In Bezug auf „Uber Eats“ hatte das Genfer Amt für Arbeitsmarkt 2019 entschieden, dass mit dem Essenslieferdienst ein Personalverleih stattfinde, der dem Bundesgesetz über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih (AVG) unterstehe. „Uber CH“ müsse ihre Genfer Zweigniederlassung deshalb im Genfer Handelsregister eintragen und um eine Betriebsbewilligung gemäss den Anforderungen des AVG ersuchen. Das Genfer Kantonsgericht hatte diesen Entscheid bestätigt.
Das Bundesgericht kam im Entscheid BGer 2C_34/2021 vom 30. Mai 2022 zum Schluss, dass kein Personalverleih vorliege. Personalverleih würde eine dreiseitige Beziehung zwischen dem Arbeitgeber (bzw. Verleiher), dem Arbeitnehmer und dem Einsatzbetrieb bezeichnen. Dabei geht es um zwei Vertragsverhältnisse, nämlich um einen Arbeitsvertrag zwischen dem Verleiher und dem Arbeitnehmer (im Sinne von Artikel 319 ff Obligationenrecht) sowie um den Personalverleihvertrag zwischen dem Verleiher und dem Einsatzbetrieb. Das Bundesgericht ging zwar gestützt auf die Merkmale der vertraglichen Beziehung davon aus, dass zwischen Uber und den Kurieren ein Arbeitsverhältnis bestehe. Hingegen bestehe zwischen Uber und den Gastronomiebetrieben kein Personalverleihvertrag; dazu fehlt es insbesondere an einem Übergang der Weisungsbefugnisse gegenüber den Kurieren auf die Gastronomiebetriebe sowie an der Integration der Kuriere in die Organisation der Restaurants.
Urteil vom 5. Februar 2025 (2C_46/2024): Personalverleih bei Einsatz der App UberEats
Ein Essenslieferdienst aus dem Kanton Genf, dessen Kuriere für die Abwicklung der Bestellungen die App UberEats benutzen, betreibt gegenüber Uber einen Personalverleih mit entsprechender Bewilligungspflicht – dies hat das Bundesgericht entschieden. Das Bundesgericht wies die Beschwerde des Lieferdienstes gegen das Urteil des Genfer Kantonsgerichts ab.
Die Haupttätigkeit des Genfer Unternehmens mit rund 400 Velokurieren besteht in der Essenslieferung nach Hause. Die Firma hatte einen Lizenzvertrag mit Uber zur Nutzung der App UberEats abgeschlossen, über welche die Bestellungen abgewickelt werden. Die Genfer Behörden entschieden 2022, dass der Genfer Lieferdienst sein Personal Uber zur Verfügung stelle und damit dem Bundesgesetz über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih unterstehe; bis zum Erhalt der entsprechenden Bewilligung sei ihm jegliche Tätigkeit untersagt. Das Genfer Kantonsgericht bestätigte den Entscheid 2023.
Personalverleih
Bei Personalverleih stellt der Arbeitgeber (= Verleiher) von ihm angestellte Arbeitnehmer Dritten (= Einsatzbetriebe) gewerbsmässig für Arbeitsleistungen zur Verfügung. Zwischen Verleiher und Arbeitnehmer besteht ein Arbeitsvertrag. Zwischen Verleiher und Einsatzbetrieb besteht ein Verleihvertrag. Der Arbeitnehmer erbringt die Arbeitsleistung nicht im Betrieb des Arbeitgebers (Verleihers), sondern in einem Einsatzbetrieb. Dies hat eine Aufspaltung der Arbeitgeberfunktion zur Folge: Das Weisungsrecht betreffend Ziel- und Fachanweisungen und des Verhaltens der Arbeitnehmer gehen an den Einsatzbetrieb über. Die übrigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, insbesondere die Lohnzahlungspflicht, bleiben beim Verleiher.
Man unterscheidet drei Formen des Personalverleihs: Temporärarbeit, Leiharbeit und gelegentliches Überlassen. Die Temporärarbeit und die Leiharbeit sind bewilligungspflichtig, sofern dies gewerbsmässig betrieben wird. Beachtlich sind die gesetzlichen Regeln des Arbeitsvermittlungsgesetzes (SR 823.11) und deren Verordnungen.
Abweisung der Beschwerde
Das Bundesgericht wies die gegen den kantonalen Entscheid erhobene Beschwerde des Unternehmens ab. Personalverleih liegt gemäss Bundesgericht grundsätzlich vor, wenn die Weisungsbefugnis gegenüber den Arbeitnehmern zu einem wesentlichen Teil an den Einsatzbetrieb abgetreten wird, dieser also Instruktionen erteilen darf, wie die Arbeit auszuführen ist. Im vorliegenden Fall sei diese zentrale Charakteristik von Personalverleih erfüllt. Insbesondere könne festgestellt werden, dass einzig von der App UberEats bestimmt wird, welche Aufträge die Kuriere auszuführen haben. Die App liefert den Kurieren die dazu notwendigen Details für die Bestellung. Soweit die Kunden über die App weitere Instruktionen erteilen könnten, handelt es sich um ein zusätzliches indirektes Mittel von Uber, die Kuriere zur konkreten Ausführung der Bestellung anzuweisen. Die App bewirke sodann eine Echtzeit-Überwachung der zeitlichen Arbeitsorganisation der Kuriere sowie ihres Aktionsradius. In der Praxis sind die Kuriere schliesslich angehalten, die ihnen von der App zugewiesenen Bestellung systematisch zu akzeptieren. Hinzu kämen weitere Elemente, die insgesamt auf das Bestehen von Personalverleih schliessen liessen.
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Autor: Nicolas Facincani
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