Im Verfahren, welches zu BGer 229/2024 vom 24. Juli 2024 führte, war umstritten, ob zwischen zwei Parteien ein befristetes Arbeitsverhältnis entstanden war.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:

 

Sachverhalt

Die Beklagte beabsichtigte im Jahr 2020, in der Schweiz eine Gesellschaft mit der Firma „C.________“ zu gründen. Hierfür suchte sie einen Geschäftsführer. Ein zur Suche von Führungskräften spezialisiertes Unternehmen schlug der Beklagten vor, den Kläger als Geschäftsführer der neuen Gesellschaft einzusetzen.

Mit Schreiben vom 15. August 2020 teilte der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger mit, dass sich die Beklagte freuen würde, dem Kläger ihr Angebot für die Position als Geschäftsführer von C.________ bestätigen zu können („We are very pleased to confirm our offer for you to become CEO of C.________“). Zudem hielt der Geschäftsführer der Beklagten fest, dass der Kläger in den ersten drei Monaten dieser Tätigkeit über eine Lohnbuchhaltungsfirma in der Schweiz angestellt sein werde, bis die finanziellen Mittel für die Kapitalisierung des Unternehmens als unabhängige Einheit aufgebracht seien („For the first three months of this role, you will be contracted via a payroll company in Switzerland until the finances have been raised to capitalise C.________ as an independent entity.“). Ferner wurden für die ersten drei Monate der Vertragslaufzeit folgende Konditionen geregelt: (1.) Anstellung als CEO; (2.) Arbeitsort in der Schweiz mit häufigen Reisen in ganz Europa und Nordamerika; (3.) dreimonatige Beschäftigungsdauer ab 1. September 2020; (4.) Kündigungsfrist von 30 Tagen; (5.) Bruttolohn von monatlich Fr. 21’500.00.–, wovon („out of which“) sämtliche Sozialversicherungsabgaben und Steuern von der ausgewählten Lohnbuchhaltungsfirma im Namen des Arbeitnehmers zu zahlen sind; (6.) Antrittsbonus von Fr. 21’500.00.–; (7.) monatlicher Ersatz von angemessenen Auslagen sowie (8.) Ferienanspruch von zwei Tagen pro Monat.

Der Kläger hatte bereits ab Juli 2020 verschiedene Arbeiten erledigt, wobei zwischen den Parteien umstritten ist, in welchem Umfang und für welche Gesellschaften der Kläger in dieser Zeit tätig war. Lohnzahlungen bzw. sonstige Vergütungen seitens der Beklagten blieben aus.

Entscheid der Vorinstanz

Das Obergericht des Kantons Zug wies die dagegen erhobene Berufung ab:

Die Vorinstanz erwog mit Verweis auf die Vertragsauslegung der Erstinstanz, dass in objektiver Auslegung des Verhaltens der Beschwerdeführerin (=Beklagte) und des Schreibens vom 15. August 2020 der Beschwerdegegner (=Kläger) davon ausgehen durfte und musste, dass zwischen den Parteien ein befristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei. Gemäss der Vorinstanz vermag die Beschwerdeführerin dieser Begründung nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen; so handle es sich beim Schreiben vom 15. August 2020 gemäss Wortlaut („confirm“) um ein Bestätigungsschreiben und nicht um ein „offer letter“. Nicht nachvollziehbar und ohnehin novenrechtlich unzulässig seien die Behauptungen der Beschwerdeführerin zur Rolle einer „payroll company“ als Vertragspartnerin des Beschwerdegegners in einem Dreiparteienverhältnis. Hinsichtlich der Dauer des Arbeitsverhältnisses erwog die Vorinstanz mit Verweis auf die Begründung der Erstinstanz, dass keine Anhaltspunkte für eine einvernehmliche Vertragsaufhebung vorliegen würden und der Beschwerdegegner mangels Lohnzahlung berechtigt gewesen sei, seine Arbeit niederzulegen. Mit dieser Begründung setze sich die Beschwerdeführerin nicht auseinander. Nicht gehörig begründet sei auch der Einwand, der Beschwerdegegner habe die Arbeit nicht angetreten; die Erstinstanz habe dies mit Verweis auf diverse Belegstellen widerlegt. Die Einrede der Beschwerdeführerin einer „Nichterfüllung mittels Verrechnung“ erfolge ebenfalls verspätet und sie würde damit ohnehin auch keine Verrechnungsforderung geltend machen. Die Beschwerdeführerin setze sich des Weiteren auch nicht mit der erstinstanzlichen Begründung zu den Auslagen auseinander und zweifle zu Unrecht an der „allgemeinen Glaubwürdigkeit“ des Beschwerdegegners.

Entscheid des Bundesgerichts

Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab:

4.1. Die Beschwerdeführerin moniert, die Erstinstanz habe in der Begründung erwähnt, dass die Beschwerdeführerin jegliche Vergleichsgespräche abgelehnt habe und die Vorinstanz habe dies als nicht aussergewöhnlich gewürdigt. Die Vorinstanz und die Erstinstanz legten damit offen, dass ihnen eine Vergleichsbereitschaft wichtig wäre und manifestierten damit ihre Befangenheit. Richtig ist, dass die Erstinstanz die Prozessgeschichte gemäss Protokoll festgestellt und erklärt hat, weshalb im Anschluss an die Parteibefragung keine Vergleichsgespräche geführt wurden. Die vollständige und sachliche Wiedergabe dieses Prozesssachverhalts im erstinstanzlichen Entscheid lässt keinerlei Anschein einer Befangenheit erwecken. Die Rückschlüsse auf eine Bewertung der Prozesshandlungen der Parteien durch die Vorinstanzen, welche die Beschwerdeführerin andeutet, entbehren einer Grundlage und der Vorwurf einer Befangenheit ist haltlos.  

4.2. Entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin hat die Vorinstanz das rechtliche Gehör nicht verletzt, indem sie hinsichtlich der Vertragsauslegung auf die erstinstanzlichen Erwägungen verwiesen hat. Zum einen ist ein solcher Verweis auf die Begründung der Erstinstanz bundesrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden und hat einzig zur Folge, dass die erstinstanzlichen Erwägungen Teil des vorinstanzlichen Entscheides werden und das Bundesgericht gleich binden, wie wenn die Erwägungen im vorinstanzlichen Entscheid selbst enthalten wären (BGE 126 III 492 E. 3; Urteile 5A_88/2020 vom 11. Februar 2021 E. 3.4; 4A_477/2018 und 4A_481/2018 vom 16. Juli 2019 E. 3.2.1). Andererseits beschränkt sich die vorinstanzliche Begründung nicht auf diesen Verweis, sondern geht auf die Kritik der Beschwerdeführerin ein und verwirft diese als nicht stichhaltig. Die Beschwerdeführerin wiederum setzt sich damit nicht hinreichend auseinander, sondern hält der vorinstanzlichen Begründung einzig die wortgleiche Begründung entgegen, die sie bereits in der Berufungsbegründung vorgetragen hatte. Dies ist unzulässig. 

4.3. Die Beschwerdeführerin wendet ein, die Vorinstanz habe ihre Vorbringen zur Garantie eines Arbeitsverhältnisses durch eine Drittpartei zu Unrecht als Novum aus dem Recht gewiesen. Dabei handle es sich um eine rechtliche Qualifikation, die auch noch im Beschwerdeverfahren vorgetragen werden könne. Abgesehen davon, dass es sich dabei um eine selbstständig tragende Eventualbegründung der Vorinstanz handelt, übersieht die Beschwerdeführerin, dass die Tatsachenbehauptungen, die der rechtlichen „Qualifikation“ eines Dreiparteienverhältnisses zugrunde liegen, im Berufungsverfahren nur unter den Voraussetzungen von Art. 317 ZPO zu berücksichtigen sind. Inwiefern die Vorinstanz diese Voraussetzung bundesrechtswidrig angewendet haben soll, begründet die Beschwerdeführerin ebenfalls nicht hinreichend, sondern bestreitet pauschal, die Behauptungen verspätet vorgetragen zu haben.

 

Weitere Beiträge zur Qualifikation von Vereinbarungen:

 

Autor: Nicolas Facincani

 

 

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