Dem Streitwert einer Klage kommt in verschiedener Hinsicht Bedeutung zu. So kann er etwa für die sachliche Zuständigkeit (Einzelgericht, Kollegialgericht, ect.) oder die Verfahrensart (einfaches oder ordentliches Verfahren) relevant sein. Auch die Höhe der Gerichtskosten und Parteientschädigungen hängen vom Streitwert ab. Ebenso wird die Frage, ob ein Verfahren kostenlos ist oder welche Rechtsmittel möglich sind, zum Teil aufgrund des Streitwerts entschieden.

Im Zusammenhang mit Zeugnisstreitigkeiten stellt sich immer wieder die Frage, welcher Streitwert einem Arbeitszeugnis zuzumessen ist. So auch im vorliegenden Entscheid des Bundesgerichts BGer 1C_320/2024 vom 6. September 2024.

 

Sachverhalt

Dem Entscheid des Bundesgerichts Entscheid des Bundesgerichts BGer 1C_320/2024 vom 6. September 2024 lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein Arbeitnehmer arbeitete seit dem 1. Januar 2015 als Finanzmarktanalyst mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag und einem Beschäftigungsgrad von 100 %, seit dem 1. April 2019 von 80 %, in der Abteilung Wirtschaftskriminalität der Bundesanwaltschaft. Nach der Kündigung war insbesondere der Wortlaut des Arbeitszeugnisses strittig und es konnte keine Einigung erzielt werden. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte der Arbeitnehmer im Rahmen eines Verfahrens die Bundesanwaltschaft anzuweisen, ihm ein Arbeitszeugnis mit dem von ihm beantragten Wortlaut auszustellen. Da allerdings das Bundesverwaltungsgericht den Anträgen nur teilweise folgte, wollte der Arbeitnehmer ans Bundesgericht gelangen. Allerdings stellte sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob der notwendige Streitwert von CHF 15’000 erreicht war.

 

Streitwertgrenze

Nach konstanter Rechtsprechung sind Streitigkeiten über die Ausstellung oder Formulierung eines Arbeitszeugnisses aus dem öffentlichen Personalrecht vermögensrechtlicher Natur (BGE 74 II 43; Urteile 8C_595/2020 vom 15. Februar 2021 E. 1.2; 8C_701/2019 vom 16. Januar 2020 E. 1.2; 8C_134/2018 vom 17. September 2018 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 144 II 345; je mit Hinweisen).

In vermögensrechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiet der öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisse ist die Beschwerde nur dann zulässig, wenn der Streitwert mindestens Fr. 15’000.– beträgt (Art. 85 Abs. 1 lit. b BGG) oder wenn sich eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (Art. 85 Abs. 2 BGG).

 

Argumentation des Arbeitnehmers zum Streitwert

Nach Angaben des Arbeitnehmers betrug sein Gehalt in seiner Anstellung im April 2018 Fr. 127’502.70 pro Jahr bzw. Fr. 10’625.17 pro Monat. Er sei dort vom 1. Januar 2015 bis 30. November 2020 als Analyst Finanzmarktdelikte tätig gewesen; er suche wieder eine Stelle als Analyst, habe allerdings bisher keine Stelle gefunden. Bei der Festlegung des Streitwerts würden nebst dem Lohn namentlich die Tätigkeit, welche er ausgeübt habe, und die Anstellung, welche er suche, ins Gewicht fallen. Hier sei insbesondere die anspruchsvolle Tätigkeit, welche hohe Qualifikationen voraussetzte, und die beschränkte Zahl der Stellen auf dem Arbeitsmarkt für die spezifische Tätigkeit als Analyst zu berücksichtigen. Die rechtlichen Mängel des Zeugnisses, gerade auch wegen der nun vor Bundesgericht gerügten Passagen, hätten die Stellensuche erheblich beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigung gehe über die Stellensuche im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Arbeitgeberin hinaus, da potenzielle Arbeitgeber auch bei künftigen Stellensuchen des Arbeitnehmers das Arbeitszeugnis zur Tätigkeit bei der Arbeitgeberin mit in ihren Entscheid einbeziehen würden. Der Streitwert sei unter diesen Umständen „deutlich höher anzusetzen als 3 Monatslöhne“ und übersteige die massgebliche Streitwertgrenze von Fr. 15’000.– gemäss Art. 85 Abs. 1 lit. b BGG jedenfalls deutlich.

 

Das Bundesgericht zum Streitwert

Das Bundesgericht bestätigte, dass die Schätzung des Streitwerts eines Arbeitszeugnisses gelegentlich schwierig sein möge; das sei aber kein Grund, die Schätzbarkeit überhaupt zu verneinen (BGE 74 II 43). Das Bundesgericht hat bis anhin darauf verzichtet, in Anlehnung an die Praxis der kantonalen Gerichte generelle Kriterien zur Bemessung des Streitwerts festzulegen (zur Praxis in den Kantonen vgl. Streiff/von Kaenel/Rudolph, Arbeitsvertrag: Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 7. Aufl. 2012, N. 6 zu Art. 330a OR; Rehbinder/Stöckli, in: Berner Kommentar, 2010, N. 23 zu Art. 330a OR); es bestimmt den Streitwert unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls (vgl. Urteile 8C_553/2022 vom 13. Januar 2023 E. 2.4; 4A_2/2019 vom 13. Juni 2019 E. 7; je mit Hinweisen).

Im Urteil 8C_151/2010 vom 31. August 2010 setzte sich das Bundesgericht eingehend mit der bisherigen Rechtsprechung und der Doktrin zur Streitwertbemessung bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit Arbeitszeugnissen auseinander. Es wies darauf hin, dass in einem älteren Entscheid das Kriterium des beruflichen Fortkommens der Arbeitnehmenden hervorgehoben wurde. Weiter erachtete es die von den kantonalen Behörden herangezogenen Bewertungskriterien, wie die berufliche Stellung der Arbeitnehmenden, die bisher ausgeübten Funktionen, die Dauer des Arbeitsverhältnisses und das Gehalt, als relevant. Es kam zum Schluss, dass der Wert eines Arbeitszeugnisses nicht losgelöst vom konkreten Fall auf einen Bruchteil oder ein Mehrfaches des Monatslohnes festgesetzt werden könne (a.a.O., E. 2, in: ARV 2010 S. 265; Urteil 8C_553/2022 vom 13. Januar 2023 E. 2.4; je mit Hinweisen).

Für den konkreten Fall verneinte das Bundesgericht, dass die Streitwertgrenze erreicht sei und trat auf die Beschwerde des Arbeitnehmers nicht ein:

2.6. Ausgehend von der soeben dargelegten Rechtsprechung ist bei einer Gesamtbetrachtung zunächst zu berücksichtigen, dass das fragliche Arbeitsverhältnis mit 5 Jahren und 11 Monaten – vom 1. Januar 2015 bis zum 30. November 2020 – weder von besonders kurzer noch besonders langer Dauer war. Weiter behauptet der Beschwerdeführer zwar, er sei nach wie vor stellenlos. Dass er wegen des aus seiner Sicht ungenügenden Arbeitszeugnisses bisher keine neue Anstellung gefunden haben sollte, legt er jedoch nicht hinreichend konkret dar und liegt angesichts des Umstands, dass er es war, der den Arbeitsvertrag gekündigt hatte, auch nicht auf der Hand (vgl. Urteil 8C_553/2022 vom 13. Januar 2023 E. 2.5). In diesem Zusammenhang darf auch berücksichtigt werden, dass er nach der nachvollziehbaren Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts mit seinen Anträgen darauf abgezielt habe, „aus einem guten Arbeitszeugnis ein sehr gutes zu machen“ (angefochtener Entscheid, E. 4.10.4), und dass er im vorinstanzlichen Verfahren mit seinen Änderungsanträgen teilweise durchgedrungen ist, ihm also ein im Vergleich zur ersten Version vorteilhafteres Zeugnis zugesprochen worden ist. Schliesslich gehört der Beschwerdeführer auch von seinem Alter her – er war im Kündigungszeitpunkt 45 und ist mittlerweile 49 Jahre alt – nicht zu jenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die auch mit guten Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt wegen ihres fortgeschrittenen Alters notorisch mit Benachteiligungen rechnen müssen.  

In Würdigung dieser Umstände ist der Streitwert in der vorliegenden Angelegenheit auf höchstens einen Monatslohn festzusetzen, wobei unter den gegebenen Umständen offenbleiben kann, ob nicht auch ein Bruchteil davon – drei Viertel oder die Hälfte – angemessen wäre. Denn selbst wenn man trotz der Pensumsreduktion am 1. April 2019 den zuletzt erzielten Lohn auf einen Beschäftigungsgrad von 100 % umrechnen würde (vgl. Urteile 8C_553/2022 vom 13. Januar 2022 E. 2.5; 8C_701/2019 vom 16. Januar 2020 E. 1.3), wird die gesetzliche Streitwertgrenze von Fr. 15’000.– bei Zugrundelegung eines Monatslohns nicht erreicht. Demzufolge ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.

 

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Autor: Nicolas Facincani

 

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