Im Verfahren BGer 4A_44/2024 vom 11. Juni 2024 hatte sich das Bundesgericht mit einem Fall zu befassen, wo die Arbeitgeberin ihre Lohnzahlungspflicht mit der Begründung bestritt, der Arbeitnehmer habe seine Arbeitsleistung nicht für sie, sondern für Drittpersonen erbracht.

Mit Klage vom 6. April 2023 beantragte der Arbeitnehmer, die Arbeitgeberin sei zu verpflichten, ihm Fr. 25’530.45 brutto Lohn (inklusive 13. Monatslohn, Ferien- und Überzeitentschädigung), Fr. 83.10 netto Spesen sowie Fr. 600.– Kinderzulagen, jeweils nebst Zins, zu bezahlen.

 

Verfahren vor der Vorinstanz

Die Vorinstanz hatte festgestellt, dass die Arbeitgeberin ihre Lohnzahlungspflicht bestreite. Sie begründete dies damit, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht für sie, sondern für Drittpersonen erbracht habe. Massgeblich sei jedoch, ob er seine Leistungen in Erfüllung des Arbeitsvertrags erbracht habe. Gemäss dem Arbeitsvertrag hatte der Arbeitnehmer die Aufgaben der Planung und Projektleitung von stationären Löschsystemen zu erfüllen. Der Arbeitsvertrag enthält keine Angaben zu den Projekten oder Bestellern, für die der Arbeitnehmer tätig war. Der Arbeitsvertrag musste durch Weisungen konkretisiert werden. Im erstinstanzlichen Verfahren habe der Arbeitnehmer behauptet, er habe seine Leistungen gemäss Weisungen von G.________ (damaliger Geschäftsführer der Arbeitgeberin) erbracht. Die Arbeitgeberin habe diese Behauptung vor der Erstinstanz nicht bestritten. Die erstmalige Bestreitung in der Berufung sei verspätet. Es muss jedoch geprüft werden, ob diese Weisungen der Arbeitgeberin zuzurechnen seien.

Die Arbeitgeberin behaupte, die Leistungen des Arbeitnehmers hätten Projekte der D.________ AG betroffen. Dass die Leistungen des Arbeitnehmers Projekte einer anderen Gesellschaft betroffen haben sollen, bedeutet nicht, dass die Weisungen ihres Geschäftsführers ihren Interessen widersprochen hätten. Dies wäre erst der Fall gewesen, wenn sie für die Leistungen des Arbeitnehmers keine angemessene Entschädigung erhalten hätte. In diesem Fall hat ihr Geschäftsführer zwar seine Vertretungsbefugnis überschritten, seine Vertretungsmacht sei aber nur dann entfallen, wenn der Arbeitnehmer erkannt oder bei gebührender Sorgfalt hätte erkennen müssen, dass diese Weisungen den Interessen der Arbeitgeberin zuwiderliefen. Im erstinstanzlichen Verfahren habe sie nicht behauptet, der Arbeitnehmer habe gewusst oder hätte wissen müssen, dass er seine Leistungen für Projekte einer anderen Gesellschaft erbracht habe, oder die Weisungen den Interessen der Arbeitgeberin widersprochen haben sollen. Die Berufung der Arbeitgeberin, in der erstmals geltend gemacht wird, der Arbeitnehmer könne sich nicht auf guten Glauben berufen, weil er gewusst habe, für wen er tätig gewesen sei, und es sehe danach aus, dass er an ihrer Schädigung teilgenommen habe, ist verspätet.

 

Entscheid des Bundesgerichts

Das Bundesgericht wie dies Beschwerde der Arbeitgeberin ab:  Die Arbeitgeberin führe selbst an, dass der Arbeitnehmer im erstinstanzlichen Verfahren auf Nachfrage erklärt habe, er habe auch von G.________ Weisungen erhalten und befolgt. Vor diesem Hintergrund sei nicht ersichtlich, weshalb die vorinstanzliche Feststellung, dass der Arbeitnehmer behauptet habe, er habe seine Leistungen gemäß Weisungen von G.________ erbracht, offensichtlich unrichtig sein soll.

Weiter zeige die Arbeitgeberin nicht hinreichend mit präzisem Hinweis auf das (mit Seitenzahlen nummerierte) Verhandlungsprotokoll auf, wo der Arbeitnehmer im erstinstanzlichen Verfahren die Aussage getätigt haben soll, er habe E.________ als seinen Chef betrachtet und Weisungen von diesem befolgt. Vielmehr ergebe sich aus dem Verhandlungsprotokoll, dass der Arbeitnehmer folgendes ausgesagt habe: „Herr G.________ war unser Chef und er hat die Arbeit zugewiesen“. Ebenso wenig zeige die Arbeitgeberin mit präzisem Aktenhinweis auf, dass sie – entgegen der Feststellung der Vorinstanz – im erstinstanzlichen Verfahren prozesskonform mit Nichtwissen bestritten hätte, dass der Arbeitnehmer seine Leistungen gemäß Weisungen ihres ehemaligen Geschäftsführers erbracht hat. Damit würden ihre Ausführungen zur Zulässigkeit des Bestreitens mit Nichtwissen von vornherein an der Sache vorbeizielen. Schließlich vermöge die Arbeitgeberin nicht darzutun, dass sie im erstinstanzlichen Verfahren – entgegen den Feststellungen der Vorinstanz – rechtzeitig einen Grund für das Entfallen der Vertretungsmacht von G.________ behauptet hätte.

 

Kritik an vorinstanzlicher Beweiswürdigung

Die Arbeitgeberin hatte die Beweiswürdigung der Vorinstanz kritisiert.

Hier ist zu beachten, dass das Bundesgericht in diese nur eingreift, wenn sie willkürlich ist. Die Beweiswürdigung ist mithin nicht schon dann willkürlich, wenn sie nicht mit der Darstellung der beschwerdefähigen Partei übereinstimmt, sondern bloss, wenn sie offensichtlich unhaltbar ist (BGE 141 III 564 E. 4.1; 140 III 16 E. 2.1; 135 II 356 E. 4.2.1). Dies ist dann der Fall, wenn das Gericht Sinn und Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkannt hat, wenn es ohne sachlichen Grund ein wichtiges und entscheidungserhebliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen oder wenn es auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen hat (BGE 140 III 264 E. 2.3; 137 III 226 E. 4.2; 136 III 552 E. 4.2).

Inwiefern die Beweiswürdigung willkürlich sein soll, ist in der Beschwerde klar und detailliert aufzuzeigen (BGE 140 III 264 E. 2.3; 134 II 244 E. 2.2). Namentlich genügt es nicht, einzelne Beweise anzuführen, die anders als im angefochtenen Entscheid gewichtet werden sollen, und dem Bundesgericht in appellatorischer Kritik die eigene Auffassung zu unterbreiten, als ob diesem freie Sachverhaltsprüfung zukäme (vgl. BGE 140 III 264 E. 2.3).

 

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Autor: Nicolas Facincani

 

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