Das Gesetz sieht vor, dass dem Arbeitnehmer der Lohn Ende jedes Monats auszurichten ist, sofern nicht kürze Fristen oder Termine verabredet oder üblich sind. Fällt der letzte Tag des Monats auf einen Samstag oder einen Sonntag, so wird der Lohn am nachfolgenden Montag fällig, es sei denn, es sei etwas anderes vereinbart.
Der Lohn wird somit in regelmässigen Intervallen ausgerichtet. Doch das Gesetz sorgt für den notleidenden Arbeitnehmer in gewissem Masse vor.
Befindet sich ein Arbeitnehmer in einer Notlage, so hat er das Recht auf einen Lohnvorschuss. Die entsprechende Regelung lautet wie folgt:
Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer nach Massgabe der geleisteten Arbeit den Vorschuss zu gewähren, dessen der Arbeitnehmer infolge einer Notlage bedarf und den der Arbeitgeber billigerweise zu gewähren vermag.
Die Ausrichtung des Vorschusses ist also an verschiedene Bedingungen geknüpft:
Notlage
Eine Notlage liegt vor, wenn dem Arbeitnehmer ein erheblicher Schaden oder Nachteil droht, wenn er bis zur nächsten ordentlichen Lohnzahlung warten müsste. Ein solche Schaden oder Nachteil können etwa ein Wohnungsverlust aufgrund Mietzinsrückstände, drohende Pfändungen etc. sein. Auch wenn der Arbeitnehmer seinen Zahlungspflichten nicht nachkommen kann und dies in einem Strafverfahren münden kann, etwa wegen Nichtbezahlens des Militärpflichtersatzes oder Vernachlässigung von Unterstützungspflichten, ist eine unmittelbare Gefahr für einen Schaden oder Nachteil gegeben.
Ob die Notlage durch den Arbeitnehmer selbst verschuldet wurde, ist irrelevant.
Zumutbarkeit
Der Vorschuss ist durch den Arbeitgeber nur zu leisten, wenn dies (wirtschaftlich gesehen) zumutbar ist. Ist die Leistung des Vorschusses aus wirtschaftlich unzumutbar, kann die Gewährung eines Lohnvorschusses verweigert werden.
Höhe des Vorschusses
Die Höhe des durch den Arbeitgeber zu gewährenden Vorschusses ist durch zwei Faktoren beschränkt.
Behebung der Notlage
Die Höhe des Vorschusses bemisst sich primär danach, wie viel für die Behebung der Notlage notwendig ist.
Geleistete Arbeit
Maximal ist die Höhe des Vorschusses auf das beschränkt, was der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Vorschussgewährung verdient hat (pro rata temporis). Für noch nicht geleistete Arbeit besteht kein Anspruch auf Lohnvorauszahlung. Wird der Vorschuss etwa Mitte Monat ausgerichtet, so ist der Vorschuss maximal 50% des monatlichen Salärs zuzüglich anderer Lohnbestandteile (pro rata temporis), wie etwa der 13. Monatslohn, Provisionen oder Anteile am Geschäftsergebnis.
Eine allfällige Gratifikation, die im Ermessen des Arbeitgebers steht, wir bei der Höhe des maximalen Vorschusses nicht berücksichtigt.
Hat der Arbeitnehmer zwar keine Arbeit geleistet, steht im aber dennoch Lohn zu (etwa wegen Krankheit oder Annahmeverzug des Arbeitgebers), so steht dem Arbeitnehmer das Recht auf den Vorschuss immer noch zu.
Reduzierte Lohnzahlung
Wird ein Vorschuss ausgerichtet, reduziert sich die folgende Lohnzahlung um den entsprechenden Betrag. Es handelt sich in einem solchen Fall um eine Lohnzahlung in Raten und nicht um eine Verrechnung.
Darlehen oder Vorschuss?
Ist der vom Arbeitgeber gewährte Vorschuss freiwillig höher als das nächste Lohnguthaben und verzichtet der Arbeitgeber während längerer Zeit auf die Verrechnung in dem den Lohn übersteigenden Betrag, ist anzunehmen, dass ein Darlehen, nicht ein Vorschuss gewährt worden ist (Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 323 N 7). Andernfalls wird von einem freiwillig höheren Vorschuss gesprochen, der mit künftigen Löhnen verrechnet werden kann.
Wir eine Vorauszahlung geleistet, obwohl keine Notlage vorliegt, wird im Zweifel ein Darlehen angenommen.
Entscheid des Arbeitsgerichts 2006, Nr. 20
In diesem Entscheid stellte sich für das Arbeitsgericht Zürich die Frage, ob neben der Provision, welche einen Lohnbestandteil darstellt, auch ein vertraglich vorgesehener Provisionsvorschuss einen festen Lohnbestandteil darstelle, was verneint wurde:
Provisionen sind eine Form von Leistungslohn (Streiff/von Kaenel, a.a.O., N 2 zu Art. 322b OR mit weiteren Verweisen), weshalb sie ein fester Lohnbestandteil bilden. Im vorliegenden Fall ist alleine strittig, ob auch der Provisionsvorschuss einen festen Lohnbestandteil bildet. Gemäss Art. 323 Abs. 3 OR ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer mehr Vorschuss auszubezahlen, als zur Behebung der Notlage erforderlich ist. Im häufigen Fall, dass der Arbeitgeber Vorauszahlungen leistet, ohne dass sich der Arbeitnehmer in einer Notlage befindet, liegt im Zweifel ein Darlehen vor (AGer ZH in JAR 1983 S. 124). Somit handelt es sich beim Provisionsvorschuss nicht um einen festen Lohnbestandteil.
Die Parteien unterzeichneten am 11. Januar 2005 einen Arbeitsvertrag. In Punkt 26 wird der Provisionsvorschuss geregelt, wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass kein Anspruch auf Ausrichtung dieses Vorschusses bestehe. In Punkt 3.2 der Entschädigungsordnung für Kundenberater – welche der Kläger ebenfalls am 11. Januar 2005 unterzeichnete – wird festgehalten, dass in Bezug auf den Provisionsvorschuss am Ende eines Kalenderjahres ein Positivsaldo dem Arbeitnehmer ausbezahlt wird, ein Negativsaldo dagegen vom Arbeitnehmer zu begleichen ist. […].
Spesenvorschuss
Hat ein Arbeitnehmer zur Erfüllung der vertraglichen Pflichten regelmässig Auslagen zu machen, so ist ihm ein angemessener Vorschuss in regelmässigen Abständen, mindestens aber jeden Monat auszurichten. Der Vorschuss muss angemessen sein und hat dem zur entsprechen, was zur Deckung der üblicherweise entstehenden zu erwartenden Auslagen notwendig ist. Übersteigt der Vorschuss die tatsächlichen Auslagen, so ist die Differenz sofort zur Rückzahlung fällig.
Weitere Beiträge zum Lohn (Auswahl):
- Lohn für die Umkleidezeit
- Lohnfortzahlungspflicht bei «verschnupften» Kindern
- Verrechnung von Lohnforderungen
- Darf der Arbeitnehmer über den Lohn sprechen?
- Lohngleichheitsanalyse
- Bonus als Lohnbestandteil qualifiziert
- Die Lohnhöhe
- Eurolöhne
- Lohnrechner für Entsendefirmen
- Streitwert der Lohnklage
- Anspruch auf die Insolvenzentschädigung
- Das Truckverbot
- Unzulässiger Kantinenzwang
Autor: Nicolas Facincani