Das Bundesgericht bestätigte in BGer 4A_597/2023 vom 15. Mai 2024, dass es zulässig sei, einen Bonus (unechte Gratifikation) zu kürzen, sofern sich die Arbeitnehmerin entscheidet, in der 9. bis zur 16. Woche nach der Niederkunft nicht zu arbeiten. Diese Zeit liegt ausserhalb des gesetzlichen Beschäftigungsverbots. Eine Reduktion während dieser Wochen sei daher mit Art. 3 Gleichstellungsgesetz zu vereinbaren und liege im Ermessen des Arbeitgebers.
Beurteilung der Vorinstanz
Die Vorinstanz hatte erwogen, es bestehe Einigkeit darin, dass die Parteien eine unechte Gratifikation vereinbart hätten, mithin dass darauf ein Anspruch besteht, wobei jedoch dem Arbeitgeber bei der Bestimmung der Höhe ein gewisses Ermessen verbleibe.
Zutreffend und unbestritten sei sodann die Feststellung der Erstinstanz, wonach die Kürzung des Bonus während der ersten acht Wochen nach der Niederkunft aufgrund des gesetzlichen Arbeitsverbots während dieser Zeit diskriminierend und daher unzulässig sei. Gleiches gelte für die Kürzung des Bonus aufgrund der von der Beschwerdeführerin bezogenen Ferien. Diesbezüglich sei der erstinstanzliche Entscheid in Rechtskraft erwachsen, da die Beschwerdeführerin keine Anschlussberufung erhoben habe.
Zu prüfen ob die Abwesenheit während der 9. bis 16 Woche des Mutterschaftsurlaubes bei der Bemessung des Bonus als Beschäftigungszeit zu berücksichtigen sei:
Die Vorinstanz erwog, aus dem Diskriminierungsverbot gemäss Art. 3 GlG könne die Arbeitnehmerin nichts für sich ableiten. Während der noch streitigen Zeit von der 9. bis zur 16. Woche des Mutterschaftsurlaubs hätte sie von Gesetzes wegen arbeiten dürfen. Der Bezug dieses Teils des Mutterschaftsurlaubs sei mithin freiwillig. Demzufolge treffe den Arbeitgeber, soweit nichts Anderes vereinbart sei, auch keine Lohnfortzahlungspflicht. Jedoch erhalte die Mutter von der 6. bis zur 14. Woche nach der Niederkunft die Leistungen aus der Mutterschaftsversicherung. Damit rechtfertige es sich aber – im Vergleich zu anderen unverschuldeten Abwesenheiten von Arbeitnehmenden, die bei der Bemessung der Gratifikation ebenfalls als Kürzungsgrund berücksichtigt werden könnten – nicht, diese freiwillige Abwesenheit an anrechenbare Beschäftigungszeit zu privilegieren. Die Kürzung der Gratifikation während der freiwilligen Abwesenheit der Beschwerdeführerin von der 9. bis zur 16. Woche nach der Niederkunft sei daher nicht diskriminierend.
Erwägungen des Bundesgerichts
Wie einleitend dargelegt, vertritt das Bundesgericht die Haltung, es zulässig sei, einen Bonus (unechte Gratifikation) zu kürzen, sofern sich die Arbeitnehmerin entscheidet, in der 9. bis zur 16. Woche nach der Niederkunft nicht zu arbeiten (BGer 4A_597/2023 vom 15. Mai 2024).
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist es nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz erwog, aufgrund der vertraglichen Vereinbarung habe die Beschwerdegegnerin 1 die schwangerschaftsbedingte Abwesenheit bei ihrer Leistungsbeurteilung resp. bei der Bemessung des Bonus berücksichtigen dürfen. Es versteht sich von selbst, dass die Leistung bzw. der Output eines Arbeitnehmers bei einer länger dauernden Abwesenheit, wie vorliegend, unabhängig vom Grund insgesamt geringer ausfällt als wenn die Beschwerdeführerin während des ganzen Jahres 2018 voll gearbeitet hätte. Eine Kürzung erscheint daher sachlich gerechtfertigt. Daran ändert nichts, dass die Beschwerdegegnerin 1 keine konkrete Leistungsbeurteilung vorgenommen haben mag. Die Beschwerdeführerin bringt nichts vor, was die Auffassung der Vorinstanz, wonach die Beschwerdeführerin nach Treu und Glauben nicht davon habe ausgehen dürfen, dass ihre mutterschaftsbedingte Abwesenheit bei der Festsetzung der Gratifikationshöhe keine Rolle spielen würde, als bundesrechtswidrig auswiese. Es kann offen bleiben, ob die Vorinstanz zu Recht annahm, es handle sich beim Vorbringen der Beschwerdeführerin um ein nicht zu berücksichtigendes Novum.
Nicht gefolgt werden kann der Beschwerdeführerin auch, wenn sie einen Verstoss gegen Art. 3 GlG erkennt. Sie setzt sich mit der vorinstanzlichen Auffassung nicht auseinander. Namentlich bestreitet sie nicht, dass sie während der noch zu beurteilenden Zeit von der 9. bis zur 16. Woche des Mutterschaftsurlaubs von Gesetzes wegen hätte arbeiten dürfen. Die Vorinstanz nahm daher zu Recht an, mangels einer konkreten vertraglichen Vereinbarung habe seitens der Beschwerdegegnerin 1 keine Leistungspflicht bestanden. Eine Diskriminierung liegt auch deshalb nicht vor, weil, wie die Vorinstanz zutreffend erwog, von der 6. bis zur 14. Woche nach der Niederkunft ein Anspruch auf Leistungen aus der Mutterschaftsversicherung besteht. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern Mütter gegenüber anderen Arbeitnehmerinnen in unzulässiger Weise benachteiligt wären. An der Stichhaltigkeit ihrer Argumentation ändert nichts, dass die Vorinstanz erwog, es würden wohl nur wenige Mütter ihre Arbeit bereits ab der 9. Woche nach der Niederkunft wieder aufnehmen. Dennoch bleibt der Mutterschaftsurlaub insoweit freiwillig und ist daher von der Beschwerdegegnerin 1, mangels einer entsprechenden Abrede, nicht zu vergüten.
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Autor: Nicolas Facincani
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