Das Kantonsgericht Graubünden hatte sich mit der Frage der Rechtmässigkeit einer Kündigung zu befassen, die nach Gesprächen und Verwarnungen (mit sofortiger Freistellung ohne Lohnfortzahlung) gegenüber einem Betreuer bei den Psychiatrischen Diensten Graubünden ausgesprochen wurde, weil sich dieser geweigert hatte, sich den Betriebstestungen (2 Spucktests pro Woche) zu unterziehen.

Der Arbeitnehmer macht eine ungerechtfertigte, missbräuchliche Kündigung geltend, da eine Kündigung einen sachlich zureichenden Grund gemäss Art. 9 Abs. 2 PG voraussetze, namentlich eine Verletzung gesetzlicher oder vereinbarter Pflichten durch den Arbeitnehmer.

 

Rechtliche Grundlage

Für die Rechtmässigkeit einer Kündigung bedarf es grundsätzlich keiner besonderen Gründe, da das Schweizerische Arbeitsrecht seit der Revision von 1988 vom Prinzip der Kündigungsfreiheit ausgeht (BGE 125 III 70 E.2a; siehe zur Kündigung etwa Facincani/Bazzell, in: Etter/Facincani/Sutter, Arbeitsvertrag, Art. 335 N 1 ff.).

Da wir uns hier jedoch in einem öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis zwischen einem Angestellten und der PDGR (öffentlich-rechtliche Anstalt) befinden, wird das Personalgesetz des Kantons Graubünden nach Art. 3 Abs. 2 lit. a PG angewendet, wobei nach Art. 4 PG das Obligationenrecht nur subsidiär zur Anwendung gelangt. Gemäss Art. 9 Abs. 1 PG setzt die Kündigung durch den Kanton einen sachlich zureichenden Grund voraus. Solche Gründe sind nach Abs. 2 derselben Bestimmung insbesondere ungenügende Leistungen oder unbefriedigendes Verhalten (lit. a), Verletzung gesetzlicher oder vereinbarter Pflichten (lit. b), fehlende Eignung oder Wegfall beziehungsweise Nichterfüllen gesetzlicher oder vereinbarter Anstellungsvoraussetzungen (lit. c) und die Aufhebung einer Stelle aus betrieblichen oder wirtschaftlichen Gründen (lit. d). Liegen keine sachlich zureichenden Gründe vor, ist die Kündigung missbräuchlich oder ungerechtfertigt und folglich muss der Arbeitgeber nach Art. 12 PG eine Entschädigung leisten. 

 

Regierungsratsbeschluss vom 7. September 2021

Die Kündigung wurde Im Zusammenhang mit dem Regierungsbeschluss vom 7. September 2021 des Kantonsgraubündens ausgesprochen, welcher eine Testpflicht für ungeimpfte und nicht-genesene Personen in Spitälern, Kliniken, Angeboten für die stationäre Pflege und Betreuung von Langzeitpatienten und betagten Personen, Diensten der häuslichen Pflege und Betreuung (Spitex), Wohnheimen für Menschen mit Behinderung, Wohnheimen für Kinder und Jugendliche und Kindertagesstätten vorsieht. Weiter galt die Zertifikatspflicht für BesucherInnen dieser Einrichtungen. Das Bundesamt für Gesundheit (nachfolgend BAG) hatte festgehalten, dass in solchen sozialmedizinischen Bereichen weiterhin mit Ausbrüchen zu rechnen sei. Darum wollte man auch die Durchimpfungsrate erhöhen, um das Risiko zu senken, den Virus in eben genannte Einrichtung zu verschleppen. Das BAG empfohl daher den Kantonen, aufgrund der unsicheren Lage, das gezielte und wiederholte Testen von ungeimpften oder nicht genesenen Personen in diesen Einrichtungen als obligatorisch zu erklären.

 

Testpflicht

Das Testen wurde somit zum Schutz solcher Einrichtungen vor dem Virus empfohlen, was auch wiederum den Schutz Grundrechte Dritter beinhaltet (körperliche Unversehrtheit Art. 10 Abs. 2 BV). Fraglich war hier, ob eine Ungleichbehandlung in vergleichbaren Situationen vorlag, in dem eine Testpflicht nur in Bezug auf ungeimpfte oder nicht genesene Mitarbeiter obligatorisch war. Dies war gemäss Kantonsgericht zu verneinen, da gerade keine vergleichbare Situation vorliegt, da Menschen gäbe, die geimpft sind und Menschen die ungeimpft oder nicht genesen sind und in den vorher genannten Einrichtungen arbeiten. Der Unterschied liege darin, dass bei der Gruppe die nicht geimpft oder genesen sei, das Risiko eines Ausbruchs sehr viel höher sei, als bei der Gruppe die geimpft ist. Dieses Risiko gelte es in der vorliegenden unsicheren epidemiologischen Lage zu vermeiden (BAG-Empfehlung; Stand 27. August 2021). Somit liege keine vergleichbare Situation in Bezug auf die Risikoverteilung vor. Auch wenn man dies bejahen würde, gäbe es genügend sachliche Gründe, die dies rechtfertigen würden, nämlich in Form des Gesundheitsschutzes. Somit liege weder eine rechtsungleiche Behandlung oder Diskriminierung durch den Regierungsbeschluss vor, noch ein Verstoss gegen übergeordnetes Recht, namentlich der Bundesverfassung.

 

Leichter Eingriff

Vorliegend kann gemäss Kantonsgericht Graubünden bei einem Spucktest von einem leichten Eingriff ausgegangen werden, da nur Speichel in ein Röhrchen gespuckt werden muss, welcher dann auf den Coronavirus getestet wird. Dabei wird kein Abstrich aus dem Körperinneren wie beim sog. Nasen-Rachen-Abstrich gemacht. Somit könne es auch als noch weniger eingreifend bezeichnet werden, als ein WSA-Abstrich oder eine Blutentnahme. Weiter sei auch daran zu denken, dass es nicht entscheidend ist, wie der Eingriff vom Betroffenen empfunden wird, obwohl im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 27. September 2021 zur Abmahnung schreibt, dass es sich um einen ärztlichen Eingriff handelte, jedoch nur in geringem Masse.

 

Entscheid Kantonsgericht

Das Verwaltungsgericht Graubünden entschied mit Urteil vom 16.08.2022 (U 21 952), dass die nach Gesprächen und Verwarnungen ausgesprochene ordentliche Kündigung des Arbeitsvertrags (mit sofortiger Freistellung ohne Lohnfortzahlung) eines Betreuers bei den Psychiatrischen Diensten Graubünden rechtens war, weil sich dieser geweigert hatte, sich den Betriebstestungen (2 Spucktests pro Woche) zu unterziehen. Als Folge seiner Verweigerung der Testpflicht liege das Verschulden bei der Verhinderung an der Arbeitsleistung beim Arbeitnehmer. Folglich liege kein Annahmeverzug der Arbeitgeberin vor und es bestehe gemäss Art. 324 Abs. 1 OR keine Lohnfortzahlungspflicht.

 

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Autor: Nicolas Facincani

 

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