Als Überstundenarbeit gilt diejenige Arbeit, die über die im Einzel-, Normal- oder Gesamtarbeitsvertrag vereinbarte, im Betrieb geltende oder in der Branche übliche Stundenzahl hinaus geleistet wird.

 

Pflicht zu Leistung von Überstunden

Überstunden können einseitig durch den Arbeitgeber angeordnet werden. Sie sind zu leisten, soweit sie sich als notwendig erweisen, die Arbeitnehmerin sie zu leisten vermag und ihr dieser Zusatzaufwand nach Treu und Glauben zugemutet werden kann. Die Anordnung für die Leistung der Überstunden muss nicht immer ausdrücklich durch den Arbeitgeber erfolgen. Vielmehr muss die Arbeitnehmerin auch dann Überstunden leisten, wenn sie deren Notwendigkeit erkennt oder erkennen muss bzw. wenn die Arbeitnehmerin erkennt oder erkennen muss, dass diese zur Wahrung der betrieblichen Interessen notwendig sind. Überstunden, die eine Arbeitnehmerin ohne Wissen des Arbeitgebers geleistet hat, muss sie diesem unverzüglich melden. Nur so kann der Arbeitgeber allfällige organisatorische Massnahmen treffen (z. B. Anstellung von weiteren Personen, Trennung von der Arbeitnehmerin wegen deren ungenügenden Fähigkeiten oder Überforderung etc., wenn sie offensichtlich zu viel Zeit für gewisse Aufgaben braucht).

Jedenfalls müssen zusätzlich zu den Bestimmungen des Obligationenrechts auch die Bestimmungen des Arbeitsgesetzes über die Arbeits- und Ruhezeiten eingehalten werden.

Grundlage für die Bestimmung, ob gewisse Arbeitszeiten als Überstunden betrachtet werden können, ist also die vertragliche oder übliche Stundenzahl. Lässt sich keine vertragliche oder übliche Stundenzahl nachweisen, sind auch keine Überstunden, wohl jedoch Überzeit möglich. Die Regelungen betreffend die Überzeit gelten von Gesetzes wegen.

 

Folgen von Überstunden

Werden Überstunden geleistet, können diese bei Einverständnis der Arbeitnehmerin und des Arbeitgebers innert eines angemessenen Zeitraums durch Freizeit von mindestens gleicher Dauer kompensiert werden. Kompensation durch Freizeit kann nicht gegen den Willen der Arbeitnehmerin durchgesetzt werden; in der Regel selbst dann nicht, wenn sie freigestellt worden ist. Vorbehältlich anderer vertraglicher Regelungen sind die Überstunden 1:1 zu kompensieren. Der in Art. 321c Abs. 3 OR genannte Zuschlag von 25 Prozent (siehe hiernach) findet beim Ausgleich durch Freizeit keine Anwendung.

Werden Überstunden von Arbeitnehmerinnen nicht durch Freizeit ausgeglichen, haben sie einen Anspruch auf Entschädigung im Umfang des auf die Überstunden entfallenden Lohns plus einen Zuschlag von 25 Prozent. Das gilt freilich nur, sofern nichts anderes schriftlich verabredet oder durch Normal- oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist. Dieser Zuschlag ist nicht zwingend. Soweit nicht öffentlich-rechtliche Bestimmungen entgegenstehen, kann von dieser gesetzlichen Regelung auch zuungunsten der Arbeitnehmerin abgewichen werden. Nach der wohl überwiegenden Lehrmeinung können Arbeitgeber und Arbeitnehmerin den Zuschlag von 25 Prozent oder sogar jegliche Entschädigung ausschliessen. Solche Klauseln sind allerdings in Arbeitsverträgen sorgfältig zu redigieren. Oft stellt sich in der Praxis nämlich die Frage, was genau die Parteien überhaupt wegbedingen wollten.

Ist die Überstundenentschädigung nicht wegbedungen, sind Überstunden, die durch den Arbeitgeber angeordnet wurden, in jedem Fall zu entschädigen. Wenn Überstunden aus eigener Initiative geleistet werden, ist Zeitausgleich oder Vergütung vom Arbeitgeber nur zu leisten, wenn die Überstunden entweder vom Arbeitgeber genehmigt wurden, objektiv notwendig waren oder von der Arbeitnehmerin aufgrund der konkreten Umstände in guten Treuen als notwendig erachtet werden durften. Wusste der Arbeitgeber, dass Überstunden geleistet wurden, so darf die Arbeitnehmerin nach Treu und Glauben die Zustimmung des Arbeitgebers annehmen. Überstunden sind aber handkehrum nicht zu entschädigen oder durch Freizeit auszugleichen, wenn sie ohne Zustimmung geleistet wurden und die Überstunden nicht durch die besonderen Umstände im Betrieb notwendig waren. Beachtlich ist, dass Überstunden, die gegen den Willen des Arbeitgebers erfolgen, ungeachtet dessen, weshalb sie geleistet worden sind, nicht entschädigt werden müssen. Grundsätzlich ist es nämlich Sache des Arbeitgebers, über die Leistung von Überstunden zu entscheiden.

 

Überzeit

Überzeitarbeit ist hingegen diejenige Arbeitszeit, welche die arbeitsgesetzliche wöchentliche Höchstarbeitszeit überschreitet. Gemäss Art. 9 Abs. 1 des Arbeitsgesetzes (ArG) gilt für Arbeitnehmende in industriellen Betrieben sowie für Büropersonal und technische Angestellte sowie Verkaufspersonal in Grossbetrieben des Detailhandels (mehr als 50 Arbeitnehmende pro Verkaufsstelle) eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 45 Stunden, für alle anderen Arbeitnehmenden eine solche von 50 Stunden. Konkret bedeutet dies: Die Mehrarbeit, welche über die vertraglich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und bis 45 bzw. 50 Arbeitsstunden pro Woche geleistet wird, ist Überstundenarbeit.

Grundsätzlich ist für Überzeitarbeit ein Lohnzuschlag von 25 Prozent des Normallohns geschuldet. Allerdings ist ein solcher Zuschlag bei Arbeitnehmenden, für welche die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 45 Stunden gilt, erst ab der 61. Stunde Überzeitarbeit zu leisten.

 

Überstunden von leitenden Angestellten

Leitende Angestellte haben gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts generell nur dann Anspruch auf Überstundenentschädigung, wenn eine feste Arbeitszeit vereinbart wurde, wenn ihnen zusätzliche Aufgaben über die vertraglich vereinbarten Pflichten hinaus übertragen werden oder wenn die ganze Belegschaft während längerer Zeit in wesentlichem Umfang Überstunden leistet. Daneben ist es bei leitenden Angestellten möglich, wenn auch unüblich, dass die Entschädigung von Überstunden vereinbart ist. Das Bundesgericht begründet seine Praxis damit, dass leitende Angestellte mehr leisten als nur das im Betrieb Übliche, weshalb die im Betrieb übliche Arbeitszeit hier eigentlich keine Referenzgrösse darstellen kann.

 

Gleitende Arbeitszeit

Bei der gleitenden Arbeitszeit liegt die Zeitsouveränität im Gegensatz zur Überstundenarbeit bei der Arbeitnehmerin. Diese kann – innerhalb eines regelmässig näher bestimmten Rahmens – Arbeitsbeginn, Arbeitsende sowie die Pausen selber und frei bestimmen. In der Regel werden feste Blockzeiten vereinbart, deren Summe die gesamte Wochenarbeitszeit (oder Monats- resp. Jahresarbeitszeit) wesentlich unterschreitet und die durch sogenannte Gleitzeiten umlagert werden, während welcher die Arbeitnehmerin ihre Arbeitszeit frei einteilen kann. Eine Gleitzeitabrede setzt das Bestehen von Blockzeiten indes nicht voraus. Der Arbeitgeber kann darauf verzichten, der Arbeitnehmerin bestimmte Zeiten vorzuschreiben, zu denen sie im Betrieb sein muss. Weil die Zeitsouveränität bei der Gleitzeitarbeit bei der Arbeitnehmerin liegt, hat diese auch dafür zu sorgen, dass sie mit ihrer tatsächlich geleisteten Arbeit innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit bleibt. Wird Mehrarbeit geleistet und ist sie weder arbeitgeberseitig angeordnet noch betrieblich notwendig, sondern beruht sie auf der individuellen Arbeitseinteilung der Arbeitnehmerin, so hat diese die über den Soll-Zeitrahmen hinaus geleistete Arbeitszeit zu kompensieren.

 

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Autor: Nicolas Facincani

 

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Dieser Beitrag ist zuerst bei Miss Moneypenny erschienen.