Im Rahmen eines Strafverfahrens gegen eine Arbeitnehmerin (BGer 7B_36/2023 vom 25. April 2024) wollte einer Arbeitgeberin auch zivilrechtliche Ansprüche adhäsionsweise geltend machen. Diesem Entscheid lag der folgende Sachverhalt zugrunde:

Die A. AG (Arbeitgeberin) ist ein Hausverwaltungsunternehmen mit Sitz in Zürich und mehreren Zweigniederlassungen. Die Ehegatten B. waren beide bei der A. AG in einem Vollpensum angestellt: die Ehefrau C.B. als Reinigungsmitarbeiterin auf dem Objekt „U. “ in V., der Ehemann B.B. als Objekt-Manager im Bereich der Spezialreinigungen.

Mit Eingabe vom 31. Oktober 2019 reichte die A. AG bei der Staatsanwaltschaft Baden Strafanzeige gegen die Ehegatten B. wegen Betrugs, eventualiter betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage etc. ein.

 

Adhäsionsweise Geltendmachung von Ansprüchen in Strafverfahren

Das Adhäsionsverfahren wird auch als Zivilklage im Strafverfahren bezeichnet. Dieses Verfahren erlaubt es einem Opfer einer Straftat, zivilrechtliche Ansprüche, wie Schadensersatz oder Schmerzensgeld, direkt im Rahmen des Strafverfahrens geltend zu machen.

 

Ziele und Vorteile

  • Effizienz: Zivilrechtliche Ansprüche können zusammen mit dem Strafverfahren verhandelt werden, was Zeit und Kosten spart.
  • Erleichterte Beweiserhebung: Die im Strafverfahren gewonnenen Beweise können auch für die Zivilklage verwendet werden.
  • Verfahrensökonomie: Es verhindert parallele Verfahren und entlastet die Justiz.

 

Beispiel

Nehmen wir an, jemand wird Opfer eines Betrugs. Der Geschädigte kann sich im Strafverfahren als Privatkläger anschließen und gleichzeitig seine finanziellen Ansprüche geltend machen. Das Strafgericht kann dann nicht nur über die strafrechtliche Schuld des Täters entscheiden, sondern auch festlegen, dass dieser den Schaden ersetzen muss. Wenn das Gericht der Meinung ist, dass die zivilrechtliche Frage zu komplex ist, kann es den Geschädigten auf den ordentlichen Zivilweg verweisen.

 

Entscheid 7B_36/2023 vom 25. April 2024

Im Entscheid 7B_36/2023 vom 25. April 2024 hatte sich das Bundesgericht mit der Frage zu befassen, ob auch Ansprüche, die auf einem Vertrag beruhen, mittels im Strafverfahren adhäsionsweise erhobener Zivilklage geltend gemacht werden können, was es verneinte:

Die im Strafverfahren gestellten Zivilforderungen (Schadenersatz, Genugtuung) stützen sich meist auf den Rechtstitel der unerlaubten Handlung (Art. 41 ff. und 47 f. OR; Art. 58 und 62 SVG). Weitere mögliche Anspruchsgrundlagen sind die Persönlichkeitsrechte (Art. 28 ff. ZGB), die Eigentums- (Art. 641 ZGB) und Besitzesrechte (Art. 927, 928 und 934 ZGB) oder auch Art. 9 und 23 UWG (BGE 148 IV 432 E. 3.1.3 mit Hinweisen). Zivilansprüche, die auf einem Vertrag beruhen, können hingegen nicht Gegenstand einer adhäsionsweise erhobenen Zivilklage im Strafverfahren sein. Denn soweit jemand einen vertraglichen Anspruch besitzt, ist er nicht geschädigte Person (Art. 115 Abs. 1 StPO), weil sich die Forderung nicht auf eine unmittelbar durch die Straftat verursachte Verletzung von Rechten stützt (BGE 148 IV 432 E. 3.2 und 3.3; Urteile 6B_57/2021 vom 27. April 2023 E. 4.2.2; 6B_602/2020 vom 29. März 2023 E. 3.1). 

 

Mit Bezug auf den konkreten Sachverhalt führte das Bundesgericht das Folgende aus:

1.2. Zwischen der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin 2 besteht ein Arbeitsvertrag. Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe der Beschwerdegegnerin 2 den Lohn „voll ausbezahlt“, obwohl diese „ihrer Arbeitspflicht nicht entsprechend nachgekommen sein“ könne und „ihre Aufgaben im Objekt ‚U.________‘ zur Verschleierung ihrer Untätigkeit teils durch andere Personen erledigt“ worden seien. „Durch den zu viel ausbezahlten Lohn“ sei der Beschwerdeführerin ein Schaden entstanden.  

Ob der angeblich zu viel bezahlte Lohn einen Schaden (damnum emergens) im haftpflichtrechtlichen Sinne darstellt, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls handelt es sich beim geltend gemachten Zivilanspruch um einen solchen aus Arbeitsvertrag, der nicht Gegenstand einer Adhäsionsklage im Strafprozess sein kann. Nach der Rechtsprechung (oben E. 1.1 in fine) ist jemand, der einen vertraglichen Anspruch besitzt, nicht geschädigte Person (Art. 115 Abs. 1 StPO), weil sich die Forderung nicht auf eine unmittelbar durch die Straftat verursachte Verletzung von Rechten stützt. […].

 

Autor: Nicolas Facincani

 

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