Der Tod eines Elternteils unmittelbar nach der Geburt ist für die Familie und das Neugeborene ein schwerer Schicksalsschlag.

Der Bundesrat erachtet es als zentral, dass beim Tod der Mutter unmittelbar nach der Geburt in erster Linie das Kindeswohl gewährleistet werden kann. Denn bei einem Ereignis wie dem Tod der Mutter während des Mutterschaftsurlaubs ist das Kind aufgrund des geringen Alters und der fehlenden Selbstständigkeit besonders verletzlich. In dieser Situation hat das Interesse des Neugeborenen Vorrang. Nach einem solchen Schicksalsschlag sind die Kinder besonders schutzbedürftig und benötigen umfassende Betreuung. Deshalb anerkennt der Bundesrat den Handlungsbedarf in diesem Bereich.

Nach Ansicht des Bundesrats müssen deshalb in den ersten Lebensmonaten die Betreuung und das Wohl des Neugeborenen Vorrang haben. An seiner Sitzung vom 26. Oktober 2022 hat er zur Vorlage der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) Stellung genommen und sich für einen Urlaub von insgesamt 16 Wochen für den überlebenden Elternteil ausgesprochen.

 

Ursprung der Vorlage

Die Vorlage geht zurück auf die parlamentarische Initiative 15.434 «Mutterschaftsurlaub für hinterbliebene Väter».

Am 8. Juni 2015 reichte Nationalrätin Margrit Kessler (GLP, SG) die parlamentarische Initiative 15.434 ein. Die Initiative verlangt, dass bei einem Todesfall der Mutter innerhalb von 14 Wochen nach der Geburt der Mutterschaftsurlaub von 14 Wochen vollumfänglich dem Vater gewährt wird. Die parlamentarische Initiative wurde von Thomas Weibel (GLP, ZH) übernommen.

Am 22. Juni 2016 gab die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) der parlamentarischen Initiative mit 13 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen Folge. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-S) stimmte diesem Beschluss am 30. August 2016 mit 6 zu 3 Stimmen bei 3 Enthaltungen zu. Am 25. Januar 2018 beriet die SGK-N über das weitere Vorgehen. Zwischenzeitlich wurde die Volksinitiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub – zum Nutzen der ganzen Familie» eingereicht. Die SGK-N beschloss mit 10 zu 10 Stimmen und Stichentscheid ihres Präsidenten, die Arbeiten zur Initiative 15.434 bis zum Abstimmungsergebnis der Volksinitiative auszusetzen.

Am 27. September 2020 nahm das Volk den indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative an. Der im indirekten Gegenvorschlag vorgesehene zweiwöchige Vaterschaftsurlaub trat per 1. Januar 2021 in Kraft. Am 28. April 2021 legte die SGK-N die Eckwerte der Vorlage zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative fest. Sie beauftragte die Verwaltung, einen Vorentwurf mit mehreren Varianten auszuarbeiten, darunter auch eine Lösung für Fälle, in denen der Vater während der sechs Monate nach der Geburt des Kindes stirbt (analog zur sechsmonatigen Rahmenfrist für den Bezug des Vaterschaftsurlaubs).

Am 17. November 2021 prüfte die SGK-N den Vorentwurf und äusserte sich dazu, welche Variante sie unterstützt. Zusätzlich erteilte sie den Auftrag, die redaktionellen und begrifflichen Änderungen bei der Vaterschaftsentschädigung und dem Vaterschaftsurlaub vorzunehmen, die sich mit dem Inkrafttreten der Änderung vom 18. Dezember 20203 des Zivilgesetzbuches (ZGB) («Ehe für alle») am 1. Juli 2022 ergeben. Am 3. Februar 2022 verabschiedete die SGK-N den Vorentwurf und schickte ihn in die Vernehmlassung. Am 19. August 2022 nahm die SGK-N die Vernehmlassungsergebnisse zur Kenntnis. Sie änderte den Vernehmlassungsentwurf und beschloss mit 17 Stimmen bei 4 Enthaltungen, ihn dem Bundesrat zur Stellungnahme zu unterbreiten.

Die Prüfung der Initiative war bis zum Volksentscheid zur Einführung eines Vaterschaftsurlaubs sistiert worden. Mit Inkrafttreten des Vaterschaftsurlaubs per 1. Januar 2021 wurden im Rahmen der Vorlage verschiedene Varianten geprüft. Dabei stand nicht nur der Tod der Mutter während des Mutterschaftsurlaubs im Zentrum, sondern auch der Tod des Vaters innerhalb der Rahmenfrist des Vaterschaftsurlaubs, d. h. während den sechs Monaten nach der Geburt.

 

Kein Urlaub bei Tod der Mutter kurz nach der Geburt

Verschiedene über die Erwerbsersatzordnung (EO) entschädigte Urlaube tragen heute zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei: Seit dem 1. Januar 2021 besteht die Regelung zum Vaterschaftsurlaub (siehe hierzu auch Matteo Ritzinger/Nicolas Facincani/Jacqueline Brunner, in: Etter/Facincani/Sutter, Arbeitsvertrag, Art. 329 N 1ff.). Seit dem 1. Januar 2021 bzw. 1. Juli 2021 sieht das Gesetz sodann zudem einen Anspruch auf einen bezahlten Betreuungsurlaub von bis zu drei Tagen für die notwendige Betreuung von Angehörigen respektive von bis zu 14 Wochen für die Betreuung von gesundheitlich schwer beeinträchtigen Kindern. Am 1. Januar 2023 treten sodann die Regelungen zum Adoptionsurlaub in Kraft.

Wenn die Mutter kurz nach der Geburt des Kindes stirbt, gibt es derzeit keinen spezifischen Urlaub zur Betreuung des Neugeborenen. Nach einem solchen Schicksalsschlag sind die Kinder aber besonders schutzbedürftig und das Interesse des Neugeborenen muss in dieser Situation Vorrang haben. Für den Bundesrat besteht Handlungsbedarf. Er schlägt vor, dem überlebenden Elternteil einen Urlaub zu gewähren. Im Falle des Todes der Mutter kurz nach der Geburt des Kindes soll der überlebende Vater Anspruch auf 14 Urlaubswochen erhalten, die er ab dem Folgetag des Todes der Mutter am Stück beziehen muss. Zudem spricht sich der Bundesrat gemäss Antrag der Minderheit der SGK-N dafür aus, dass der zweiwöchige Vaterschaftsurlaub, der flexibel bezogen werden kann, bestehen bleibt. Stirbt der Vater kurz nach der Geburt des Kindes, so hat die hinterbliebene Mutter zusätzlich zum 14-wöchigen Mutterschaftsurlaub Anspruch auf zwei Wochen Urlaub nach den Modalitäten des Vaterschaftsurlaubs.

 

Weiteres Vorgehen

Die Vorlage der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats muss nun vom Parlament behandelt werden.

 

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Autor: Nicolas Facincani

 

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