Im Entscheid VB.2024.00012 vom 13. August 2024 hatte sich das Verwaltungsgericht mit der fristlosen Kündigung eines Bademeisters auseinanderzusetzen.
Vorwurf gegen den Bademeister
Der Vorwurf war, dass der Beschwerdeführer (Bademeister; Arbeitnehmer) eine Mitarbeiterin während gemeinsamen Arbeitsschichten wiederholt sexuell belästigt hatte. Er habe sich mehrmals unangemessen und grenzüberschreitend geäussert, indem er anzügliche Bemerkungen über ihr Aussehen gemacht habe („dich würde ich gerne mal nackt sehen. Aber ich würde dich nicht anfassen, sondern lediglich deine Tattoos bewundern“). Des Weiteren habe er sie und ihre Figur als hübsch bezeichnet und ihr gesagt, dass er sie gerne zu sich nach Hause mitnehmen möchte und sie gefragt, ob sie Pornos schaue. Als sie dem Beschwerdeführer mitgeteilt habe, sein Verhalten sei grenzüberschreitend, habe er dieses heruntergespielt und gemeint, er mache nur Witze. Nachdem der Beschwerdeführer sie sodann rund eine Woche später mit Gummihandschuhen an den Händen gefragt habe: „Guck, ich bin Gynäkologe, wo soll ich die untersuchen?“. meldete die Mitarbeiterin die Vorfälle beim stellvertretenden Betriebsleiter.
Als der Bereichsleiter Freizeit sowie die Abteilungsleiterin Bevölkerungsdienste und Personalverantwortliche den Beschwerdeführer mit den Vorwürfen konfrontierten, bestritt er diese in seiner schriftlichen Stellungnahme nicht, machte aber geltend, er habe gemeint, er könne mit der betroffenen Mitarbeiterin offen über alles reden, und der besagte Umgang beruhe auf Gegenseitigkeit. Aufgrund des geschilderten Fehlverhaltens und gestützt auf ihre Fürsorgepflicht entliess die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer fristlos, nachdem sie ihn zuvor freigestellt hatte.
Argumente des Arbeitnehmers
Der Arbeitnehmer brachte vor, die Interaktionen zwischen ihm und seiner Arbeitskollegin beruhten auf beidseitig akzeptiertem Spass.
Beurteilung Verwaltungsgericht
Gemäss Verwaltungsgericht widersprach er sich allerdings selbst, hätte er doch in seiner Stellungnahme eingeräumt, dass die besagte Arbeitskollegin ihm persönlich mitgeteilt habe, dass sein Verhalten zu weit gehe. Ebenso kann gemäss Verwaltungsgericht den Ausführungen, er hätte seiner Arbeitskollegin nur Komplimente gemacht und diese würden keine sexuelle Belästigung darstellen, nicht gefolgt werden. Seine „Komplimente“ würden eindeutig unerwünschte sexuelle Annäherungen darstellen und damit unter den Begriff der sexuellen Belästigung fallen; dabei spielt es keine Rolle, ob der Beschwerdeführer sich dessen bewusst war.
Aus diesen Gründen erachtete das Verwaltungsgericht die fristlose Kündigung als gerechtfertigt: «Die Beschwerdegegnerin ist durch die Entlassung des Beschwerdeführers ihrer Fürsorgepflicht als Arbeitgeberin nachgekommen. Die fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses erweist sich als rechtmässig.»
Rechtliche Situation
Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht allgemein zur fristlosen Kündigung sowie zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz das Folgende aus:
2.3 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts ist die fristlose Auflösung eines Arbeitsverhältnisses seitens des Arbeitgebers nur zulässig, wenn die geltend gemachten Vorkommnisse einerseits objektiv geeignet sind, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tiefgreifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses nicht zumutbar ist. Anderseits müssen sie auch tatsächlich zu einer derartigen Zerstörung oder Erschütterung des gegenseitigen Vertrauens geführt haben. Sind die Verfehlungen weniger schwerwiegend, müssen sie trotz Verwarnung wiederholt vorgekommen sein.
Ob ein wichtiger Grund vorliegt, bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Dabei ist unter anderem die Stellung der betroffenen Person zu berücksichtigen, namentlich ob diese eine besondere Vertrauens- oder Verantwortungsposition bekleidet (vgl. BGE 130 III 28 E. 4.1, 127 III 86 E. 2c). Für das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist auch von Bedeutung, wie lange das Arbeitsverhältnis bereits gedauert hat. So vermögen Verfehlungen langjähriger Arbeitnehmender das durch die längere Dauer gefestigte Vertrauensverhältnis weniger zu erschüttern als solche neu Eingetretener. Die fristlose Kündigung ist ultima ratio und muss dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit entsprechen. Sie ist insbesondere dann unzulässig, wenn mildere Massnahmen wie zum Beispiel Verwarnung, vorübergehende Freistellung oder ordentliche Kündigung zur Verfügung stehen, um die eingetretene Störung des Arbeitsverhältnisses in zumutbarer Weise zu beheben (zum Ganzen VGr, 17. Dezember 2020, VB.2020.00529, E. 2.3 ff. – 11. Dezember 2019, VB.2019.00504, E. 2.2 – 31. Januar 2018, VB.2017.00654, E. 2.1 je mit weiteren Hinweisen).
2.4 Das Gleichstellungsgesetz vom 24. März 1995 (GlG, SR 151.1) verbietet jegliche Dis-kriminierung aufgrund des Geschlechts (Art. 4 GlG; vgl. auch Art. 8 Abs. 3 BV). Grundsätzlich werden im Gleichstellungsgesetz nur die Rechtsansprüche der belästigten Person gegenüber ihrem (potenziellen) Arbeitgeber geregelt (BGE 126 III 395 E. 7b/cc). Aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers kann eine sexuelle Belästigung durch einen Angestellten jedoch einen Kündigungsgrund darstellen (vgl. Wolfgang Portmann/Roger Rudolph in: Corinne Widmer Lüchinger/David Oser [Hrsg.], Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 7. A., Basel 2020, Art. 328 OR N. 7 und Art. 337 OR N. 25 mit Hinweis; so ausdrücklich für die ordentliche Kündigung auch Art. 5 Abs. 1 lit. f PVO).
Eine sexuelle Belästigung in Sinn von Art. 4 GlG liegt vor, wenn folgende Merkmale erfüllt sind: Zunächst handelt es sich um ein Verhalten, das sich auf den Arbeitsplatz bezieht; weiter ist das in Frage stehende Verhalten von „sexueller Natur“; schliesslich beeinträchtigt das Verhalten die Würde der Betroffenen, das heisst, es ist unerwünscht, unangenehm und beleidigend. Unter den Begriff der sexuellen Belästigung fallen etwa unerwünschte sexuelle Annäherungen und Handlungen, die das Anstandsgefühl verletzen, sexistische Sprüche sowie anzügliche und peinliche Bemerkungen (vgl. Monika Hirzel/Rainer Mössinger in: Nicolas Facincani et al. [Hrsg.], Kommentar zum Gleichstellungsgesetz, Bern 2022, Art. 4 GlG N. 10 ff.; Eliane Braun/Judith Wyttenbach, Sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz, Bern 2022, S. 4; BGE 126 III 395 E. 7b/bb; BGr, 21. November 2018, 4A_18/2018, E. 3.1, und 18. August 2009, 4D_88/2009, E. 3).
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Autor: Nicolas Facincani
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