Das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen hatte sich mit einem Gitarrenlehrer auseinanderzusetzen, der fristlos entlassen wurde, weil er gegen das seinerzeit geltende Covid-19-Schutzkonzept verstossen und insbesondere keine Schutzmaske getragen und sich der Weisung, die Schülerinnen und Schüler nicht mit Händedruck zu begrüssen, widersetzt hatte (Verwaltungsgericht, B 2022/12 vom 19. Mai 2022).
Anordnung der Schule / Sachverhalt
Am 5. August 2020 hatte der ein Covid-Schutzkonzept mit Contact-Tracing für die Schule erlassen. Darin wurde unter anderem vorgesehen, den Gitarrenschülerinnen- und schülern zur Begrüssung und zum Abschied die Hände nicht zu schütteln. In der Folge gab der Gitarrenlehrer bekannt, dass er sich mit den Eltern seiner Schülerinnen und Schüler in Verbindung gesetzt und nachgefragt habe, wie sie zur Empfehlung betreffend Nichthändeschütteln ständen.
Da sich der Gitarrenlehrer auch weigerte eine Maske zu tragen, wurde das Arbeitsverhältnis in der Folge fristlos gekündigt.
Die Kündigung nach dem Volksschulgesetz (St. Gallen)
Das Kantonsgericht fasst zunächst zusammen, unter welchen Voraussetzungen das Arbeitsverhältnis beendet werden kann:
Nach Art. 67bis Abs. 1 VSG kann der Schulrat das Dienstverhältnis auf Semesterende kündigen; er hat dies der Lehrperson bis Ende Oktober oder April schriftlich mitzuteilen (Art. 67bis Abs. 2 VSG). aus wichtigen Gründen kann der Schulrat das Dienstverhältnis aber auch jederzeit mit sofortiger Wirkung oder auf Semesterende auflösen (Art. 72 Abs. 1 VSG). Als wichtige Gründe gelten insbesondere die Unfähigkeit, die Lehrtätigkeit richtig auszuüben, und andere Umstände, unter denen die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann (Art. 72 Abs. 2 VSG). Die Rechtmässigkeit einer Entlassung aus wichtigen Gründen bemisst sich an verfassungsrechtlichen Vorgaben wie dem Willkürverbot, dem Verhältnismässigkeitsprinzip sowie an Treu und Glauben. Die Gründe, die zur Kündigung Anlass geben, müssen von einem bestimmten Gewicht sein. Erforderlich ist zudem, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geradezu unzumutbar ist. Dabei kann – weil das VSG die Voraussetzungen für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigen Gründen von Volksschullehrern vom Inhalt her gleich umschreibt wie Art. 22 Abs. 1 PersG und Art. 337 Abs. 2 des Schweizerischen Obligationenrechts (SR 220, OR) – bei der Frage, ob der kündigenden Partei die Fortführung des Arbeitsverhältnisses zugemutet werden darf, die zu Art. 22 PersG bzw. zu Art. 337 OR entwickelte Praxis angemessen berücksichtigt werden. Daran ändert nichts, dass gemäss VSG eine Auflösung aus wichtigen Gründen jederzeit mit sofortiger Wirkung oder auf Semesterende möglich ist (vgl. auch Art. 81 VSG i.V.m. Art. 76 lit. c und Art. 8 PersG, worin auf die Bestimmungen des OR über den Arbeitsvertrag verwiesen wird). Es ist allerdings den Besonderheiten des öffentlichen Dienstes Rechnung zu tragen: Ein Angestellter des öffentlichen Dienstes ist verpflichtet, während und ausserhalb der Arbeitszeit ein Verhalten anzunehmen, das sich der Achtung und des Vertrauens würdig erweist, das seine Stellung erfordert und alles zu unterlassen, was die Interessen des Staates beeinträchtigt. Er hat insbesondere alles zu unterlassen, was das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität der Verwaltung und ihrer Angestellten beeinträchtigen und was die Vertrauenswürdigkeit gegenüber dem Arbeitgeber herabsetzen würde. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das zu beanstandende Verhalten in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist und Aufsehen erregt hat. Indes rechtfertigt nur ein besonders schweres Fehlverhalten des Angestellten die fristlose Kündigung. Dieses muss einerseits objektiv geeignet sein, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tiefgreifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Vertrags nicht zuzumuten ist. Andererseits wird vorausgesetzt, dass das Verhalten tatsächlich zu einer entsprechenden Zerstörung oder Erschütterung des gegenseitigen Vertrauens geführt hat. Wiegen die Verfehlungen weniger schwer, ist die fristlose Auflösung wie im privaten Arbeitsrecht nur dann gerechtfertigt, wenn sie trotz Verwarnung wiederholt begangen wurden. Als „ultima ratio“ ist die fristlose Entlassung erst dann zulässig, wenn dem Vertragspartner auch nicht mehr zugemutet werden darf, das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung aufzulösen. Sie setzt eine besonders schwere Verletzung der Arbeitspflicht oder anhaltende Verfehlungen des Gekündigten voraus. Ob die dem Arbeitnehmer vorgeworfene Pflichtverletzung die erforderliche Schwere erreicht, entscheidet sich nicht allgemein, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Stellung und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie von der Natur und Dauer des Vertragsverhältnisses. Während im Zivilrecht eine fristlose Kündigung in der Regel innert weniger Arbeitstage auszusprechen ist und eine längere Frist nur zugestanden wird, sofern praktische Erfordernisse des Alltags- und Wirtschaftslebens dies als berechtigt erscheinen lassen, vermögen im öffentlichen Personalrecht weitere sachliche Gründe ein längeres Zuwarten zu rechtfertigen (vgl. VerwGE K 2016/4 vom 28. Februar 2019 E. 2.1 m.H. auf BGer 8C_146/2014 vom 26. Juni 2014 E. 5.4 und 5.5; BGer 8C_501/2013 vom 18. November 2013 E. 3.1; 8C_294/2011 vom 29. Dezember 2011 E. 6.3-6.5; vgl. VerwGE B 2011/235 vom 29. August 2012 E. 3, www.gerichte.sg.ch; H. Nötzli, in: Portmann/Uhlmann [Hrsg.], Bundespersonalgesetz, Bern 2013, Art. 12 Rz. 46 ff.).
Die Pflichten des Lehrers
Für die Beurteilung es Falles war es für das Verwaltungsgericht wichtig darzulegen, welches die Pflichten eines Lehrers sind:
Die Lehrperson hat durch ihre Tätigkeit und durch ihr Vorbild die Erfüllung des Erziehungs- und Bildungsauftrags zu fördern und den Unterricht nach den Vorschriften der Gesetzgebung, des Lehrplans und den Weisungen der Schulbehörden zu erteilen (Art. 76 Abs. 1 erster Satz VSG). Diese Vorschrift spricht nicht nur den Berufsauftrag, sondern auch das Umfeld des Berufs bis ins Privatleben hinein an, was sich aus dem gesellschaftlichen Wertkonsens zur Kindererziehung im Allgemeinen und zur Aufgabe der Schule im Besonderen ergibt. Aufgrund des Einflusses, den eine Lehrperson auf die Lernenden ausübt, sind an deren pflichtgemässes Verhalten besonders hohe Anforderungen zu stellen (GVP 2005 Nr. 92 E. 2; BGer 8C_294/2011 vom 29. Dezember 2011 E. 5.4 m.H.). Sodann gilt das in Art. 321d Abs. 1 OR geregelte Weisungsrecht des Arbeitgebers in Verbindung mit Art. 8 PersG auch für öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnisse. Weisungen werden einseitig vom Arbeitgeber angeordnet; sie bedürfen nicht der Zustimmung der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber kann über die Ausführung der Arbeit und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb oder Haushalt allgemeine Anordnungen erlassen und ihnen besondere Weisungen erteilen (Art. 321d Abs. 1 OR). Nach Art. 321d Abs. 2 OR hat der Arbeitnehmer die allgemeinen Anordnungen des Arbeitgebers und die ihm erteilten besonderen Weisungen nach Treu und Glauben zu befolgen. Der Arbeitnehmer ist aber nicht verpflichtet, Weisungen zu befolgen, die widerrechtlich oder unsittlich sind. Zudem findet das Weisungsrecht am Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers seine Schranke. Ferner können mit einer Weisung die Verpflichtungen des Arbeitnehmers nicht über den vertraglichen Rahmen hinaus erweitert werden (BGer 4A_613/2010 vom 25. Januar 2011 E. 3 m.H.). Im Weiteren statuiert Art. 3a des Bundesgesetzes vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz, ArG; SR 822.11), welcher nach Art. 2 Abs. 1 lit. a ArG auch auf Verwaltungen des Bundes, der Kantone und der Gemeinden anwendbar ist, dass die Vorschriften über den Gesundheitsschutz gemäss Art. 6, 35 und 36a ArG für die genannten Verwaltungen massgebend sind (vgl. BGer 8C_469/2019 vom 30. Oktober 2019 E. 8.1). Der Arbeitgeber ist daher verpflichtet, zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes angemessen sind. Er hat im Weiteren die erforderlichen Massnahmen zum Schutze der persönlichen Integrität der Arbeitnehmer vorzusehen (Art. 6 Abs. 1 ArG). Für den Gesundheitsschutz hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmer zur Mitwirkung heranzuziehen. Diese sind verpflichtet, den Arbeitgeber in der Durchführung der Vorschriften über den Gesundheitsschutz zu unterstützen (Art. 6 Abs. 3 ArG). Die gestützt auf das Epidemiengesetz (SR 818.101, EpG) und das Bundesgesetz über die gesetzlichen Grundlagen für Verordnungen des Bundesrates zur Bewältigung der Covid-19-Epidemie (SR 818.102, Covid-19-Gesetz) erlassene Verordnung über Massnahmen in der besonderen Lage zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie (SR 818.101.26; Covid-19-Verordnung besondere Lage) beinhaltet alle Massnahmen, die dazu dienen, die Verbreitung des Corona-Virus zu verhindern und Übertragungsketten zu unterbrechen (Art. 1 Abs. 2 Covid-19-Verordnung besondere Lage). Gemäss Art. 2 Abs. 2 Covid-19-Verordnung besondere Lage fallen Massnahmen im Bereich der obligatorischen Schule und der Sekundarstufe II in die Zuständigkeit der Kantone. Jede Person hat die Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zu Hygiene und Verhalten in der Pandemie zu beachten (Art. 4 Covid-19-Verordnung besondere Lage). Die Betreiber von öffentlich zugänglichen Einrichtungen und Betrieben einschliesslich Bildungseinrichtungen müssen ein Schutzkonzept erarbeiten und umsetzen (vgl. Art. 10 Abs. 1 Covid-19-Verordnung besondere Lage). Nach Art. 61 Abs. 1 lit. b PersG haben Mitarbeitende die Interessen der Arbeitgeberin zu wahren (Treuepflicht).
Entscheid des Verwaltungsgerichts
Das Verwaltungsgericht legte dar, aus den Umständen habe sich klar ergeben, dass der Beschwerdeführer (Musiklehrer) für den Fall der Nichtanpassung seines Verhaltens (Nichtbeachtung von COVID-Weisungen) mit einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigen Gründen habe rechnen müssen. Da die Weisungen der Schule gemäss Covid-19-Schutzkonzept rechtmässig erlassen worden seien, habe der Beschwerdeführer mit seiner wiederholten (verbalen) Weigerung, eine Maske zu tragen und auf das Händeschütteln nicht verzichten zu wollen, gegen die ihn treffende Treuepflicht im Sinn von Art. 61 Abs. 1 lit. b PersG verstossen.
Einwilligung der Eltern zu Händeschütteln ist unbeachtlich
Der Umstand, dass ihm einige Eltern ihre Einwilligung zum Händeschütteln erteilt hätten, vermag gemäss Verwaltungsgericht daran nichts zu ändern, zumal es gerade Ziel der Weisungen gewesen sei, die Virus-Weiterverbreitung einzudämmen. Der Beschwerdeführer habe auch dadurch gegen seine Treuepflicht verstossen, dass er sich – ohne Vororientierung der Beschwerdegegnerin bzw. der Schulleitung – an die Eltern seiner Schüler und Schülerinnen gewandt habe mit der Feststellung, sich mit ihrer Einwilligung nicht an die Weisungen halten zu wollen. Damit hätten trotz Aufforderungen der Beschwerdegegnerin (Schule) zur Anpassung des Verhaltens anhaltende Verfehlungen des Beschwerdeführers vorgelegen sowie nachvollziehbare (wichtige) Gründe für eine Kündigung (Art. 21 Abs. 2 lit. c und d PersG und Art. 72 VSG).
Verlängerung der Kündigungsfrist
Art. 72 Abs. 1 VSG erlaubt es gemäss Verwaltungsgericht indes selbst bei Vorliegen von wichtigen Gründen, die konkreten Verhältnisse gegebenenfalls mit einer Verlängerung der Kündigungsfrist bis Semesterende zu berücksichtigen. In tatbeständlicher Hinsicht stehe fest, dass der Beschwerdeführer – entgegen seiner verbalen Ankündigung – im Unterricht keine Hände geschüttelt und der Instrumentenparcours – an welchem er die Nichteinhaltung der Maskenpflicht ebenfalls angekündigt habe – gar nicht stattgefunden habe, was wiederum zur Folge gehabt habe, dass sich diesbezüglich durch sein Verhalten keine potentielle Gesundheitsgefährdung (Infektionsmöglichkeit) habe ergeben können.
Verhältnismässigkeit
Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit gebiete – so das Verwaltungsgericht, dass eine Massnahme zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet, notwendig (erforderlich) und für die betroffene Person zumutbar sei. Wenn dem Beschwerdeführer im Kündigungszeitpunkt eine tatsächliche Nichtbeachtung der Maskentragepflicht und des Verbots des Händeschüttelns habe nicht vorgeworfen werden können, so habe sich eine solche Nichtbeachtung der Weisungen auch für die Zukunft nicht ohne Weiteres unterstellen lassen. Es wäre der Beschwerdegegnerin zumutbar gewesen, im Sinn einer milderen Massnahme die Kündigung aus wichtigen Gründen auf Ende Januar 2021 auszusprechen, verbunden mit der Androhung, dass eine allfällige Missachtung der Maskentragepflicht und des Verbots des Händeschüttelns die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben werde. Dieser Gegebenheit sei angemessen Rechnung zu tragen. Die Beschwerdegegnerin sei entsprechend in Würdigung der geschilderten wichtigen Gründe und in Anwendung von Art. 72 Abs. 1 VSG bis zum Semesterende (31. Januar 2021) zur Lohnzahlung an den Beschwerdeführer zu verpflichten.
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Autor: Nicolas Facincani