Zur Umsetzung der Pflegeinitiative hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 8. Mai 2024 den Entwurf eines neuen Bundesgesetzes über die Arbeitsbedingungen in der Pflege (BGAP) in die Vernehmlassung geschickt. Zudem startet der Bund mit den Kantonen am 1. Juli eine breite Ausbildungsoffensive, um die Zahl der Pflegefachleute zu erhöhen.

 

Umsetzung der Pflegeinitiative

Der Bedarf an professioneller Pflege wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Dies vor dem Hintergrund eines Mangels an Fachkräften, insbesondere im Pflegebereich. Um die Qualität der Pflege erhalten zu können, müssen mehr diplomierte Pflegefachleute ausgebildet und die Arbeitsbedingungen verbessert werden, damit die Fachleute länger im Beruf bleiben. Beides waren Forderungen der «Initiative für eine starke Pflege (Pflegeinitiative)», die am 28. November 2021 von der Stimmbevölkerung angenommen wurde und in zwei Etappen umgesetzt wird. Die erste konzentriert sich auf die Ausbildung und tritt am 1. Juli 2024 in Kraft. Die zweite Etappe widmet sich der Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der beruflichen Entwicklung in der Pflege. Der Gesetzesentwurf ist Gegenstand der Vernehmlassung.

Das Parlament hat am 16. Dezember 2022 das Bundesgesetz zur Förderung der Ausbildung im Bereich Pflege verabschiedet. Das Gesetz wird am 1. Juli 2024 in Kraft treten.

Die Vorlage beinhaltet Folgendes:

  • Die Ausbildungsoffensive, welche die Ausbildung der Pflegepersonen auf Tertiärstufe fördern und die Zahl der Bildungsabschlüsse in Pflege höhere Fachschule (HF) und in Pflege Fachhochschule (FH) erhöhen soll. Hier lesen Sie mehr zur Ausbildungsoffensive.
  • Die Möglichkeit, dass Pflegefachpersonen bestimmte Leistungen direkt, sprich ohne ärztliche Anordnung, zulasten der Sozialversicherungen abrechnen können. Hier erfahren Sie mehr zur direkten Abrechnung der Pflegeleistungen.
  • Das Förderprogramm «Effizienz in der medizinischen Grundversorgung» (EmGv). Hier lesen Sie mehr zum Förderprogramm EmGv.

Die rechtlichen Grundlagen der 1. Etappe treten am 1. Juli 2024 in Kraft. Am gleichen Tag wird ausserdem das Nationale Monitoring Pflegepersonal veröffentlicht. Das Monitoring soll ermöglichen, die Wirkung der im Rahmen der Umsetzung der Pflegeinitiative getroffenen Massnahmen regelmässig und langfristig zu überprüfen und stellt Bund und Kantonen Steuerungswissen zur Verfügung.

 

Ausbildungsoffensive

Um die Zahl der Abschlüsse in der Pflege zu erhöhen, starten Bund und Kantone Mitte Jahr eine breite Ausbildungsoffensive. Diese Ausbildungsoffensive besteht aus drei Teilen. Erstens unterstützen die Kantone Spitäler, Pflegeheime und Spitexorganisationen, die praktische Ausbildungsplätze für diplomierte Pflegefachkräfte anbieten, finanziell. Zweitens können sie Personen, die eine Pflegeausbildung an einer Fachhochschule oder höheren Fachschule absolvieren, bei Bedarf finanziell unterstützen. Drittens erhalten Fachhochschulen und höhere Fachschulen Zuschüsse, um zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen.

Grundlage ist das neue Ausbildungsförderungsgesetz Pflege, das der Bundesrat auf den 1. Juli 2024 in Kraft setzt. Ab diesem Zeitpunkt und befristet auf acht Jahre können die Kantone Bundesbeiträge beantragen. Der Bund beteiligt sich bis maximal zur Hälfte an den Kosten der Kantone. Insgesamt soll die Ausbildung im Bereich der Pflege durch Bund und Kantone während acht Jahren mit knapp einer Milliarde Franken gefördert werden.

Abrechnung der Leistungen

Um ein weiteres Anliegen der Pflegeinitiative zu erfüllen, können Pflegefachpersonen ab dem 1. Juli 2024 bestimmte Leistungen ohne ärztliche Anordnung zulasten der Sozialversicherungen abrechnen. Dazu wurde das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) entsprechend angepasst. Es handelt sich um Leistungen der Abklärung, Beratung und Koordination sowie der Grundpflege. Sollte es aufgrund der direkten Abrechnung zu einer Mengenausweitung der Leistungen und in der Folge zu einem Anstieg der Krankenkassenprämien kommen, müssen die Tarifpartner einen Kontrollmechanismus aushandeln.

 

Berufliche Entwicklung fördern

Um den Pflegeberuf attraktiver zu gestalten, sollen auch die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten verbessert werden. So sollen der Masterabschluss und das Berufsprofil der Pflegeexpertinnen und Pflegeexperten (Advanced Practice Nurse – APN) auf Bundesebene geregelt werden. Diese hochqualifizierten Fachleute können in der Grundversorgung wichtige Aufgaben übernehmen und damit die Pflegeteams, aber auch die Ärztinnen und Ärzte entlasten. Heute können APN ausschliesslich Pflegeleistungen gegenüber der obligatorischen Krankenpflegeversicherung oder anderen Sozialversicherungen abrechnen. Im Auftrag des Bundesrates prüft das BAG bis Ende 2025, ob und wie APN in Zukunft auch weitere Leistungen abrechnen können.

 

Monitoring Pflege

Ein Nationales Monitoring des Pflegepersonals soll ab Mitte 2024 messen, ob die verschiedenen Massnahmen zur Umsetzung der Pflegeinitiative Wirkung zeigen und Bund, Kantonen und Arbeitgebern ein Steuerungsinstrument zur Verfügung stellen. Gemessen werden beispielsweise die Zahl der offenen Stellen, die Zahl der Ausbildungsabschlüsse, die Fluktuationsrate, der Bestand der Pflegepersonen oder die Pflegequalität aus Sicht der Patientinnen und Patienten. Das Monitoring soll auf der Webseite des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan) veröffentlicht werden.

 

Neues Bundesgesetz über die Arbeitsbedingungen in der Pflege

Der Bundesrat will neben der Ausbildungsförderung auch die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessern und damit die weiteren Elemente der Initiative umsetzen. Er schickt dazu den Entwurf eines neuen Bundesgesetzes über die Arbeitsbedingungen in der Pflege (BGAP) in die Vernehmlassung. Bessere Arbeitsbedingungen sollen dazu beitragen, mehr Personen für den Pflegeberuf zu gewinnen und Pflegende länger im Beruf zu halten. Frühzeitige Berufsaustritte sind einer der Hauptgründe für den Personalmangel in der Pflege. Die Vernehmlassung zum neuen Gesetz über die Arbeitsbedingungen in der Pflege und zur Revision des Gesundheitsberufegesetz dauert bis zum 29. August 2024.

Das Gesetz soll die Arbeitsbedingungen in einigen zentralen Punkten verbessern und vereinheitlichen. Dazu gehört etwa die frühzeitige Ankündigung von Dienstplänen. Kurzfristige und ungeplante Arbeitseinsätze sind für Pflegende sehr belastend und werden häufig als Grund genannt, den Pflegeberuf zu verlassen. Um die Planbarkeit zu erhöhen und die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben zu verbessern, sollen Dienstpläne mindestens vier Wochen im Voraus festgelegt werden. Kurzfristige Anpassungen sind weiterhin möglich, müssen aber mit einem zeitlichen oder finanziellen Ausgleich abgegolten werden. Je kurzfristiger der Arbeitseinsatz ist, desto höher soll der Ausgleich sein. Durch die Reduktion der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von heute 50 auf neu 45 Stunden und einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von zwischen 38 und 42 Stunden soll die Gesundheit der Pflegenden geschützt werden.

 

Zehn Bereiche

Es sollen für zehn Bereiche Vorgaben zu den Arbeitsbedingungen festgelegt werden. Diese Vorgaben gehen teilweise über die geltenden Regeln des Arbeitsgesetzes (ArG) und des zwingenden Arbeitsvertragsrechts gemäss Obligationenrecht (OR) hinaus:

  • Wöchentliche Höchstarbeitszeit und Ausgleich von Überzeit
  • Wöchentliche Normalarbeitszeit
  • Ausgleich von Überstunden
  • Ausgleich von Nachtarbeit
  • Ausgleich der Sonn- und Feiertagsarbeit
  • Umkleidezeit
  • Mindestdauer und Entlöhnung von Pausen
  • Anrechnung und Ausgleich von Bereitschafts- und Pikettdienst
  • Ankündigung von Dienstplänen und Bereitschafts- und Pikettdienst
  • Kompensation für kurzfristige Einsätze

Die Vorgaben anderer Gesetze (insb. OR, ArG, kantonale Personalgesetze) bleiben grundsätzlich anwendbar. Das BGAP hat aber in den 10 genannten Bereichen Vorrang, da diese Regelungen über die Vorgaben in bestehenden Gesetzen hinausgehen bzw. für die Arbeitnehmenden günstiger ausfallen. Für Gesundheitsschutzbestimmungen wie etwa der Mutterschaftsschutz, die maximale Anzahl Arbeitstage in Folge oder Vorgaben zur Ergonomie am Arbeitsplatz für das Pflegepersonal gelten weiterhin zwingende Vorgaben aus anderen Gesetzen.

Allfällige Vorgaben in GAV und Einzelarbeitsverträgen, die zugunsten der Arbeitnehmenden von den Arbeitsbedingungen des Vorentwurfs des BGAP abweichen, bleiben aber weiterhin gültig bleiben.

 

Verhandlungspflicht für Gesamtarbeitsverträge

Mit dem neuen Bundesgesetz über die Arbeitsbedingungen in der Pflege können nur einzelne Punkte angegangen werden. Zusätzlich sind weitere Anstrengungen durch die Arbeitgeber, die Sozialpartner und die Kantone erforderlich, um für gute Arbeits- und Lohnbedingungen zu sorgen. Die Sozialpartner sollen deshalb verpflichtet werden, Gespräche zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen aufzunehmen und über Gesamtarbeitsverträge (GAV) zu verhandeln. Der Bundesrat schickt hierzu zwei Varianten in die Vernehmlassung. Gemäss Variante 1, die der Bundesrat präferiert, soll es zulässig sein, in einem GAV von den Vorgaben des neuen Bundesgesetzes abzuweichen. Variante 2 sieht vor, dass die neuen Vorgaben nicht unterschritten werden dürfen.

 

Weitere Beiträge zu Gesamtarbeitsverträgen:

 

Autor: Nicolas Facincani

 

 

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