Rechtsfragen rund um die Probezeit beschäftigen regelmässig die Gerichte. Nachfolgend sollen wichtige Fragen im Zusammenhang mit der Probezeit beantwortet werden:

 

1. Was ist Probezeit und was bezweckt sie?

Der Gesetzgeber gewährt dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, in einem bestimmten Rahmen eine Probezeit zu vereinbaren, in der sich die Parteien besser kennenlernen und gegebenenfalls die langfristig angedachte Beziehung schnell und einfach beenden können. Das Bundesgericht umschreibt den Zweck der Probezeit wie folgt: Sie erlaubt den Parteien abzuschätzen, ob sie die gegenseitigen Erwartungen erfüllen (vgl. BGE 120 Ib 134 E. 2a), und sie werden in die Lage versetzt, über die in Aussicht genommene langfristige Bindung in Kenntnis der konkreten Umstände zu urteilen (BGE 129 III 124 E. 3.1 S. 125 f.).

 

2. Ist die Probezeit nicht ein verkürztes Praktikum?

Die Probezeit ist vom Praktikum, einem befristeten Arbeitsverhältnis zu unterscheiden. Wer ein Arbeitsverhältnis eingeht, lässt sich auf eine gewisse Ungewissheit ein. Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer können vor dem Abschluss eines Arbeitsvertrags kaum je feststellen, wie sich die andere Partei bei der Arbeit im konkreten Arbeitsumfeld präsentiert und ob der Arbeitgeber, die bestehenden Mitarbeiter und der neue Arbeitnehmer zusammenpassen. Die Probezeit soll die soeben erwähnte Unsicherheit absorbieren.

 

3. Wie lange dauert die Probezeit?

Die Probezeit beginnt mit dem tatsächlichen Stellenantritt und ist immer befristet (ETTER/STUCKY in: ETTER/FACINCANI/SUTTER (Hrsg.), Arbeitsvertrag, 335b N 1 [erscheint im Juli 2021]). Nach Art. 335b Obligationenrecht (OR) gilt der erste Monat eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses als Probezeit, falls die Parteien nichts oder nichts anderes vereinbart haben. Ohne anderweitige Abmachung kann der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis daher im ersten Monat ab Stellenantritt jederzeit mit einer Kündigungsfrist von sieben Kalendertagen kündigen, dies auf jeden Wochentag (vgl. auch: BRÜHWILER, Einzelarbeitsvertrag, 335b N 2; STAEHELIN, ZK OR 335b N 7). Siehe auch den Beitrag zum Ende der Probezeit.

 

4. Kann die Probezeit abgeändert werden?

Die Vertragsparteien können auf die Probezeit ganz verzichten oder sie verkürzen, wenn sie das so vereinbaren. Auf der anderen Seite kann die Probezeit auf maximal drei Monate verlängert werden, wobei dies schriftlich festgehalten werden muss. Eine Anpassung ist auch durch Vereinbarung in einem anwendbaren Gesamt- oder Normalarbeitsvertrag möglich. Eine freiwillige Verlängerung der Probezeit über drei Monate hinaus ist nicht möglich. Allerdings verlängert sich die Probezeit, auch über die drei Monate hinaus, automatisch um die Dauer der Arbeitsverhinderung bei Krankheit, Unfall und Erfüllung einer nicht freiwillig übernommenen, gesetzlichen Pflicht (z.B. Militär-, Zivil- oder Schutzdienst; nicht aber Schwangerschaft, Ferien oder unbezahlter Urlaub).

 

5. Können mehrmalige Probezeiten abgemacht werden?

Im Grundsatz kennt ein Arbeitsverhältnis nur eine einmalige Probezeit. Nochmalige Probezeiten wären zweckwidrig und daher unzulässig (MILANI, OFK OR 335b N 5; STAEHELIN, ZK OR 335b N 11). Begründet wird dies damit, dass die Parteien sich längerfristig binden wollen, wobei sie diesen Entscheid aufgrund der gesammelten Erkenntnisse über die jeweilig andere Partei während der Probezeit treffen (ETTER/STUCKY in: ETTER/FACINCANI/SUTTER (Hrsg.), Arbeitsvertrag, 335b N 17). Hiervon kann eine Ausnahme gemacht werden, wenn mehr als ein Arbeitsvertrag mit derselben Arbeitgeberin vorliegt, wobei ein sachlicher Grund bestehen muss (REHBINDER/STÖCKLI, BK OR 335b N3). ETTER/STUCKY unterscheiden hierbei zwei Fallgruppen; dieselbe Arbeitgeberin mit denselben Aufgaben für den Arbeitnehmer und dieselbe Arbeitgeberin mit unterschiedlichem Pflichtenheft für den Arbeitnehmer. Im ersteren Fall ist kein sachlicher Grund denkbar. Dieser Weg wird oftmals gewählt, um die Kündigungsschutzbestimmungen zu umgehen, weshalb das Arbeitsverhältnis als Ganzes zu sehen ist. Folglich gilt hier nur eine Probezeit. Eine Vereinbarung einer erneuten Probezeit ist sachlich gerechtfertigt, wenn dem Arbeitnehmer im Wesentlichen neue Aufgaben zugeteilt werden oder wenn das neue Arbeitsverhältnis nach längerem Unterbruch wieder angetreten wird (zum Ganzen: ETTER/STUCKY in: ETTER/FACINCANI/SUTTER (Hrsg.), Arbeitsvertrag, 335b N 19-22).

 

6. Wie verhält sich die Kündigungsfrist innerhalb der Probezeit?

Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer können innerhalb der Probezeit durch Abmachung vollständig über die Kündigungsfrist disponieren. Sie kann sogar ganz wegbedungen werden, womit das Arbeitsverhältnis unmittelbar mit dem Eintreffen der Kündigung beim Empfänger endet. Daneben sind die Parteien zudem frei, einen Kündigungstermin zu vereinbaren. Die Kündigungsfrist nach Ablauf der Probezeit richtet sich nach der Anzahl Dienstjahre (FACINCANI/BAZZELL in: ETTER/FACINCANI/SUTTER (Hrsg.), Arbeitsvertrag, 335c N 3). Massgebend zur Berechnung der Dienstjahre ist die Dauer des «Arbeitsverhältnisses», das heisst der ununterbrochenen Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zum Betrieb, unabhängig von allfälligen Vertragsänderungen (STAEHELIN, ZK OR 335c N 3).

 

7. Ist eine Kündigung während der Probezeit zulässig bzw. gibt es einen Kündigungsschutz?

In Bezug auf den zeitlichen Kündigungsschutz ist explizit festgehalten, dass eine Kündigung erst nach Ablauf der Probezeit zur Unzeit erfolgen kann, weshalb die Sperrfristen des zeitlichen Kündigungsschutzes keine Anwendung finden (vgl. Art. 336c OR), ausser die Parteien hätten dies vereinbart.

Im Grundsatz ist die Missbräuchlichkeit einer Kündigung während der Probezeit zurückhalten anzunehmen. In Bezug auf die Probezeit legen Rechtsprechung und Lehre nicht denselben Massstab hinsichtlich der Massnahmen, die vom Arbeitgeber bei Konflikten zu erwarten sind. So kann der Arbeitnehmer gemäss Bundesgericht nicht verlangen, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fortsetzt und sich langfristig bindet, wenn bereits während der Probezeit Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit mit dem übrigen Personal erkennbar werden. Das Bundesgericht hat aber im Entscheid BGE 134 III 108 die Anwendbarkeit des sachlichen Kündigungsschutzes bejaht. Hierzu hat das Bundesgericht erwogen: «Das Recht, während der Probezeit mit verkürzter Frist zu kündigen, ist ein Ausfluss der Vertragsfreiheit (vgl. TROXLER, a.a.O., S. 38). Bei Abschluss des Vertrages liegt es grundsätzlich im Belieben des Arbeitgebers, welchen von mehreren Kandidaten er einstellen will. Ebenso entscheidet der Arbeitnehmer frei, für welche Arbeitsstelle er sich bewirbt. Nach Art. 335b OR wirkt diese Abschlussfreiheit in die Probezeit nach, indem die Parteien grundsätzlich den Entscheid über eine langfristige Bindung aufgrund der in der Probezeit gewonnenen Erkenntnisse frei treffen können. Soweit sich die Kündigung an diesem Zweck der Probezeit orientiert, ist allein darin, dass ihr etwas „Willkürliches“ anhaftet, in der Tat kein Rechtsmissbrauch zu erblicken. Die zulässige „Willkür“ entspricht der Freiheit der Parteien, darüber zu entscheiden, ob sie sich langfristig binden wollen (BGE 134 III 108, E. 7.1.1).»

Zusammenfassend kann folgendes festgehalten werden: «Wenn daher Umstände während der Probezeit zu Tage treten, kann die betreffende Partei voraussetzungslos von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch machen. Gemäss Bundesgericht ist diese Vorgehensweise, auch wenn sie im Einzelfall willkürlich erscheinen mag, nicht rechtsmissbräuchlich, weil die Parteien durch Vereinbarung einer Probezeit ausdrücklich ihr Recht vorbehielten, zu entscheiden, ob sie sich längerfristig binden möchten (vgl. BGE 134 III 108, S. 111; BGE 134 III 108, Bem. CHANSON, ARV online 2008 ; vgl. HUMBERT/LERCH, in: FHB Arbeitsrecht, N 11.62); mit anderen Worten wird hier der sachliche Kündigungsschutz zugunsten des Zwecks der Probezeit verdrängt. Erfolgt die Kündigung während der Probezeit jedoch aus Gründen, die der Arbeitgeberin bereits vor Stellenantritt bekannt waren, findet der sachliche Kündigungsschutz vollumfänglich Anwendung.» (ETTER/STUCKY in: ETTER/FACINCANI/SUTTER (Hrsg.), Arbeitsvertrag, 335b N 31.) Eine Probezeitkündigung kann also durchaus missbräuchlich sein.

 

8. Was muss ich tun, wenn die Kündigung während der Probezeit missbräuchlich war?

Ist die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses missbräuchlich (Art. 336 OR), hat diejenige Partei, welche die Kündigung ausgesprochen hat, der anderen Partei eine Entschädigung auszurichten (Art. 336a OR). Wer eine solche Entschädigung geltend machen will, muss gegen die Kündigung längstens bis zum Ende der Kündigungsfrist beim Kündigenden schriftlich Einsprache erheben (Art. 336b Abs. 1 OR). Ist die Einsprache gültig erfolgt und einigen sich die Parteien nicht über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, kann die Partei, der gekündigt worden ist, ihren Anspruch auf Entschädigung geltend machen. Wird nicht innert 180 Tagen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Klage anhängig gemacht, ist der Anspruch verwirkt (Art. 336b Abs. 2 OR).

Handelt es sich um ein Arbeitsverhältnis nach dem BPG, ist der Arbeitgeber gehalten der angestellten Person die bisherige oder, wenn dies nicht möglich ist, eine zumutbare andere Arbeit anzubieten, wenn die Beschwerde gegen eine Kündigungsverfügung gutgeheissen wird (Einsprache ist nicht notwendig). Auf Gesuch der angestellten Person spricht die Beschwerdeinstanz aber anstelle einer Weiterbeschäftigung eine Entschädigung zu. Die Beurteilung der Missbräuchlichkeit unterscheidet sich aber nicht.

 

9. Wann gilt die Kündigung als noch während der Probezeit ausgesprochen?

Hier geht es um den Zeitpunkt der Kündigung. Damit eine Kündigung noch als in der Probezeit ausgesprochen gilt, muss sie bis am letzten Tag der Probezeit beim Adressaten eintreffen. Es ist also nicht etwa das Versanddatum entscheidend. Damit ist auch gesagt, dass die Kündigungsfrist nach der Probezeit ablaufen kann.

 

10. Wie verhält sich unbezahlter Urlaub und Probezeit?

Zu diesem Spannungsverhältnis hat sich das Bundesgericht in BGer 4A_406/2010 vom 14. Oktober 2010 geäussert. Während der Dauer eines unbezahlten Urlaubs werden die Pflicht zur Arbeitsleistung und die Lohnzahlungspflicht eingestellt. Trotz des Unterbruchs wesentlicher vertraglichen Verpflichtungen werde der Arbeitsvertrag aber nicht ausser Kraft gesetzt, sondern bleibe voll gültig, so das Bundesgericht. Somit wird die Probezeit nicht durch die Dauer des unbezahlten Urlaubs verlängert. Zwar könne eine solche lohnfreie Abwesenheit rechtliche Konsequenzen, insbesondere im Bereich der Sozialversicherungen nach sich ziehen, das habe aber auf die vertragliche Bindung keinen Einfluss. Das Gleiche würde auch gelten, sofern es nur kurze Unterbrüche im Arbeitsverhältnis gebe. Auch solche hätten auf die Berechnung der Dauer des Arbeitsverhältnisses keinen Einfluss.

 

11. Wie ist die Probezeit bei Teilzeit- oder periodischer Arbeit ausgestaltet?

Unabhängig vom Arbeitspensum des Arbeitnehmers ist die (freiwillige) Verlängerung der Probezeit über die maximale Dauer von drei Kalendermonaten nicht möglich, selbst wenn objektiv betrachtet dieser Zeitraum nicht ausreichen würde, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer genügend kennenlernen können. Damit kann auch bei Teilzeit- und periodischer Arbeit maximal eine Probezeitperiode von drei Kalendermonaten vereinbart werden.

 

12. Gibt es auch eine Probezeit bei befristeten Verträgen?

Nein, denn bei befristeten Arbeitsverträgen muss eine Probezeit ausdrücklich vereinbart werden, da die gesetzliche Regelung von Art. 335b OR nur bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen zur Anwendung kommt. Ist hierzu nichts abgemacht worden, entfällt eine Probezeit. Wird nur eine Probezeit vereinbart, jedoch nichts über deren Dauer und die Kündigungsfristen ausgesagt, so wird vermutet, dass die Regelung von Art. 335b OR gelten soll.

 

13. Was gilt beim Lehrvertrag bzgl. Probezeit?

Anders als bei den übrigen Arbeitsverträgen kann die Probezeit beim Lehrvertrag nicht wegbedungen oder gekürzt werden. Sie darf nicht weniger als ein Monat sein. Die maximale Frist von drei Monaten entspricht der üblichen Regelung, wobei die Probezeit vor ihrem Ablauf und mit Zustimmung der kantonalen Behörde ausnahmsweise bis auf sechs Monate verlängert werden kann (Art. 344a Abs. 4 OR). Falls die Probezeit nicht vertraglich festgelegt wird, gilt eine Dauer von drei Monaten (Art. 344a Abs. 3 OR).

 

14. Wie wirkt sich die Probezeit zu Pandemiezeiten aus?

Hierzu haben sich erstmals ETTER/STUCKY wie folgt geäussert: «Hält man sich den Zweck der Probezeit vor Augen, erscheint es durchaus einleuchtend, dass ein gegenseitiges Kennenlernen ohne physische Kontakte am Arbeitsplatz eher schwerlich zu meistern ist.

Als Verlängerungsgrund nach Art. 335b Abs. 3 OR kommt nach der hier vertretenen Auffassung das Homeoffice – auch in Pandemiezeiten – jedenfalls nicht in Betracht, da es sich hierbei gerade nicht um einen effektiven Arbeitsunterbruch handelt, es findet lediglich eine Dislozierung statt (a.M. BLESI/HIRSIGER/PIETRUSZAK, § 2 Arbeitsrecht, N 98, wobei nach ihrer Auffassung nach bei vertraglichen Verlängerungsgründen die Höchstdauer von 3 Monaten zwingend zu beachten ist). Auch ist in Analogie zur Teilzeitarbeit zu verweisen, wo ebenfalls viel weniger Kontakt am Arbeitsplatz stattfindet.» (ETTER/STUCKY in: ETTER/FACINCANI/SUTTER (Hrsg.), Arbeitsvertrag, 335b N 25).

 

Weitere Beiträge zum Thema Probezeit:

 

Autoren: Nicolas Facincani / Matteo Ritzinger

 

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