Aufgrund von Art. 8 Abs. 3 Satz 3 BV haben Mann und Frau Anspruch auf gleichen Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit. Der Begriff der gleichwertigen Arbeit umfasst nicht bloss ähnliche, das heisst gleichartige Arbeiten, sondern bezieht sich darüber hinaus in Zusammenhang mit indirekten Lohndiskriminierungen auch auf Arbeiten unterschiedlicher Natur (BGE 144 II 65 E. 4.1 S. 68 mit Hinweisen).

Nach Art. 3 Abs. 1 GlG dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden. Das Diskriminierungsverbot gilt insbesondere für die Anstellung, Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung (Abs. 2) (siehe hierzu auch den allgemeinen Beitrag Überblick über das Gleichstellungsgesetz).

In BGer 8C_179/2020 vom 12. November 2020 war vom Bundesgericht die Frage zu beurteilen, ob eine Arbeitnehmerin im Vergleich zu anderen Angestellten aufgrund ihres Geschlechts lohnmässig benachteiligt wurde und ob eine ungleiche Entlöhnung gleichwertiger Arbeit vorlag (siehe zu dieser Thematik auch den Beitrag Diskriminierung: Mann in Frauenberuf gegenüber Männerberufen diskriminiert?). In Zukunft könnte möglicherweise eine Lohngleichheitsanalyse das Problem vorgängig erkennen lassen.

 

Sachverhalt in BGer 8C_179/2020 vom 12. November 2020

Dem Entscheid in BGer 8C_179/2020 vom 12. November 2020 lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Mitarbeiterin arbeitete als „Gesundheitsverantwortliche/Betreuerin“ von Flüchtlingen in einer Durchgangsstation bei den Sozialen Diensten Asyl des Sozialamtes des Kantons Zug (zunächst befristet bis 30. Juni 2012 mit nachfolgender Verlängerung bis 31. Dezember 2013 bei einem Beschäftigungsumfang von jeweils 70 %. Zu Beginn ihrer Anstellung war sie in der Lohnklasse 12, 4. Stufe (LK 12/04) eingereiht. Mit Arbeitsvertrag vom 4. Oktober 2013 stellten die Sozialen Dienste die Mitarbeiterin ab 1. Januar 2014 unbefristet mit einem Pensum von 70 % ein und reihten sie wiederum in die LK 12/04 ein. Vom 1. August 2014 bis 30. November 2014 wurde ihr Beschäftigungsumfang um 10 % erhöht. Auf den 1. Januar 2016 wurde sie in die LK 12/05 und per 1. Januar 2017 in die LK 12/06 eingestuft und verdiente zuletzt jährlich Fr. 90’267.05 (100 %-Pensum).

Von der Mitarbeiterin beantragte Änderung ihrer Funktionsbezeichnung in „Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin“ und Einstufung in die LK 13/09 lehnte wurde abgelehnt, später das Arbeitsverhältnis aufgelöst.

§44 Abs. 1 des Gesetzes über das Arbeitsverhältnis des Staatspersonals des Kantons Zug (Personalgesetz; PG; 154.21) enthält Gehaltsklassen und Funktionsgruppen. Die Funktion „Betreuerin“ ist dabei nicht aufgeführt. Funktionen, für welche dieses Gesetz keine besondere Regelung vorsieht, werden entsprechend dem Aufgaben- und Verantwortungsbereich in eine der Gehaltsklassen eingereiht (§ 44 Abs. 3 PG).

Bei der Zuordnung der Funktion „Betreuer/in“ stützte sich die kantonale Verwaltung auf die Funktionsprofile der innovativ GmbH Unternehmensberatung, Aarau, und ordnete sie dem Profil „7031 Betreuung/Sozialpädagogik 1“ bzw. „dipl. Betreuer/in“ und „Heimerzieher/in“ zu (Ziellohnklasse 12 bis 13). Die Aufgabenbeschreibung lautet wie folgt: selbstständiges Wahrnehmen von Betreuungs-, Förderungs- und/oder Begleitungsaufgaben von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen vorwiegend in Gruppen, Organisation und Durchführung von Aktivitäten. Als notwendige Ausbildung/Weiterbildung wird eine abgeschlossene Berufsausbildung (Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis EFZ, 3-4 Jahre) in einem sozialen Beruf ohne höhere Fachschule/Fachhochschule oder eine Berufsausbildung (EFZ) und eine entsprechende funktionsergänzende Weiterbildung im sozial-beruflichen Umfeld verlangt. Die Funktionsprofile „7032 Betreuung/Sozialpädagogik 2″ bzw. dipl. Sozialpädagogin“ oder „7011/7012 Sozialarbeit 1/2“ bzw. „dipl. Sozialarbeiter/in“ setzen für die Einstufung die entsprechende Befähigung und zwingend den funktionsspezifischen Ausbildungsnachweis voraus, wie die Vorinstanz erkannte.

Streitig und zu prüfen war in der Folge, ob die Entlöhnung der Mitarbeit als für das Kantonale Sozialamt tätig gewesene Betreuerin im Sinne von Art. 8 Abs. 3 Satz 3 BV und Art. 3 Abs. 1 und 2 GlG diskriminierend war und zudem gegen das Rechtsgleichheitsgebot gemäss Art. 8 Abs. 1 BV verstiess. Dabei stand die Frage im Zentrum, ob die Mitarbeiterin im Vergleich zu weiteren im Asylwesen des Kantons Zug tätigen Angestellten aufgrund ihres Geschlechts lohnmässig benachteiligt wurde und ob eine ungleiche Entlöhnung gleichwertiger Arbeit vorlag.

 

Ausführungen des Bundesgericht betreffend diskriminierende Entlöhnung

Das Bundesgericht machte in BGer 8C_179/2020 vom 12. November 2020 wichtige allgemeine theoretische Ausführungen zu Lohndiskriminierungen bzw. wie eine diskriminierende:

  • Ob Tätigkeiten als gleichwertig zu betrachten sind, kann nicht wissenschaftlich objektiv und wertfrei entschieden werden, sondern hängt von Beurteilungen ab, die unterschiedlich ausfallen können. Es gibt verschiedene Bewertungsverfahren, die sich in Aufgliederung, Gewichtung und Bewertung der Anforderungen unterscheiden; keines davon ist verfassungsrechtlich allein zulässig. Den zuständigen Behörden steht bei der Ausgestaltung des Besoldungssystems im öffentlichen Dienst ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu; sie können aus der Vielzahl denkbarer Anknüpfungspunkte die Tatbestandsmerkmale auswählen, die für die Besoldung massgebend sein sollen. Das Lohngleichheitsgebot schränkt diesen grossen Ermessensspielraum nicht grundsätzlich ein. Es bedeutet nicht, dass nur noch eine ganz bestimmte Methode für die Bewertung von Arbeitsplätzen zulässig wäre, und es legt nicht positiv fest, welcher Massstab anzuwenden ist; das Lohngleichheitsgebot verbietet allein die Wahl geschlechtsdiskriminierender Bewertungskriterien. Eine Arbeitsplatzbewertung oder ein Lohnsystem verstösst nicht schon dann gegen das Diskriminierungsverbot, wenn eine andere Bewertung ebenfalls mit guten Gründen vertretbar wäre oder gar aus der Sicht bestimmter arbeitswissenschaftlicher Theorien besser begründet erschiene, sondern nur dann, wenn sie diskriminierend ist (BGE 125 I 71 E. 2c/aa S. 79 ff.; 125 II 385 E. 5b S. 390 f., 530 E. 5b S. 537, 541 E. 5c S. 548 f.; 124 II 409 E. 9b S. 427, 436 E. 7a S. 440 f.). Die bundesgerichtliche Praxis verlangt als Rechtfertigung für Lohnunterschiede keine wissenschaftlichen Nachweise, sondern bloss sachlich haltbare Motive (BGE 126 II 217 E. 6c S. 221; Urteil 2A.200/2001 vom 18. Juni 2002 E. 3.1). Geschlechtsdiskriminierend können schliesslich nur Lohnunterschiede zwischen typisch männlichen und typisch weiblichen oder zwischen geschlechtstypischen und geschlechtsneutralen Funktionen sein, nicht aber Differenzen zwischen zwei typisch weiblichen Funktionen (Urteil 2A.183/2003 vom 20. August 2003 E. 3.2).  
  • Eine indirekte Diskriminierung liegt vor, wenn eine formal geschlechtsneutrale Regelung im Ergebnis wesentlich mehr bzw. überwiegend Angehörige des einen Geschlechts gegenüber denjenigen des anderen benachteiligt, ohne dass dies sachlich begründet wäre. Demgemäss liegt eine besoldungsmässige Geschlechtsdiskriminierung vor, wenn zum Nachteil einer geschlechtsspezifisch identifizierten Arbeit sachlich unbegründete Lohnunterschiede bestehen. Eine Lohndiskriminierung entfällt, wenn die Lohndifferenz durch die zu erbringende Arbeit oder die in Frage stehende Funktion sachlich begründet erscheint. Sachlich begründet ist ein Lohnunterschied im Einzelvergleich oder bei der Einstufung von Frauenberufen, wenn er sich auf sogenannte objektive Kriterien stützt oder nicht geschlechtsspezifisch motiviert ist (BGE 136 II 393 E. 11.3 S. 397 mit Hinweisen). Zu den objektiven Kriterien gehören Gründe, die den Wert der Arbeit beeinflussen, wie Ausbildung, Dienstalter, Qualifikation, Erfahrung, konkreter Aufgabenbereich, Leistung, soweit sie sich im Arbeitsergebnis niederschlägt, oder Risiken; darüber hinaus kann es sich um Gründe handeln, welche sich aus sozialen Rücksichten ergeben, wie familiäre Belastung und Alter, und schliesslich kommen auch äussere Faktoren wie die konjunkturelle Lage in Betracht, soweit ihre Berücksichtigung einem wirklichen unternehmerischen Bedürfnis entspricht (BGE 141 II 411 E. 6.1.2 S. 419 f.; 136 II 393 E. 11.3 S. 397 f.; BGE 130 III 145 E. 5.2 S. 164 f.; je mit weiteren Hinweisen) (siehe hierzu auch den Beitrag Indirekte Diskriminierungen).
  • Gemäss Art. 6 GlG wird unter anderem bezüglich der Entlöhnung eine Diskriminierung vermutet, wenn diese von der betroffenen Person glaubhaft gemacht wird. Alsdann trifft den Arbeitgeber der Beweis, dass die unterschiedliche Entlöhnung sachlich gerechtfertigt ist (BGE 142 II 49 E. 6.2 S. 57 f. mit weiteren Hinweisen).  
  • Die Frage, ob ein bestimmter Lohn oder Lohnunterschied geschlechterdiskriminierend ist, hängt einerseits von Tatfragen ab, zum Beispiel von der Höhe des Lohnes bzw. Lohnunterschiedes und vom Vorhandensein der geltend gemachten Umstände wie Ausbildung, Alter und dergleichen (BGE 124 II 436 E. 9 S. 446), anderseits aber auch davon, ob die angewendeten Beurteilungskriterien und Differenzierungsmassstäbe zulässig sind; dies ist eine frei überprüfbare Rechtsfrage (BGE 124 II 436 E. 8 S. 442 und zum Ganzen: BGE 142 II 49 E. 4.8 S. 55). Die Bewertung verschiedener Tätigkeiten stellt demgegenüber eine Ermessensfrage dar, in die das Bundesgericht nicht bzw. nur dann eingreifen kann, wenn die diesbezüglichen bundesrechtlichen Schranken verletzt werden: Die Bewertung darf nicht willkürlich oder rechtsungleich erfolgen (Art. 8 Abs. 1 BV) und sie darf insbesondere keine geschlechtsdiskriminierenden Elemente enthalten (Art. 8 Abs. 3 Satz 3 BV bzw. Art. 3 GlG; Urteile 8C_420/2019 vom 20. Februar 2020 E. 3; 8C_696/2016 vom 19. September 2017 E. 3.3; 8C_32/2009 und 8C_33/2009 vom 4. Januar 2010 E. 4.2.1).  

 

Entscheid des Bundesgericht

Das Bundesgericht verneinte im Resultat die diskriminierende Entlöhnung. Es erkannte weder willkürliche Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz, noch wurde Bundesrechte verletzt bzw. Ermessensentscheid willkürlich gefällt (vgl. Erwägung 6 des Entscheides).

Das Bundesgerichte machte insbesondere weitere Ausführungen zur Berechnung der Differenz der Vergleichshöhe:

Was die Berechnung der Differenz der Vergleichslöhne angeht, gelangte die Vorinstanz auf einen Lohnunterschied von 14 % im Verfügungszeitpunkt. Eine geschlechtsbedingte Diskriminierung ist in der Regel glaubhaft gemacht, wenn Angehörige des einen Geschlechts für eine gleiche oder gleichwertige Arbeit einen auffallend („signifikant“) tieferen Lohn erhalten als jene des anderen Geschlechts (BGE 144 II 65 E. 4.2.3; 130 III 145 E. 4.2 S. 162; Urteile 2A.23/1997 vom 8. Juli 1998 E. 3c; 2A.363/1998 vom 18. Juni 1999 E. 3b mit Hinweis auf BGE 125 I 71 E. 4a S. 82). Das Bundesgericht erachtete eine Lohndiskriminierung bei Lohndifferenzen zwischen 15 und 25 % als glaubhaft (BGE 144 II 65 E. 4.2.3 mit Hinweis auf BGE 130 III 145 E. 4.2 S. 162; 125 III 368 E. 4 S. 373; sowie das soeben erwähnte Urteil 2A.363/1998 E. 3b).

 

Weitere Beiträge zur Gleichstellung der Geschlechter:

 

Autor: Nicolas Facincani