In einem Verfahren vor Bundesgericht (Urteil 8C_28/2022 vom 4. Oktober 2022) war streitig, ob ein Arbeitnehmer des Universitätsspitals Zürich für die Jahre 2016 bis 2019 rückwirkend Lohnnachzahlungen für nicht vergütete Umkleidezeit geltend machen könnte (wie auch schon im Entscheid BGer 8C_514/2020 vom 20. Januar 2021 im Zusammenhang mit dem Spital Limmattal). Die Vorinstanzen hatten dies abgelehnt (Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 25. November 2021 (VB.2021.00349)).

Streitig war, ob die Vorinstanz eine Rechtsverletzung beging, indem sie in Bestätigung des Beschlusses des Spitalrats des USZ vom 14. April 2021 die Verweigerung einer (gesonderten) Entschädigung für Umkleidezeit für den Zeitraum ab 1. Mai 2014 bis 31. Juli 2019 bestätigte. Unbestritten ist diesbezüglich, wie das kantonale Gericht festhielt, dass der Arbeitnehmer auf Anweisung des Spitals Berufskleider tragen und sich vor Dienstantritt umziehen musste.

 

Umfang der Prüfung durch das Bundesgericht

Soweit die Verletzung von kantonalem Recht geltend gemacht wird, ist die Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts sofern keine gesetzliche Ausnahme besteht (Art. 95 lit. c-e BGG), gegenüber kantonalem Recht auf die Verletzung verfassungsmässiger Rechte, insbesondere auf Willkür (Art. 9 BV), beschränkt (Urteil 8C_203/2022 vom 8. August 2022 E. 2.2).

Gemäss Rechtsprechung ist ein Entscheid willkürlich, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht.

 

Anwendbares Recht

Das USZ ist eine Anstalt des kantonalen öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit. Als solche untersteht es gemäss Art. 2 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel vom 13. März 1964 (Arbeitsgesetz [ArG]; SR 822.11) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz vom 10. Mai 2000 (ArGV 1; SR 822.111) Umkehrschluss („e contrario“) – unter Vorbehalt von Art. 71 lit. b ArG – grundsätzlich den Vorschriften dieses Gesetzes und seiner Ausführungsverordnungen. Für den Arbeitnehmer als öffentlich-rechtlich Angestellten des USZ gelten sodann gemäss § 13 Abs. 2 USZG die Bestimmungen für das Staatspersonal, sofern das Personalreglement des Universitätsspitals Zürich vom 19. November 2008 (PR-USZ; LS 813.152) keine abweichenden Regelungen enthält. Anwendbar sind mithin grundsätzlich das Personalgesetz des Kantons Zürich vom 27. September 1998 (PG; LS 177.10), die Personalverordnung vom 16. Dezember 1998 (PVO; LS 177.11) und die Vollzugsverordnung zum Personalgesetz vom 19. Mai 1999 (VVO; LS 177.111).

 

Arbeitszeitreglement des USZ

Das Arbeitszeitreglement des USZ definiert die Arbeitszeit in Ziff. 6.1.1. Abs. 1, wie die Vorinstanz darlegte, als die Zeit, während der sich die Angestellten dem USZ für Arbeitsleistungen zur Verfügung zu halten haben, soweit nicht in Abs. 2 etwas anderes vorgesehen ist. Für nichtärztliches Personal legt Ziff. 6.3. Abs. 1 die wöchentliche Sollarbeitszeit für ein Vollpensum auf 42 Stunden fest, wobei die wöchentliche Höchstarbeitszeit gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung 50 Stunden beträgt. Seit 1. August 2019 sieht Ziff. 6.1.1. Abs. 2 lit. g des Arbeitszeitreglementes vor, dass die Zeit des An- und Abkleidens von Berufskleidern (=Umkleidezeit) zu Beginn und Ende einer Schicht unter Berücksichtigung der Berufsgruppenzugehörigkeit als Arbeitszeit gilt. Für die Berufsgruppe Pflege und MTTB (Medizinisch-technisch und -therapeutische Berufe), zu der auch der Beschwerdeführer gehört, heisst es: „Umkleidezeit im Früh-, Spät- und Tagesdienst in Dienstzeit integriert / für Nachtdienst erfolgt Zeitgutschrift von 15 Minuten pro Dienst“.

Demgegenüber hatte Ziff. 6.1.1. Abs. 2 lit. g der vorliegend massgebenden, im Zeitraum ab 1. Januar 2016 bis 31. Juli 2019 gültig gewesenen Arbeitszeitreglemente festgehalten, dass die Zeit des An- und Abkleidens von Berufskleidern zu Beginn und Ende einer Schicht nicht als Arbeitszeit gelte.

 

Entscheid des Verwaltungsgerichts

Das Verwaltungsgericht erwog im Wesentlichen, weder aus dem PG noch aus den dazugehörenden Verordnungen gehe hervor, ob Umkleidezeit als separat zu entschädigende Arbeitszeit zu qualifizieren sei oder nicht. Der Beschwerdegegner habe daher diesbezüglich eine eigene Regelung schaffen dürfen. In seinen Arbeitszeitreglementen ab 1. Januar 2016 bis 31. Juli 2019 finde sich eine Bestimmung, welche die Umkleidezeit von der bezahlten Arbeitszeit ausgenommen habe. Diese Regelung könne als Verschriftlichung der bereits vorher beim Beschwerdegegner bzw. in der ganzen Branche gelebten Praxis qualifiziert werden. Sie habe nicht gegen übergeordnetes Recht verstossen, weder gegen die Vorgaben des Arbeitsgesetzes oder der dazugehörenden Verordnungen noch gegen die kantonalen Personalerlasse. Die Vorinstanz kam daher zum Schluss, vor dem 31. Juli 2019 habe kein Anspruch bestanden, beim Beschwerdegegner für Umkleidezeit (gesondert) entschädigt zu werden.

 

Vor Bundesgericht

Der Arbeitnehmer rügte insbesondere, die vorinstanzliche Feststellung, wonach aus den kantonalen Bestimmungen nicht hervorgehe, ob Umkleidezeit als separat zu entschädigende Arbeitszeit zu qualifizieren sei, lasse sich auf keine sachlichen Gründe abstützen und sei offensichtlich unhaltbar. Die Vorinstanz sei diesbezüglich ihrer Begründungspflicht gemäss Art. 29 Abs. 2 BV nicht nachgekommen, indem sie nicht dargelegt habe, inwiefern der Begriff „Arbeitszeit“ gemäss Art. 116 PVO nicht demjenigen gemäss Art. 13 ArGV 1 entsprechen solle. Das USZ habe nicht eine eigene Regelung treffen und die Umkleidezeit von der Arbeitszeit ausnehmen dürfen. Wenn nicht die ganze Arbeitszeit hätte entschädigt werden sollen, hätte dies ausdrücklich schriftlich vereinbart oder bei einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber in gesetzeskonformer Weise geregelt werden müssen. Die vorinstanzliche Qualifikation der vorliegend massgebenden Bestimmungen des Arbeitszeitregelementes als gesetzeskonform verletze das Legalitätsprinzip und sei willkürlich. Ebenso willkürlich sei die Argumentation des kantonalen Gerichts betreffend die vor 2016 gelebte Praxis.

Das Bundesgericht verneinte diese Argumentation, wie auch schon im Entscheid BGer 8C_514/2020 vom 20. Januar 2021 im Zusammenhang mit dem Spital Limmattal:

6.1. Zum Vorwurf der Verletzung der Begründungspflicht durch die Vorinstanz ist vorab festzuhalten, dass es im Rahmen der aus dem Gehörsanspruch nach Art. 29 Abs. 2 BV fliessenden Begründungspflicht nicht erforderlich ist, dass sich die Behörde mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich die betroffene Person über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiter ziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 142 II 49 E. 9.2; 138 I 232 E. 5.1; Urteil 8C_682/2021 vom 13. April 2022 E. 4.2). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil insgesamt.  

 6.2. Zu prüfen sind sodann die Rügen der willkürlichen Rechtsanwendung sowie der Verletzung des Legalitätsprinzips:  

6.2.1. Gemäss § 11 Abs. 1 Satz 1 PVO bildet der Lohn das Entgelt für die gesamte amtliche Tätigkeit. Die Vorinstanz erwog, weder aus dem PG noch aus der PVO oder der VVO gehe hervor, ob Umkleidezeit als separat zu entschädigende Arbeitszeit zu qualifizieren sei. Dem Beschwerdegegner sei es daher nicht verwehrt gewesen, die Arbeitszeit so zu definieren, dass die „amtliche Tätigkeit“ im Sinne von § 11 Abs. 1 PVO erst mit dem Dienstantritt auf der Station oder im Operationssaal begann und mit dem Dienstende am entsprechenden Arbeitsort endete. Die Bestimmung von Ziff. 6.1.1. Abs. 2 lit. g der im Zeitraum ab 1. Januar 2016 bis 31. Juli 2019 gültig gewesenen Arbeitszeitreglemente könne als Verschriftlichung der (davor bereits) gelebten Praxis beim Beschwerdegegner qualifiziert werden. Denn schon vor Inkrafttreten der ausdrücklichen reglementarischen Ausnahme der Umkleidezeit von der Arbeitszeit am 1. Januar 2016 habe beim Beschwerdegegner bzw. in der ganzen Branche diese Praxis bestanden. Mit Blick darauf hielt das kantonale Gericht fest, eine gewollte, zusätzliche oder gesonderte Abgeltung der Umkleidezeit hätte ausdrücklich reglementarisch verankert werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, erweise sich der Ausschluss einer gesonderten Abgeltung der Umkleidezeit bis Ende Juli 2019 durch den Beschwerdegegner als zulässig.  

6.2.2. Der Erlass der vorliegend massgebenden Arbeitszeitreglemente des Beschwerdegegners mit der darin statuierten Ausnahme der Umkleidezeit von der zu entschädigenden Arbeitszeit erfolgte entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht durch den Beschwerdegegner, sondern durch den Spitalrat. Dieser ist gemäss § 11 Abs. 3 Ziff. 7 USZG denn auch das dafür zuständige Organ, weshalb keine Verletzung des Legalitätsprinzips im Sinne von Art. 5 Abs. 1 BV vorliegt.  

6.2.3. Willkür in der Rechtsanwendung wäre sodann auch betreffend der angewendeten kantonalrechtlichen Bestimmungen, namentlich § 11 PVO, nur gegeben, wenn das angefochtene Urteil nicht bloss in der Begründung, sondern auch im Ergebnis unhaltbar wäre. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar als zutreffender erschiene, genügt nicht, was hier nochmals betont sei (vgl. E. 2.3 hiervor). Insofern kann es nicht als geradezu unhaltbar qualifiziert werden, wenn sich das kantonale Gericht – wie zuvor bereits die Spitaldirektion und der Spitalrat – bei der Ergründung des Sinns einer vom Wortlaut her unbestimmt gehaltenen Regelung vorrangig davon leiten liess, wovon die Beteiligten und auch andere Spitäler sowie ihre Angestellten über Jahre ausgegangen waren. Dass die Vorinstanz den Sachverhalt hinsichtlich der gelebten Praxis willkürlich festgestellt hätte, wird nicht geltend gemacht und ist nicht ersichtlich. Überzeugend erscheint sodann entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers das Argument im angefochtenen Urteil, wonach mit Blick auf die nicht nur beim Beschwerdegegner gelebte, sondern offenbar geradezu branchenübliche Praxis eine gewollte, zusätzliche oder gesonderte Abgeltung der Umkleidezeit ausdrücklich reglementarisch zu verankern gewesen wäre (vgl. dazu auch Urteil 8C_514/2020 vom 20. Januar 2021 E. 5.2.3, in: ARV 2021 S. 46). Dass die auf das Arbeitszeitreglement des Beschwerdegegners in Verbindung mit dem kantonalen Personalrecht bezogene Annahme, die Umkleidezeit zähle nicht zur bezahlten Arbeitszeit, unhaltbar bzw. willkürlich wäre, ergibt sich schliesslich auch nicht daraus, dass sowohl die Rechtsprechung zum privaten Arbeitsrecht (vgl. BGE 124 III 249 E. 3b betreffend Bereitschaftsdienst) als auch Art. 13 Abs. 1 ArGV 1, ohne sich explizit zur Frage der Umkleidezeit zu äussern, im Wesentlichen Definitionen des Begriffs der Arbeitszeit vermitteln, welche die erwähnte Praxis in der Tat fraglich erscheinen lassen. Auch im Schrifttum finden sich diese Umschreibungen und darüber hinaus zumindest vereinzelt gar ausdrückliche Stellungnahmen zugunsten der Anrechenbarkeit der Umkleidezeit (vgl. DOMINIQUE YVES SCHLÄFLI, a.a.O., S. 50; ANDREAS PETRIK, Ist Umkleidezeit Arbeitszeit?, in: Pflegerecht – Pflege in Politik, Wissenschaft und Ökonomie 2019 S. 144 ff.; ohne spezifische Aussage: RUDOLPH/VON KAENEL, Aktuelle Fragen zur Arbeitszeit, in: AJP 2012 S. 197 ff.). Daraus lässt sich zwar – wie bereits im Urteil 8C_514/2020 vom 20. Januar 2021 E. 5.2.4 festgehalten – durchaus ableiten, dass es andere, ebenfalls vertretbare oder gar zutreffendere Lösungen gäbe. Das Arbeitszeitreglement des Beschwerdegegners wurde diesbezüglich denn auch per 1. August 2019 geändert (vgl. E. 3.3 hiervor). Es genügt jedoch nicht, um das vorinstanzliche Urteil als offensichtlich unhaltbar zu qualifizieren. 

 

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Autor: Nicolas Facincani

 

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