Zuerst stellt sich hier die Frage, warum sich das Bundesstrafgericht überhaupt mit Arbeitsrecht befasst: Der Grund hierfür ist wie folgt: Gemäss Art. 34 Abs. 1 des Bundespersonalgesetzes vom 24. März 2000 (BPG) erlässt der Arbeitgeber eine Verfügung, wenn bei Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis keine Einigung zustande kommt.

Solche Verfügungen des Bundesverwaltungsgerichts können mit Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts angefochten werden.

 

Entscheid BStGer RR.2020.318 vom 6. Dezember 2021

Im Entscheid hatte sich das Bundesstrafgericht mit der Kündigung währen der Probezeit auseinanderzusetzen (siehe hierzu etwa auch bereits den Entscheid A-4843 des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. April 2021 – hier wurde ein Anspruch auf Entschädigung aber verneint).

Dem Entscheid lag folgender Sachverhalt zugrunde:

A. (der Arbeitnehmer) war seit dem 1. August 2020 als Leiter HR Grundlagen + Personalentwicklung sowie stellvertretender Leiter Human Resources beim Bundesverwaltungsgericht mit einem Beschäftigungsgrad von 100% angestellt. Am 1. September 2020 wurde ihm die interimistische Leitung HR bis auf weiteres übertragen. Am 8. Oktober 2020 eröffnete die Generalsekretärin des Bundesverwaltungsgerichts A., dass sie eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Erwägung ziehe, erläuterte die Kündigungsgründe und räumte A. Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 16. Oktober 2020 ein. Die Generalsekretärin sah sich zu diesem Schritt veranlasst, weil das Verhalten von A. zu einer Verunsicherung und Destabilisierung des ganzen Teams geführt habe und kein Vertrauen mehr in seine Führungskompetenz gegeben gewesen sei. Zudem habe sich A. nicht an die Vorgaben der Generalsekretärin, sich auf das Alltagsgeschäft zu konzentrieren und keine weiteren Aufgaben oder Projekte aufzunehmen, gehalten. Nachdem A. innert erstreckter Frist mit Schreiben vom 23. Oktober 2020 zur beabsichtigten Kündigung Stellung genommen hatte, verfügte die Generalsekretärin am 30. Oktober 2020 die Auflösung des Arbeitsvertrages von A. während der Probezeit per 2. November 2020, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 7 Tagen. Dagegen gelangte A. mit Beschwerde vom 27. November 2020 an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts.

 

Das Bundesstrafgericht zur Probezeitkündigung

Das Bundesgericht hielt zunächst fest, dass zu den Gründen, aus welchen ein Arbeitsverhältnis während der Probezeit aufgelöst werden könne, das OR anwendbar sei:

3.1 Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Kündigungsfrist von sieben Tagen ordentlich gekündigt werden ( Art. 12 Abs. 2 BPG i.V.m. Art. 30a BPV). Gemäss Art. 6 Abs. 2 BPG sind im öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis die einschlägigen Bestimmungen des Obligationenrechts vom 30. März 1911 (OR; SR 2020) sinngemäss anwendbar, soweit dieses Gesetz und andere Bundesgesetze nichts Abweichendes bestimmen. Weder das BPG noch das BPV enthalten nähere Angaben zu den Gründen, aus welchen ein Arbeitsverhältnis während der Probezeit aufgelöst werden kann. Massgeblich sind diesbezüglich somit die Bestimmungen und die dazugehörende Praxis des OR (Botschaft zu einer Änderung des Bundespersonalgesetzes vom 31. August 2011, BBl 2011 6715). Gestützt auf 6 Abs. 2 BPG i.V.m. Art. 335b Abs. 3 und Art. 336c Abs. 1 OR (e contrario) ist während der Probezeit eine Kündigung durch den Arbeitgeber auch bei Krankheit des Arbeitnehmers zulässig. Es besteht mithin kein zeitlicher Kündigungsschutz, jedoch verlängert sich die Probezeit entsprechend der Krankheitsdauer (Etter/Stucky, in: Etter/Facincani/Sutter [Hrsg.], Handkommentar, 2021, N. 12 zu Art. 335b OR).

 

Sachlicher Grund für Probezeitkündigung

Das Bundesstrafgericht hielt fest, dass eine Kündigung während der Probezeit begründet sein müsse, wobei an die Gründe für die Auflösung dieses schon seiner Natur nach lockeren Verhältnisses keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sei:

3.2.2 Auch wenn weder das BPG bzw. die BPV noch das OR die Rechtsmässigkeit einer Kündigung während der Probezeit explizit vom Vorliegen bestimmter Gründe abhängig machen, muss eine Kündigung während der Probezeit begründet sein, wobei an die Gründe für die Auflösung dieses schon seiner Natur nach lockeren Verhältnisses keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sind (BGE 129 III 124 E. 3.1; 120 Ib 134 E. 2.a; Nötzli, in: Portmann/Uhlmann, Bundespersonalgesetz [BPG], 2013, N. 16 zu Art. 12). Die Kündigung während der Probezeit verlangt nicht ausschliesslich sachliche oder objektiv messbare Gründe, auch muss die Auflösung vom Betroffenen nicht verschuldet sein. Selbst objektivierte persönliche Gründe können ausreichen, um das Vertragsverhältnis zu lösen, dies insbesondere deshalb, weil es bei der Absolvierung der Probezeit nicht zuletzt auch um die Frage der Integrationsfähigkeit eines Arbeitnehmers in eine Arbeits- und Teamstruktur geht (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-5859/2012 vom 15. Mai 2013 E. 4.3). Es genügt eine auf konkreten sachverhaltlichen Feststellungen basierende Prognose, zwischen den Parteien werde sich kein konstruktives Arbeitsverhältnis entwickeln (Helbling, in: Portmann/Uhlmann, a.a.O., N 123 zu Art. 8; Hervorhebung hinzugefügt). So ist eine Kündigung eines Probearbeitsverhältnisses etwa zulässig, wenn aufgrund der Wahrnehmungen von Vorgesetzten die Annahme hinreichend begründet erscheint, dass ein Angestellter dem Stellenprofil nicht entspricht. Dasselbe gilt, wenn aus persönlichen Gründen ein für die vorgesehene Funktion nötiges Vertrauensverhältnis nicht aufgebaut werden kann oder auf Grund objektiver Anhaltspunkte eine reibungslose Zusammenarbeit sowie eine effiziente Verwaltungstätigkeit künftig in Frage gestellt erscheinen. Schliesslich können auch zwischenmenschliche Faktoren oder das Unvermögen eines Arbeitnehmers, sich in gewachsene Strukturen einzufügen, mit Autoritäten situationsgerecht umzugehen oder sein Arbeitsstil dazu führen, dass ein Probezeitverhältnis nicht in ein ordent­liches Arbeitsverhältnis überführt wird (BGE 134 III 108 E. 7.1.1; 120 Ib 134 E. 2a; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-5859/2012 vom 15. Mai 2013 E. 4.3; Nötzli, a.a.O.).

 

Keine sachlichen Gründe vorhanden

Das Bundesstrafgericht kam zum Schluss, dass sachliche Gründe für die Kündigung fehlten:

Die Kündigung wurde ausgesprochen, weil der Arbeitnehmer dem Stellenprofil als Leiter HR Grundlagen + Personalentwicklung sowie Stv. Leiter Human Resources nicht entsprochen habe. Zudem habe ein für die vorgesehene Funktion unbedingt nötiges Vertrauensverhältnis nicht aufgebaut werden können.

Es liegen somit keine hinreichenden Belege vor, die beweisen würden, dass der Beschwerdeführer dem Stellenprofil nicht entsprochen hätte und dass ein für die vorgesehene Funktion nötiges Vertrauensverhältnis nicht habe aufgebaut werden können. Damit gelingt es dem Beschwerdegegner nicht, entsprechend den Regeln der Beweislast die Gründe für die ordentliche Kündigung genügend zu beweisen (vgl. supra E. 2.2). Von der Generalsekretärin wäre zu erwarten gewesen, dass sie die von ihr ins Feld geführten Vorkommnisse entsprechend dokumentiert. Auch wenn während der Probezeit keine allzu strengen Anforderungen an die Kündigungsgründe zu stellen sind, ist eine Kündigung sorgfältig durchzuführen und die Gründe hierzu zu dokumentieren (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1058 vom 27. August 2018 E. 5.4). Dieses Säumnis ist nicht im Beschwerdeverfahren nachzuholen, zumal die entsprechende Dokumentation (interne Aktennotizen, Gesprächsnotizen) grundsätzlich sogleich vorzunehmen ist. Der als Beweis­offerte formulierte Antrag auf schriftliche und anonymisierte Befragung der Mitarbeitenden des HR-Teams ist daher abzuweisen, da keine Gründe ersichtlich sind, die ein Abweichen von der Dokumentationspflicht gerechtfertigt hätten.

 

Ansprüche des Arbeitnehmers

Heisst das Bundesstrafgericht die Beschwerde gegen eine Verfügung über die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber mangels eines sachlich hinreichenden Grundes gut, ohne dass eine qualifiziert rechtswidrige Kündigung im Sinne von Art. 34c BPG vorliegt, so hat es dem Beschwerdeführer eine Entschädigung von in der Regel mindestens sechs Monatslöhnen und höchstens einem Jahreslohn zuzusprechen deren Höhe unter Würdigung aller Umstände festzulegen ist. Das Bundesstrafgericht erachtete eine Entschädigung von sechs Monatslöhnen als angemessen:

Weder das Gesetz noch die Botschaft äussern sich zu den einzelnen Bemessungskriterien der Entschädigung. Die Botschaft verweist lediglich darauf, dass der Entschädigung ein prohibitiver Charakter zukommen solle (es soll sich für die Arbeitgeberin nicht "lohnen", eine Arbeitnehmerin ohne rechtlich genügenden Grund zu entlassen) und ihre Höhe absichtlich über derjenigen des OR liege (Botschaft BPG, BBl 2011 6724). Es rechtfertigt sich daher, zur Bemessung der Höhe der Entschädigung auf die Rechtsprechung zu Art. 19 Abs. 3 i.V.m. Art. 14 Abs. 3 Bst. a aBPG bzw. Art. 336a OR sowie zu Art. 337c Abs. 3 OR abzustellen. Für die Bemessung der Höhe der Entschädigung ist demnach auf die Schwere der Persönlichkeitsverletzung bzw. des Eingriffs in die Persönlichkeit des Arbeitnehmers, die Intensität und Dauer der vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien sowie die Art und Weise der Kündigung, die Strafwürdigkeit des Verhaltens des Arbeitgebers, und die Schwere eines allfälligen Mitverschuldens des Arbeitnehmers, das Mass der Widerrechtlichkeit der Entlassung, die soziale und finanzielle Lage der beschwerdeführenden Partei sowie das Alter der Betroffenen und deren Stellung im Unternehmen des Arbeitgebers abzustellen. Insbesondere ein besonders rücksichtsloses Vorgehen bei der Kündigung kann sich auf die Entschädigung erhöhend auswirken ( BGE 123 III 246 E. 6a; Urteile des Bundesgerichts 8C_620/2013 vom 25. Februar 2014 E. 4 und 4A_571/2008 vom 5. März 2009 E. 5.1 [zu Art. 336a OR]; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-531/2014 vom 17. September 2014 E. 5.2 f.; A-6664/2009 vom 29. Juni 2010 E. 6.3.2.2; Nötzli, a.a.O., Art. 19 N 23 [zu Art. 19 Abs. 3 i.V.m. Art. 14 Abs. 3 Bst. a aBPG]).

5.3 Die Persönlichkeitsverletzung des zum Zeitpunkt der Kündigung knapp 59-jährigen Beschwerdeführers ist selbst vor dem Hintergrund, dass die Kündigung während der Probezeit erfolgt ist, als erheblich einzustufen. Der Beschwerdeführer hatte nach nur einem Monat Einarbeitung bereits die interimistische Leitung des Bereichs HR übernommen, in einer – wie der Beschwerdegegner selber ausführt – «anspruchsvollen Situation und mit diversen Ausfällen von Mitarbeitenden». Der Beschwerdeführer sah sich damit noch in der Probezeit mit der Situation konfrontiert, zusätzlich eine andere Position mit selbstredend mehr Verantwortung und weiteren Aufgaben zu bekleiden als die, wofür er ursprünglich angestellt worden war. Umso stossender ist daher der Umstand, dass der Beschwerdeführer erst am 8. Oktober 2020, als die Generalsekretärin dem Beschwerdeführer ihre Absicht eröffnete, das Arbeitsverhältnis mit ihm beenden zu wollen, von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Kenntnis erhalten hat. Dass die Generalsekretärin das Gespräch mit dem Beschwerdeführer bereits zu einem früheren Zeitpunkt gesucht und ihn mit den Vorwürfen konfrontiert hätte, ist jedenfalls nicht aktenkundig. Es ist daher davon auszugehen, dass den Beschwerdeführer die Ankündigung der Kündigung am 8. Oktober 2020 gänzlich unerwartet getroffen hat. Dieser Umstand, welcher vom Arbeitgeber zu verantworten ist, wirkt sich erhöhend auf die Entschädigung aus. Schliesslich ist das Alter des Beschwerdeführers von knapp 59 Jahren zum Zeitpunkt der Kündigung entschädigungserhöhend zu berücksichtigen. Es ist notorisch, dass Mitarbeitende im fortgeschrittenen Alter auf dem Arbeitsmarkt bedeutend mehr Schwierigkeiten haben, eine geeignete Stelle zu finden als jüngere Arbeitnehmer. Demgegenüber ist ein Mitverschulden des Beschwerdeführers, welches sich mit Bezug auf die Entschädigung zulasten des Beschwerdeführers auswirken würde, nicht ersichtlich. In Würdigung der gesamten Umstände erscheint eine Entschädigung von sechs Monatslöhnen, wie vom Beschwerdeführer beantragt, als angemessen. Der Beschwerdegegner ist daher zu verpflichten, dem Beschwerdeführer eine Entschädigung von sechs Bruttolöhnen zuzusprechen.

 

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Autor: Nicolas Facincani

 

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