Erneut hatte sich das Bundesgericht im Entscheid 4A_222/2024 vom 16. Juli 2024 mit der Frage der Zulässigkeit der Abgeltung des Ferienlohne mit dem laufenden Lohn zu befassen.

Mit Klage vom 16. April 2021 beantragte eine Arbeitnehmerin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses beim Einzelgericht des Arbeitsgerichts Zürich, die Arbeitgeberin sei zu verpflichten, ihr Fr. 27’873.35 brutto nebst Zins zu bezahlen. Die Arbeitnehmerin stellte sich einerseits auf den Standpunkt, die Abgeltung des Ferienlohns mit dem laufenden Lohn sei unzulässig gewesen, weshalb die Arbeitgeberin ihr den Ferienlohn für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses in der Höhe von Fr. 18’411.35 brutto nachzuzahlen habe, was vom Arbeitsgericht und hernach vom Obergericht geschützt wurde.

 

Erwägungen des Obergerichts

Die Vorinstanz erwog, die Parteien hätten am 25. September 2017 einen schriftlichen, als Arbeitsvertrag bezeichneten Vertrag abgeschlossen, in dem die Ferienentschädigung weder betragsmässig noch prozentual ausgewiesen sei. Dieser Vertrag regle nicht bloss rudimentäre Eckpunkte, sondern beinhalte die essentialia negotii eines Arbeitsvertrags. Wie die Erstinstanz zutreffend festgehalten habe und auch die Beschwerdeführerin nicht bestreite, sei der für die Ferien bestimmte Lohnanteil allein in den einzelnen Lohnabrechnungen, nicht aber im Arbeitsvertrag betragsmässig bzw. durch Angabe eines Prozentsatzes ausgewiesen. Damit fehle es an einer gültigen Abrede über die Abgeltung des Ferienlohns mit dem laufenden Lohn im Arbeitsvertrag.

Es lägen auch keine besonderen Umstände bzw. kein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Arbeitnehmerin vor, das die Arbeitgeberin – in Abweichung zur konstanten bundesgerichtlichen Rechtsprechung (siehe nachfolgend) – von ihrer Zahlungspflicht befreien könnte. Gegen die erstinstanzliche Berechnung des Ferienlohns habe die Arbeitgeberin nichts vorgebracht. Deren Berufung sei abzuweisen und der erstinstanzliche Entscheid hinsichtlich des Ferienlohnanspruchs (Fr. 16’215.70 netto) zu bestätigen.

 

Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Abgeltung des Ferienlohnes mit dem laufenden Lohn

Mit der Begründung, dass die Durchsetzung des Verbots der Abgeltung des Ferienlohns mit dem laufenden Lohn bei unregelmässigen Beschäftigungen Schwierigkeiten bereiten könne, hat das Bundesgericht eine Abgeltung in solchen Fällen in Abweichung vom Gesetzestext ausnahmsweise zugelassen, dies aber an eine materielle und zwei formelle Voraussetzungen geknüpft: Erstens muss es sich um eine unregelmässige Beschäftigung ( „une activité irrégulière“) handeln. Zweitens muss der für die Ferien bestimmte Lohnanteil klar und ausdrücklich ( „clairement et expressément“) ausgeschieden sein, sofern ein schriftlicher Arbeitsvertrag vorliegt. Drittens muss in den einzelnen schriftlichen Lohnabrechnungen der für die Ferien bestimmte Lohnanteil in diesem Sinne ausgewiesen werden. Der blosse Hinweis „Ferienlohn inbegriffen“ genügt damit nicht. Erforderlich ist, dass der Ferienlohn durch Angabe eines bestimmten Betrags oder eines Prozentsatzes als solcher erscheint und zwar sowohl im Arbeitsvertrag als auch auf den einzelnen Lohnabrechnungen (zum Ganzen: BGE 149 III 202 E. 2.2.1; 129 III 493 E. 3.2 f., 664 E. 7.2; vgl. auch Urteile 4A_532/2021 vom 27. Dezember 2021 E. 5.1; 4A_158/2021 vom 11. November 2021 E. 4.1; 4A_619/2019 vom 15. April 2020 E. 3.1).

Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, muss der Arbeitgeber den auf die Ferien entfallenden Lohn bezahlen. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer die ihm zustehenden Ferien tatsächlich bezogen hat, ändert daran nichts (BGE 149 III 202 E. 2.2.1 129 III 493 E. 5.2, 664 E. 7.2; zit. Urteile 4A_532/2021 E. 5.1; 4A_158/2021 E. 4.1). Der Arbeitnehmer, der bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses den Ferienlohn gestützt auf die zwingende Bestimmung von Art. 329d Abs. 1 OR einfordert, handelt nicht rechtsmissbräuchlich (BGE 129 III 493 E. 5.2; zit. Urteil 4A_158/2021 E. 4.1; Urteil 4A_561/2017 vom 19. März 2018 E. 4.1). Etwas anderes kann unter besonderen Umständen gelten, wenn der Arbeitnehmer während seiner Ferien tatsächlich eine Form der Vergütung erhalten hat (zit. Urteile 4A_158/2021 E. 4.1; 4A_561/2017 E. 4.1; je mit Hinweisen).

 

Erwägungen des Bundesgerichts

Was die Arbeitgeberin gegen die Erwägungen des Obergerichts einwendete, vermochte vor Bundesgericht nicht zu überzeugen. Die Arbeitgeberin tat nämlich nicht hinreichend dar, weshalb sie vorliegend davor hätte dispensiert sein sollen, der für die Ferien bestimmte Lohnanteil im schriftlichen Vertrag vom 25. September 2017 betragsmässig bzw. durch Angabe eines Prozentsatzes auszuweisen.

Wenn sie rügt, die Vorinstanz habe verkannt, dass der besagte Vertrag bloss als Rahmenvertrag qualifiziert werde und für die einzelnen Einsätze jeweils neue, mündliche Arbeitsverträge abgeschlossen worden seien, ist ihr nicht zu folgen. Wie die Beschwerdegegnerin zu Recht ausführt, hätten die Parteien damit eine Vielzahl an einzelnen Arbeitsverträgen abgeschlossen. Ein solches Vorgehen liegt nicht auf der Hand. Im Übrigen dürfte ein solches Vorgehen ohnehin nicht dazu führen, dass die strengen Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Abgeltung des Ferienlohns mit dem laufenden Lohn umgangen werden können. Fehl geht auch der Einwand, die Vorinstanz habe nicht begründet, weshalb der betreffende Vertrag als Arbeitsvertrag qualifiziert werde. Bereits die Erstinstanz (auf deren Erwägungen die Vorinstanz verwies) erwog, der besagte Vertrag regle namentlich den zeitlichen Rahmen der Arbeitszeit, die Probezeit sowie die Kündigungsmodalitäten. Auch die Entlöhnung ist im besagten Vertrag bereits festgelegt. Nichts ändert, dass der betreffende Vertrag festgehalten haben soll, ein Anspruch auf Beschäftigung in einem bestimmten Umfang bestehe nicht.  

Zusammenfassend hat die Vorinstanz ohne Verletzung von Bundesrecht erwogen, es fehle an der Voraussetzung, dass die Ferienlohnentschädigung auch im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 25. September 2017 betragsmässig oder prozentual ausgewiesen sein müsse. Damit muss nicht auf die Frage eingegangen werden, ob die übrigen Voraussetzungen von Art. 329d OR vorliegend überhaupt erfüllt wären. Immerhin ist festzuhalten, dass die Zulässigkeit einer Abgeltung des Ferienlohns mit dem laufenden Lohn durch das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung nur unter sehr engen Grenzen überhaupt als zulässig erachtet wurde.

 

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Autor: Nicolas Facincani 

 

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