Während der Freistellung sind die Ferien grundsätzlich zu kompensieren, sofern:
- genügend Zeit für die Stellensuche vorhanden ist.
- genügend Zeit bleibt, um Ferien zu planen.
- der Arbeitnehmer sich nicht zur Verfügung des Arbeitgebers halten muss.
Oft ist der konkrete Ferienbezug strittig und es ist, sofern die Freistellung nicht vereinbart wurde, sondern nur einseitig durch den Arbeitgeber angeordnet ist, stets die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Ferienguthaben sind insbesondere dann zu beziehen, sofern die Dauer der Freistellung die Ferienguthaben stark übersteigen, obgleich auch zu berücksichtigen ist, ob der Arbeitnehmer noch eine Stelle suchen muss oder nicht. Im Sinne einer Faustregel wird oft davon ausgegangen, dass der Ferienbezug möglich ist, wenn die Ferien nicht mehr als einen Drittel der Freistellungsdauer betragen. Konkret sind aber jeweils die Umstände im Einzelfall zu berücksichtigen.
BGer 4A_587/2023 vom 20. August 2024
In BGer 4A_587/2023 vom 20. August 2024 rügte eine Arbeitnehmer vor Bundesgericht, dass das kantonale Gericht gegen Art. 329a ff. OR verstossen habe, indem es feststellte, dass sie nach Ablauf der Kündigungsfrist keinen Anspruch auf eine Entschädigung für nicht bezogene Ferien habe.
Feststellungen des kantonalen Gerichts (Arrêt rendu le 22 septembre 2023 par la Chambre des prud’hommes de la Cour de justice du canton de Genève)
Das kantonale Gericht stellte fest, dass der Ferienanspruch der Arbeitnehmerin 25 Tage pro Kalenderjahr betrug, so dass er für den Zeitraum von Januar bis Mai 2020 10,42 Tage (25 Tage x [5 Monate / 12 Monate]) betrug, was der Kündigungsfrist entsprach, während der sie von ihrer Arbeitspflicht befreit war. Das kantonale Gericht stellte fest, dass diese Kündigungsfrist 104 Arbeitstage umfasste. Während der Kündigungsfrist war die Arbeitnehmerin teilweise krank. Das kantonale Gericht stellte fest, dass nach Abzug der Arbeitstage, an denen die Arbeitnehmerin krankgeschrieben war, der Zeitraum der Urlaubsfrist, in dem die Arbeitnehmerin arbeitsfähig war – und somit Urlaub nehmen konnte – 53 Tage dauerte.
Da der Ferienanspruch der Arbeitnehmerin von 10,42 Tagen weniger als ein Viertel des Zeitraums ausmachte, in dem sie von der Arbeitspflicht befreit und nicht arbeitsunfähig war, kam das kantonale Gericht zu dem Schluss, dass die Ferien während der Kündigungsfrist bezogen werden konnte, d. h. dass er durch die Befreiung der Arbeitnehmerin von der Arbeitspflicht ausgeglichen wurde, so dass sie keinen Anspruch auf eine Entschädigung hatte. Der Gerichtshof stellte fest, dass dies umso mehr der Fall war, als die Arbeitnehmerin nicht behauptet hatte, dass sie besondere Schwierigkeiten bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz hatte.
Entscheid des Bundesgerichts
Die Arbeitnehmerin machte vor Bundesgericht geltend, dass das kantonale Gericht nicht berücksichtigt habe, dass ihre Arbeitsunfähigkeit weit über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus bis Oktober 2020 andauerte, was beweise, dass sie durch ihre Kündigung sehr stark beeinträchtigt worden sei.
Das Bundesgericht vertrat die Auffassung, dass die Arbeitnehmerin mit dieser Kritik nicht die Argumentation des kantonalen Gerichts angreife, welches davon ausging, dass die von ihr nicht bezogenen 10,42 Ferientage weniger als ein Viertel der Zeit ausmachten, in der sie von der Arbeitspflicht befreit und nicht arbeitsunfähig war, so dass sie durch die Befreiung von der Arbeitspflicht, die sie genossen hatte, kompensiert wurden. Die medizinische Situation der Arbeitnehmerin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei hier also nicht entscheidend und ihr Vorwurf sei abzulehnen.
Siehe zu diesem Thema etwa auch den Beitrag Ferienbezug während Freistellung.
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Autor: Nicolas Facincani
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