017 E. 4.3).

 

Beweislast

Auch im Rahmen des Arbeitszeugnisses gilt grundsätzlich Art. 8 ZGB. Dies bedeutet für Arbeitszeugnisses das Folgende:

  • Will der Arbeitnehmer einen zusätzlichen Zeugnistext, so ist er für die zugrundeliegenden Tatsachen beweispflichtig.
  • Bestreitet der Arbeitnehmer Teile des Zeugnisses, so ist der Arbeitgeber für diese beweispflichtig.

Etwas anders kann geltend, wenn zwischen zwei Zeugnissen nur eine kurze Zeitspanne besteht. Hier ist der Arbeitgeber für Verschlechterungen beweispflichtig.

Die (objektive) Beweislast betreffend die anbegehrten Änderungen trägt dem allgemeinen Grundsatz von Art. 8 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB; SR 210) folgend die angestellte bzw. beschwerdeführende Person. Diese ist für die dem beantragten Zeugnistext zugrundeliegenden Tatsachen beweispflichtig bzw. hat die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen. Der Arbeitgeber hat indes bei der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken. Für vom Arbeitnehmer substanziiert bestrittene Inhalte des Arbeitszeugnisses ist umgekehrt der Arbeitgeber als beweispflichtig zu betrachten, wobei wiederum den Arbeitnehmer, welcher ein Arbeitszeugnis verlangt hat, eine Mitwirkungspflicht (vgl. Art. 13 Abs. 1 Bst. a VwVG) trifft (zum Ganzen: Urteile des BVGer A-2021/2019 vom 18. September 2019 E. 3.7, A-6825/2017 vom 6. Juli 2018 E. 3.5 und A-6127/2017 vom 30. April 2018 E 4.5, je m.w.H.).

 

 

Weitere relevante Beiträge zu Arbeitszeugnissen

 

Autor: Nicolas Facincani