Überstunden und Überzeiten bilden regelmässig Gegenstand arbeitsrechtlicher Streitigkeiten. Auch im Arbeitsrecht gilt grundsätzlich Art. 8 ZGB. Dieser lautet wie folgt: «Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet.»
Gemäss dieser Regel muss also der Arbeitnehmer, welcher Ansprüche aus Überstunden und Überzeiten geltend machen will, die Überstunden bzw. Überzeiten beweisen. Ihm obliegt also der Nachweis von Überstunden bzw. Überzeiten.
Entscheid des AGer ZH, 2023 Nr. 3
Das Arbeitsgericht Zürich hatte sich im Entscheid mit der Geltendmachung von Überzeiten auseinanderzusetzen. Diesem Entscheid lag der folgende Sachverhalt zugrunde:
Die Arbeitgeberin war im Bereich der Unternehmensberatung tätig. Der Arbeitnehmer trat per 1. November 2013 bei der Arbeitgeberin ein und arbeitete zuletzt im Rang eines Directors. Die Parteien vereinbarten, dass alle Überstunden mit dem Lohn abgegolten seien. Überzeit sollte mit Freizeit anstelle von Lohn abgegolten werden. Der Arbeitnehmer forderte vor Arbeitsgericht Zürich unter anderem die Bezahlung von nicht abgegoltener Überzeit in der Höhe von Fr. 126’514.80. Der nachfolgende Auszug behandelt die Fragestellung der rechtsgenüglichen Behauptungen von Überzeit sowie der Beweiserbringung unter Zuhilfenahme des Outlook-Kalenders.
Ungenügende Darlegung der Arbeitsstunden
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab mit der Begründung, die geltend gemachten Arbeits- und Überstunden seien nicht genügend substantiiert behauptet gewesen.
Der Kläger lässt schliesslich einlässliche Behauptungen zu seinen geltend gemachten Arbeitsstunden vermissen und beschränkt sich darauf, jeweils eine (stets runde) Stundenanzahl pro Tag sowie die ausgerechnete wöchentliche Überzeit aufzulisten. Dies genügt nicht. Der Kläger wäre hinsichtlich des Quantitativs der geleisteten Arbeitsstunden zumindest gehalten gewesen, sich konkret dazu zu äussern, von wann bis wann und mit welchen Pausen er an welchen Tagen gearbeitet habe. Solchermassen hinreichend substantiierte Behauptungen fehlen indessen durchwegs.
Ebenso fehlen konkrete Angaben, zu welchen Zeiten, aufgrund welcher Arbeiten und mit welchen Projekten bzw. für welche Partner die geltend gemachten Überzeitstunden zu leisten waren. Solches hätte der Kläger aber wenigstens in den Grundzügen in den Rechtsschriften darlegen müssen.
Insgesamt ist entsprechend auch die Behauptung hinsichtlich der Anzahl Stunden Arbeits- bzw. Überzeit als nicht genügend substantiiert zu qualifizieren.
Outlook-Kalendereinträge als Beweismittel
Für das Arbeitsgericht Zürich stellen die Outlook-Kalendereinträge keinen genügenden Nachweis für die geltend gemachten Arbeitsstunden dar.
Ein elektronischer Kalender dient gemäss Arbeitsgericht als Gedankenstütze und als Planungs- und Organisationsinstrument. Kalendereinträge sollen grundsätzlich zukünftige Ereignisse festhalten und nicht die Vergangenheit wiedergeben.
Demgegenüber bezwecke die Arbeitszeiterfassung des Arbeitnehmers das Gegenteil: Es werden die geleisteten Arbeitszeiten eingetragen, um einen verbindlichen Überblick über die Leistungen und An-/Abwesenheiten zu erhalten. Eine Zeiterfassung dient somit der exakten Widerspiegelung der geleisteten Arbeitszeit. Es ist demgegenüber völlig üblich, dass im Kalender erfasste Termine nicht wie geplant stattfinden, etwas mehr oder weniger Zeit in Anspruch nehmen, abgesagt oder verschoben werden. So würden sich wohl Rückschlüsse darauf ziehen lassen, woran der Arbeitnehmer gearbeitet habe, also welche Projekte an bestimmten Tagen im Vordergrund standen, mit wem er Besprechungen zu welchen Projekten abgehalten hat und durchaus auch, ob viel Arbeit anstand. Es sei jedoch aufgrund der Outlookeinträge nicht möglich, genau zu ermitteln, wie viel Zeit die Termine jeweils effektiv in Anspruch genommen habe und somit auch, wann der Kläger mit der Arbeit jeweils begonnen und diese beendet oder wie lange er effektiv gearbeitet habe.
Der Kläger versucht vorliegend jedoch, seine in der Vergangenheit angeblich erbrachten Überzeitstunden anhand seiner Kalendereinträge zu belegen. Vor dem Gesagten ist evident, dass ihm dies nicht gelingen kann. Bereits aus der Natur eines Kalenders ergibt sich, dass dieser kein geeignetes Beweismittel für geleistete Arbeitsstunden darstellen kann. Vorliegend kann zudem auch in tatsächlicher Hinsicht – wie vorstehend dargelegt – gezeigt werden, dass anhand der Kalendereinträge die geleistete Arbeitszeit im vom Kläger behaupteten Quantitativ nicht abgeleitet werden kann. Wenn der Kläger weiterhin vorbringt, er habe Arbeitsbeginn und -schluss jeweils nicht im Kalender eingetragen und auf den Arbeitswegen und nach der Arbeit zu Hause auch noch gearbeitet, so wird dieser Umstand noch verstärkt.
Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen des Arbeitsgerichts erscheint es m.E. nicht aussichtslos, Überstunden und Überzeit auch aufgrund von Outlook-Einträgen nachzuweisen und es erscheint in jedem Fall doch empfehlenswert, diese als zusätzliche Beweismittel zu nennen.
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Autor: Nicolas Facincani
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