Der Schweizer HR-Barometer liefert Erkenntnisse zur Arbeitssituation von Angestellten in der Schweiz. Die Studie erfasst eine Reihe von Themen, darunter gegenseitige Erwartungen und Angebote von Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden als Bestandteil der Arbeitsbeziehung (psychologischer Vertrag), Praktiken des Human Resource Management wie Arbeitsgestaltung und Personalentwicklung, Führung, Arbeitszufriedenheit, Arbeitsmarktfähigkeit und Karriereorientierung. Die Studie wird von Gudela Grote, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie der ETH Zürich, und von Bruno Staffelbach, Leiter des Centers für Human Resource Management an der Universität Luzern, in Kooperation mit der Universität Zürich regelmäßig herausgegeben.

Die Basis des HR-Barometers 2024 bildet eine Befragung von 2032 Angestellten, basierend auf dem Stichprobenregister des Bundesamtes für Statistik. Die aktuelle Ausgabe widmet sich dem Schwerpunktthema „Sinn und Unsinn in der Arbeit“. Die Befragung fand zwischen März und Juni 2024 in der deutsch-, französisch- und italienischsprachigen Schweiz statt.

Die Mehrheit der 2032 Befragten in der Schweiz empfindet ihre Arbeit als wichtig und sinnvoll, wobei dies ab 55 Jahren an Bedeutung gewinnt. Fast die Hälfte fühlt sich jedoch teils entfremdet, und die empfundene Langeweile ist im Vergleich zu vor 10 Jahren leicht gestiegen.

 

Inhalt HR-Barometer 2024

Die Verbreitung von Künstlicher Intelligenz (KI) im Arbeitskontext wirft die Frage auf, ob die derzeitige Form der Arbeit noch sinnvoll ist. KI-Technologien haben das Potenzial, eine Vielzahl von Aufgaben zu automatisieren und dadurch die Arbeitsweise grundlegend zu verändern. Einerseits können neue Technologien die Produktivität steigern und Menschen von monotonen oder gefährlichen Tätigkeiten befreien. Andererseits ist es von entscheidender Bedeutung, den Sinn in der Arbeit für die Menschen zu erhalten. Im Rahmen des Schweizer HR-Barometers 2024 wird aus Sicht der Arbeitnehmenden untersucht, welchen Sinn und Unsinn sie in ihrer Arbeit wahrnehmen.

 

Stellenwert der Arbeit

Für die Beschäftigten in der Schweiz hat die Arbeit einen hohen Stellenwert im Leben. Bei einem Vergleich der Wichtigkeit verschiedener Lebensbereiche zeigt sich, dass für die Schweizer Bevölkerung insbesondere die Bereiche „Erwerbsarbeit“ sowie „Familie und Freizeit“ von großer Bedeutung sind. Für erwerbstätige Personen in der Schweiz haben diese beiden Bereiche im Durchschnitt eine hohe Relevanz von jeweils fast 30 %. Mit zunehmendem Alter gewinnt die Erwerbsarbeit an Bedeutung (von 28 auf 36 %), während die Freizeit an Relevanz verliert (von 31 auf 22 %). Die Familie stellt für die Befragten insgesamt den wichtigsten Lebensbereich dar, insbesondere für die Gruppe der mittleren Altersklasse. Im Vergleich zu 2014 hat die Familie nahezu die gleiche Bedeutung, während die Erwerbsarbeit etwas an Bedeutung verloren hat und die Freizeit an Bedeutung gewonnen hat (im Durchschnitt um etwa 4–5 %). Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine allgemeine Tendenz besteht, der Erwerbsarbeit weniger und der Freizeit mehr Bedeutung beizumessen.

 

Bedeutsamkeit und Entfremdung

Fast die Hälfte der Beschäftigten (47 %) betrachtet ihre Arbeit als bedeutsam, für mehr als ein Drittel trifft dies zumindest teilweise zu (36 %). Viele sind sich insbesondere darüber im Klaren, welche Faktoren ihre Arbeit bedeutsam machen. Es ist erfreulich, dass nahezu drei Viertel (71 %) der Befragten in ihrer Arbeit aufgehen und damit das Gefühl haben, sich dort weiterentwickeln zu können und energiegeladen und vital bei der Arbeit zu sein. Darüber hinaus beurteilt die Mehrheit der Beschäftigten ihre Arbeit als kohärent, d. h. als in sich stimmig und nachvollziehbar.

Dennoch gibt jeder Zweite an, dass er sich zumindest teilweise von seiner Arbeit entfremdet fühlt.

Ein Viertel der Befragten (24 %) gibt an, sich oft oder immer von der eigenen Arbeit entfremdet zu fühlen. Die Arbeit wird von den Beschäftigten als Bürde empfunden, sie sind desillusioniert und distanziert von ihrer Tätigkeit und ihrem Arbeitsumfeld. Hier sind die Arbeitgeber gefordert, zu handeln. Im Jahr 2024 hat sich zudem fast ein Viertel der Beschäftigten mindestens manchmal bei der Arbeit gelangweilt, während es vor zehn Jahren nur 12 % waren.

 

Die Zufriedenheit der Beschäftigten kann durch die Sinnhaftigkeit der Arbeit positiv beeinflusst werden

Wenn die Arbeit einen hohen Stellenwert im Leben der Beschäftigten einnimmt, führt dies zu einem höheren Gefühl der Bedeutsamkeit der Arbeit, zu einem höheren Kohärenzgefühl und zu einem Aufgehen in der Arbeit (Thriving). Ist die Arbeit für die Beschäftigten von großer Bedeutung und wird der Arbeitsanreiz in erster Linie durch das finanzielle Motiv bestimmt, führt dies eher zu einer distanzierten Haltung und Langeweile bei der Arbeit.

Die wahrgenommene Bedeutsamkeit der Arbeit, das Kohärenzgefühl und das Aufgehen in der Arbeit reduzieren Arbeitsplatzunsicherheit und Kündigungsabsichten, erhöhen die Arbeits- und Karrierezufriedenheit und stärken die Verbundenheit mit dem Arbeitgeber. Eine als kohärent empfundene Arbeit und das Aufgehen in der Arbeit reduzieren das Stressempfinden. Das Gegenteil ist der Fall, wenn Beschäftigte sich bei der Arbeit entfremdet oder gelangweilt fühlen.

 

Trend zu Stagnation

Die Trendanalysen zeigen, dass die positive Grundstimmung bei den Beschäftigten gegenüber den Arbeitgebenden insgesamt weiterhin bestehen bleibt. Die Einstellungen der Beschäftigten zu ihrer Arbeit sind seit Beginn der Messungen im Jahr 2006 bis auf geringfügige Schwankungen relativ stabil. Die Arbeitsgestaltung wird insgesamt positiv bewertet. Die Arbeitszufriedenheit und das Engagement sind nach wie vor auf hohem Niveau. Lediglich die Kündigungsabsicht ist leicht gesunken. Die gegenseitigen Erwartungen und Angebote von Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden (sog. psychologischer Vertrag) stagnieren. Die Angebote der Arbeitgebenden werden von den Beschäftigten als nahezu unverändert im Vergleich zu 2022 wahrgenommen. Die Erwartungen der Arbeitnehmenden bleiben mehrheitlich auf stabilem Niveau oder sind sogar leicht rückläufig.

Trotz des derzeit beschäftigungsfreundlichen Arbeitsmarktes ist fast die Hälfte der Beschäftigten (45 %) an einer traditionellen sicherheitsorientierten Karriere im Unternehmen interessiert. In den letzten Jahren waren dies immer weniger als 40 %.

 

Das HR-Barometer 2024 finden Sie hier.

 

Autor: Nicolas Facincani

 

 

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