Im Verfahren 1C_23/2024 vom 25. April 2024 hatte sich das Bundesgericht mit der Frage auseinanderzusetzen, ob im Zusammenhang mit der Kündigung einer Arbeitnehmerin durch die Gemeinde ein sachlicher Kündigungsgrund gegeben war. Es lag der folgende Sachverhalt zugrunde:

Mit Kündigungsschreiben vom 14. Oktober 2021 löste eine Gemeinde das Arbeitsverhältnis per 31. Januar 2022 auf. Zur Begründung führte sie aus, aufgrund des unkooperativen Verhaltens der Arbeitnehmerin bzw. unterschiedlicher Auffassungen sei das Vertrauensverhältnis nicht mehr gegeben. Einen dagegen erhobenen Rekurs der Arbeitnehmerin wies der Bezirksrat Meilen ab. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hiess die gegen den bezirksrätlichen Beschluss erhobene Beschwerde mit Urteil vom 9. November 2023 teilweise gut und hob den angefochtenen Beschluss im entsprechenden Umfang auf. Es stellte fest, die Kündigung sei unrechtmässig erfolgt und verpflichtete die Gemeinde, eine Entschädigung in der Höhe von fünf sowie eine Abfindung in der Höhe von zwölf Monatslöhnen zu bezahlen und ihr das offene Ferienguthaben von zehn Tagen zu vergüten, je zuzüglich Zins von 5 % seit dem 1. Februar 2022.

 

Die Instanzen

Vorliegend hatte der Bezirksrat in seinem Beschluss vom 23. Januar 2023 einen sachlichen Kündigungsgrund bejaht und die Rechtmässigkeit der Kündigung bestätigt. Die Arbeitnehmerin habe im Oktober 2020 einen Unfall erlitten und sei danach 100 % arbeitsunfähig gewesen. Die Rekursgegnerin habe glaubhaft dargelegt, dass sie der Rekurrentin – diese sei ab dem 4. Oktober 2021 wieder voll arbeitsfähig gewesen – eine Rückkehr an den Arbeitsplatz ermöglicht habe, wenn auch nicht im angestammten Bereich. Die Rekurrentin sei aber nicht bereit gewesen sei, ihre Arbeit wieder aufzunehmen.

Die Vorinstanz (Verwaltungsgericht) gelangte demgegenüber zum Ergebnis, die Auflösung des Anstellungsverhältnisses durch die öffentlich-rechtliche Arbeitgeberin sei ohne sachlich zureichenden Grund und damit unrechtmässig erfolgt. Das Verwaltungsgericht verpflichtete die Gemeinde daher, der Arbeitnehmerin eine Entschädigung von fünf sowie eine Abfindung von zwölf Monatslöhnen zu bezahlen und ihr das offene Ferienguthaben von zehn Tagen zu vergüten, je zuzüglich Zins von 5 % seit dem 1. Februar 2022.

Nach der Feststellung der Vorinstanz liegt der Kündigung folgender Sachverhalt zu Grunde: Ab dem 9. Oktober 2020 sei die Arbeitnehmerin infolge eines Unfalls 100 % arbeitsunfähig gewesen. Vor dem Unfall habe sie im Wohnbereich B2/3 gearbeitet. Am 9. Juli 2021 hätten die Parteien das weitere Vorgehen besprochen. Am 6. September 2021 habe die Arbeitnehmerin die Vorgesetzte über die Besserung ihres Gesundheitszustands informiert und ihr mitgeteilt, sie hoffe in zwei Wochen wieder an den Arbeitsplatz zurückzukehren. Die Vorgesetzte habe der Arbeitnehmerin daraufhin gesagt, dass sie überrascht sei und sie „allenfalls“ in einem anderen Wohnbereich einsetzen werde. Am 15. September 2021 sei die Arbeitnehmerin auf ein Gespräch mit ihrer Vorgesetzten vertröstet worden. Bis zu diesem Zeitpunkt habe noch nicht festgestanden, dass die Arbeitnehmerin den Wohnbereich wechseln müsse. Am 27. September 2021 habe offenbar ein Telefonat stattgefunden, dessen Inhalt nicht dokumentiert sei.

Weiter stellte die Vorinstanz fest, am 1. Oktober 2021 habe die Arbeitgeberin mitgeteilt, sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitnehmerin zu kündigen zufolge ihres unkooperativen Verhaltens und der mangelnden Bereitschaft, in einem anderen Bereich zu arbeiten. Am 6. Oktober 2021 habe die Arbeitnehmerin dazu schriftlich Stellung genommen und ein unkooperatives Verhalten verneint. Aufgrund der schlimmen Erfahrungen, welche sie im Wohnbereich B1 gemacht habe sowie der schlaflosen Nächte, müsse sie diese Option aus Selbstschutz ablehnen. Mangels Alternativen, die ihren Gesundheitszustand berücksichtigten, habe sie sich in die Ecke gedrängt gefühlt und gesagt, dass sie die Kündigung bevorzuge. Am 14. Oktober 2021 habe die Arbeitgeberin die Kündigung ausgesprochen. Sie habe der Arbeitnehmerin Einsätze in anderen Wohnbereichen angeboten, die diese abgelehnt habe. Aufgrund von unterschiedlichen Auffassungen sei die gegenseitige Vertrauensbasis nicht mehr gegeben.

Gegenstand des Verfahrens vor Bundesgericht war somit die Rechtmässigkeit der Kündigung und die damit zusammenhängenden Abfindungs- und Entschädigungsfolgen. Die Verpflichtung zur Vergütung des offenen Ferienguthabens focht die Arbeitnehmerin nicht an.

 

Kein sachlicher Kündigungsgrund?

In materieller Hinsicht beanstandete die Gemeinde das angefochtene Urteil zunächst insofern, als darin ein sachlich gerechtfertigter Kündigungsgrund verneint wurde. Diesbezüglich rügte sie eine willkürliche Anwendung von Art. 5a lit. a-d der Verordnung der Gemeinde U.________ über das Dienstverhältnis des Gemeindepersonals vom 7. Juni 1999 (Anstellungsverordnung, ASV/U.________; SKR 1.200.1) und der Rechtsprechung zur missbräuchlichen Kündigung.

Nach Art. 5a lit. b ASV/U.________ darf die Kündigung durch die Gemeinde nicht missbräuchlich sein und setzt einen sachlich zureichenden Grund voraus. Sachlich begründet ist eine Kündigung, wenn die Weiterbeschäftigung der betreffenden Person dem öffentlichen Interesse, insbesondere demjenigen einer gut funktionierenden Verwaltung, widerspricht (§ 16 Abs. 1 lit. a Vollzugsverordnung zum Personalgesetz des Kantons Zürich vom 19. Mai 1999 [VVO/ZH; LS 177.111]). Die Kündigung wird nach vorheriger Anhörung der betroffenen Person durch die Anstellungsbehörde verfügt, schriftlich mitgeteilt und begründet.

Die Vorinstanz erwog, mit dem zusätzlichen Erfordernis des sachlich zureichenden Kündigungsgrunds gehe der öffentlich-rechtliche Kündigungsschutz weiter als die Missbrauchstatbestände des Obligationenrechts (OR, SR 220). Angesichts des Alters der Arbeitnehmerin, ihrer Krankengeschichte und der sehr langen Anstellungsdauer treffe die Arbeitgeberin eine erhöhte Fürsorgepflicht. Indem es die öffentlich-rechtliche Arbeitgeberin unterlassen habe, konkrete Massnahmen zu prüfen bzw. zu ergreifen, um der Arbeitnehmerin den Wiedereinstieg zu ermöglichen, habe sie ihre Fürsorgepflicht verletzt. Dass die Arbeitnehmerin sich im Rahmen allgemeiner Gespräche zur Rückkehr an den Arbeitsplatz dahingehend geäussert habe, sie wolle nicht in den Wohnbereich B1 wechseln, lasse sich nicht als unrechtmässige Verweigerung einer Weisung der Arbeitgeberin qualifizieren. Insgesamt erweise sich die Kündigung daher als sachlich nicht gerechtfertigt.

In ihrer Vernehmlassung an das Bundesgericht führt die Vorinstanz unter Verweis auf ihre eigene Rechtsprechung aus, dass gegenüber einer älteren und langjährigen Angestellten mit gesundheitlichen Problemen eine erhöhte Fürsorgepflicht gelte, werde nicht aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur missbräuchlichen Kündigung aus dem privaten Arbeitsrecht abgeleitet. Vielmehr ergebe sich eine solche direkt aus der personalrechtlichen Fürsorgepflicht der Arbeitgebenden (§ 39 Personalgesetz des Kantons Zürich vom 27. September 1998 [PG/ZH; LS 177.10]) und aus den dieser Pflicht zugrunde liegenden verfassungsrechtlichen Prinzipien, namentlich aus dem Verhältnismässigkeitsprinzip (Art. 5 Abs. 2 BV). Dass eine öffentlich-rechtliche Arbeitgeberin mildere Mittel prüfen müsse, bevor sie zur Kündigung schreite, sei nach ständiger Praxis Ausfluss des Verhältnismässigkeitsprinzips und des Willkürverbots. Eine Gemeinde könne vorliegend somit zwar auf das förmliche Ansetzen einer Bewährungsfrist verzichten, sie müsse Angestellte aber in der Regel vor einer Kündigung abmahnen. Davon könne nur in schweren Fällen abgesehen werden.

 

Entscheid des Bundesgerichts

Gemäss Bundesgericht waren die Ausführungen der Vorinstanz nicht zu beanstanden und der Entscheid des Verwaltungsgerichts wurde geschützt.

Diese Ausführungen der Vorinstanz sind nicht zu beanstanden. Mit der Weigerung, in den Wohnbereich B1 zu wechseln, hat die Beschwerdegegnerin allenfalls Anlass für eine Abmahnung, nicht aber für eine Kündigung gegeben. Die von der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem Kündigungsgrund zitierte zivilrechtliche Rechtsprechung (Urteile 4A_44/2021 vom 2. Juni 2021; 4A_390/2021 vom 1. Februar 2022 und 4A_186/2022 vom 22. August 2022) beurteilt privatrechtliche Arbeitsverhältnisse unter der Prämisse der Kündigungsfreiheit; diese ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Auch soweit die Beschwerdeführerin auf den bezirksrätlichen Beschluss und die darin zitierten (älteren) Urteile des Verwaltungsgerichts verweist, vermag sie nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Inwiefern die Vorinstanz in Willkür (Art. 9 BV) verfallen sein soll, wenn sie annahm, die Beschwerdeführerin habe ihre Fürsorgepflicht verletzt und die Kündigung sei im vorliegenden Fall sachlich nicht gerechtfertigt, zeigt die Beschwerdeführerin damit nicht auf (Art. 106 Abs. 2 BGG). Ihre Rüge ist unbegründet.  

Zu Höhe der Entschädigung führte das Bundesgericht das folgende aus:

7.1. Art. 5a lit. c ASV/U.________ regelt im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Entschädigung was folgt: Erweist sich die Kündigung als missbräuchlich oder sachlich nicht gerechtfertigt und wird die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer nicht wieder eingestellt, bemisst sich die Entschädigung nach den Bestimmungen des Obligationenrechts über die missbräuchliche Kündigung. Die Ausrichtung einer Abfindung bleibt vorbehalten. Gemäss Art. 336a Abs. 1 OR hat die Partei, die das Arbeitsverhältnis missbräuchlich kündigt, der anderen Partei eine Entschädigung auszurichten. Laut Art. 336 Abs. 2 OR setzt das Gericht die Entschädigung unter der Würdigung aller Umstände fest, es darf aber den Betrag nicht übersteigen, der dem Lohn des Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerin für sechs Monate entspricht. Schadenersatzansprüche aus einem anderen Rechtstitel bleiben vorbehalten.  

7.2. Das Verwaltungsgericht bejahte einen Entschädigungsanspruch der Beschwerdegegnerin in der Höhe von fünf Monatslöhnen, was einer Entschädigung am oberen Rand des gesetzlichen Rahmens entspricht (Art. 336a Abs. 2 OR). Bei der Festsetzung des Anspruchs berücksichtigte die Vorinstanz die Dauer der Anstellung von über 30 Jahren, das Alter der Beschwerdegegnerin zum Zeitpunkt der Kündigung – damals war sie 61-jährig – sowie die Fürsorgepflichtverletzung der Arbeitgeberin. Der Vorinstanz steht bei der Bemessung der Entschädigung ein grosser Ermessensspielraum zu (vgl. PORTMANN/RUDOLPH in: Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 7. Aufl. 2020, N. 4 zu Art. 336a OR). Das Bundesgericht prüft den angefochtenen Entscheid somit insbesondere daraufhin, ob die Vorinstanz grundlos von den in Lehre und Rechtsprechung entwickelten Bemessungskriterien abgewichen ist oder Tatsachen berücksichtigt hat, die für die Entschädigungshöhe keine Rolle hätten spielen dürfen, oder umgekehrt Umstände beiseite gelassen hat, die zwingend zu beachten gewesen wären. Es hebt einen auf Ermessen beruhenden Entscheid ausserdem auf, wenn sich dieser als offensichtlich unbillig erweist (BGE 147 V 194 E. 6.3; Urteile 8C_75/2018 vom 13. Juli 2018 E. 3.2.2; 8C_620/2013 vom 25. Februar 2014 E. 4.3.3). 

7.3. Vorliegend legte die Vorinstanz im angefochtenen Urteil und in ihrer Vernehmlassung an das Bundesgericht dar, dass bei der Bemessung der Entschädigung einzig auf die Umstände zum Zeitpunkt der Kündigung abgestellt werde. Dazu äusserte sich die Beschwerdeführerin nicht. Die Aussage der Beschwerdeführerin, die Vorinstanz habe im Rahmen der Festsetzung des Entschädigungsanspruchs zu Unrecht auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Kündigung bei der Beschwerdegegnerin berücksichtigt, trifft somit nicht zu. Im Übrigen basiert die Argumentation der Beschwerdeführerin, die Vorinstanz hätte bei der Bemessung der Entschädigungshöhe das Mitverschulden der Beschwerdegegnerin an der Kündigung berücksichtigen müssen, auf ihrer eigenen Würdigung des Sachverhalts und auf der Annahme einer rechtmässigen Kündigung; ihre Auffassung lässt die Ermessensbetätigung des Verwaltungsgerichts nicht als vollkommen unangemessen und willkürlich im Sinne von Art. 9 BV erscheinen (Art. 106 Abs. 2 BGG). 

 

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Autor: Nicolas Facincani

 

 

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